• Sie halten die Worbmachertradition aufrecht (von links): Martin, Verena und Patrick Strub. · Bilder: Ueli Duppenthaler

  • Lager der krumm gesägten Eschenbretter.

  • Eschen entlang der Langete bei Eriswil.

  • Mitarbeiter von «Grün Stadt Zürich» beim Sensedengelen ...

  • ... und beim Mähkurs. · Bilder: zvg

01.04.2021
Huttwil

Vom Eschenstamm zum Senseworb

In Schwarzenbach bei Huttwil hat ein altes Handwerk in zeitgemässer Form bis heute überlebt. Die Firma Martin Strub GmbH stellt mit Sensewörben ein Produkt her, das bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zum Alltag der Landbevölkerung gehörte. Prominenteste Kundin der Neuzeit ist Fernsehmoderatorin Mona Vetsch.

Das Handwerk des «Worb- und Rechenmachers» ist in seiner ursprünglichen Form mit der Mechanisierung der Landwirtschaft ausgestorben. Was aber nicht heisst, dass damit auch diese Handwerkzeuge gänzlich verschwunden sind. Im Gegenteil, die Kunst des Handmähens steilster Hänge im Berggebiet vererbt sich von Generation zu Generation weiter. Sogar eine Sportart ist daraus entstanden. Im urbanen Raum setzen die städtischen Betriebe das traditionelle Werkzeug wieder ein. Umweltfreundlich, weder von Strom noch Treibstoff abhängig, und naturschonend hält die Sense auch Einzug bei den Bewegungen, die in den Städten die Biodiversität zu ihrer Leidenschaft machen.

Einzigartiger Worbmacher
«Worb» ist die Bezeichnung für den Holzstiel einer Sense. Schweizweit gibt es nur noch einen überregionalen «Worbmacher»: die Holzwaren Manufaktur Strub in Schwarzenbach. Mittlerweile ist es der einzige Betrieb in der Schweiz, der Sensewörbe in grösseren Stückzahlen herstellt. Seit 1989 führen Verena und Martin Strub die Firma in dritter Generation. Mit Sohn Patrick steht die vierte Generation in den Startlöchern.
Ein dreiköpfiges Team stellt 30 verschiedene Modelle von Sensewörben her, die den seit Jahrhunderten vererbten regionalen Bedürfnissen entsprechen. Verschiedene Längen und Krümmungen sind die Hauptmerkmale. Daraus eine kleine, nicht abschliessende Reise durch die Schweiz: «Bündner», «Toggenburger», «Thurgauer», «Stadt Zürcher», «Luzerner», «Urner», «Tessiner», «Glarner», «Walliser», «Freiburger» und «Waadtländer». Weil die Basler keinen eigenen Worb haben, verwenden sie den «Berner». Rund 4000 Stück verlassen jährlich den Traditionsbetrieb und finden via Fachhandel und im Direktverkauf den Weg zu den Kunden. Auch Stiele für das Sportgerät «Hornusserschindel» und für weitere Handwerkzeuge gehören zum Sortiment.

Einheimischer Rohstoff
Die Holzwaren Manufaktur Strub verarbeitet ausschliesslich einheimisches Eschenholz. Diese Baumart wächst in unserer Region vorwiegend entlang der Bachläufe und sorgt so seit Jahrhunderten für eine natürliche Uferbefestigung. Beim «Langete»-Hochwasser von 2007 waren die mit Eschen bestandenen Abschnitte kaum von Schäden betroffen und schonten das Portemonnaie der Steuerzahler. Weil die früher aus einheimischem Holz hergestellten Produkte vermehrt importiert werden, ist das hochwertige Schweizer Eschenholz schwer verkäuflich und endet oft zu einem Spottpreis als Rohstoff für die Pellets- und Hackschnitzel-Herstellung. So ist Martin Strub ein Lichtblick für Landwirte und Waldbesitzer in der Region. Denn er kauft auch die qualitativ hochwertigen, aber krummen Stämme. Im Betrieb in Schwarzenbach ist das Sägen von krummen Brettern, die bereits die Form der Wörbe aufweisen, der erste Arbeitsschritt. Dies geschieht mittels einer selbst umgebauten Blockbandsäge. Danach werden die Bretter zwei Jahre luftgetrocknet.

Beeindruckender Produktionsprozess
Martin Strub hat das Handwerk des «Worbmachers» von seinem Vater und seinem Onkel erlernt und so ein riesiges Know-how mitbekommen, das nirgends in Schulbüchern steht und das er mit seiner Ehefrau und Geschäftspartnerin Verena Strub teilt. Bereits über hundert Jahre gibt es den alteingesessenen Betrieb, der einen hervorragenden Ruf geniesst. Seine staatlich anerkannte Ausbildung ist jene zum Landwirt. Strubs führen nebenbei auch noch ihren Bauernhof «Halden» mit Mutterkuhhaltung.
Nach der Trocknungszeit werden die krummen Bretter in 54 weiteren Arbeitsschritten zum fertigen Senseworb, einem eigentlichen Kunstwerk, verarbeitet. Zum Fräsen, Hobeln, Bohren dient ein Maschinenpark, den Martin Strub im Laufe der Jahre erneuert hat. Oft fand er auf dem Markt die entsprechenden Maschinen gar nicht. Dann kam der Autodidakt und «Tüftler» Strub in sein Element. Im Laufe der Jahre hat er seine Maschinen und Vorrichtungen immer mehr für die spezifischen Anforderungen umgebaut und verfeinert. Selbstredend, dass der innovative Unternehmer auch die anfallenden Reparaturen selbst ausführt und so ältere Maschinen weiter in Schuss hält. Die meisten Arbeitsschritte sind aber immer noch reine Handarbeit, wo Erfahrung und Können gefragt sind. Von der Komplexität her lässt sich dieses Handwerk irgendwo zwischen Schreiner und Geigenbauer einordnen.

Kunden im In- und Ausland
Die Sensewörbe kommen naturbelassen, zertifiziert nach dem Qualitätslabel «Schweizer Holz» in den Verkauf. Einerseits werden morsche Sensewörbe ersetzt, weil die nicht mehr täglich benutzten Sensenblätter Generationen überdauern und andererseits blüht das Geschäft mit den kompletten Neugeräten. Da es keinen Schweizer Hersteller gibt, stammen die Senseblätter aus Österreich und Italien. Bei diesen gibt es keine regionalen Ausprägungen. Die montierten Geräte werden mähfertig auf die Bedürfnisse der Kunden eingestellt.
Gefragt sind die Schweizer Sensewörbe auch bei den Profis im Ausland. Aktuell in Deutschland und Holland. Bis 2015 wurden sie via einen Vertriebspartner in Österreich unter anderem nach Schweden, England, Kanada und Australien exportiert. Es war eine Hiobsbotschaft für die Schweizer Exporteure, als die Nationalbank den minimalen Euro-Wechselkurs nicht länger stützte und der Franken massiv erstarkte. Im Zuge dieser Krise wurden alle Aufträge annulliert.
Ein Einschnitt in der über hundertjährigen Firmengeschichte war der Verlust von LANDI Schweiz als Partner. Der Agrarkonzern Fenaco mit den LANDI Läden legt grössten Wert auf Swissness. Gemäss einem Artikel der «UFA Revue», der Fachzeitschrift der fenaco-LANDI Gruppe gilt «Schweiz ohne Wenn und Aber» sowohl bei den Lieferanten wie auch beim «Schweizer Holz». LANDI Schweiz hat gegenüber dem «Unter-Emmentaler» bestätigt, dass der «Senseworb Berner» heute in Österreich hergestellt wird. Dazu wird laut Angabe von LANDI österreichisches Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung verwendet. Die Anfrage des «Unter-Emmentalers» hat dazu geführt, dass die falsche Herkunftsdeklaration (Schweiz/EU) umgehend berichtigt wurde.

Mähkurse für Stadt und Land
Die Kunst, das Werkzeug zu beherrschen, gibt Martin Strub seit rund 15 Jahren als Sensenmählehrer weiter. Er ist schweizweit unterwegs und die Kursteilnehmer kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Die grösste Nachfrage kommt unterdessen aus den Städten Zürich und Basel, wo die Bewegungen für Biodiversität im Aufwind sind. GRÜNSTADT SCHWEIZ ist das Label für nachhaltiges Stadtgrün. Die Vereinigung wird von den Schweizerischen Stadtgärtnereien und Gartenbauämter getragen sowie vom Bundesamt für Umwelt unterstützt. «Mission B – für mehr Biodiversität» wurde von SRF ins Leben gerufen und so einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Bei einem dieser Kurse war auch Bauerntochter und Fernsehmoderatorin Mona Vetsch dabei. Spontan hat sie eine Sense gekauft. Martin Strub konnte das Gerät auf ihre Grösse und Bedürfnisse anpassen.

Sense erlebt Renaissance
Das Mähen mit der Sense beruht auf einer Technik, die auch von den Profis von «Grün Stadt Zürich» erlernt werden muss. Dies ist der städtische Betrieb, der mit 500 Mitarbeitern 4440 Hektar Grünraum unterhält. Die Kurse umfassen zwei Teile: Einerseits die Mähtechnik und andererseits das Dengeln. Dies ist das rhythmische Breitschlagen der Klinge auf einem speziellen Dengelstock. Ein frisch gedengeltes Sensenblatt wird dünn wie ein Rasiermesser und schneidet wie durch Butter. Der Einsatz der Sensen ist nicht einfach eine nostalgische Nummer. Wie eine Vergleichsrechnung Grün Stadt Zürich an Bachböschungen zeigt, halten sich Hand- und Motorsense bezüglich Wirtschaftlichkeit in etwa die Waage. Deshalb haben die Behörden die Motorsensen (Trimmer) weitgehend aus der Stadt verbannt. Auch am Hauptsitz des Weltfussballverbandes FIFA geht man mit der Zeit und pflegt die grosszügigen Grünanlagen mit Sensen aus Schwar­zenbach. Naheliegend, dass auch der benachbarte Zürcher Zoo dasselbe tut. Sogar das Bundesamt für Umwelt BAFU setzt auf das Wissen des Schwarzenbachers: Rund 30 Mitarbeitende folgten bei einem Freizeit-Event den Erläuterungen und Anweisungen von Martin Strub, was vielleicht Auswirkungen auf die künftige Schweizer Umweltpolitik haben wird.

Sport und Fernsehshow
Das Handmähen ist ein Sport, der in der Schweiz und weiteren Ländern betrieben wird. Im Rahmen dieser Wettkämpfe werden Berner-, Schweizer-, Europa- und sogar Weltmeister gekürt. Bei den 24. Berner Meisterschaften im Jahre 2019 in Frutigen waren 140 Teilnehmer am Start. Zur Schweizer Meisterschaft zählen die Wettkämpfe von Herisau, Rothenthurm und Frutigen. Die Titel werden in den Kategorien Damen und Herren vergeben. Bei den Europameisterschaften kommt es – wie beim Skisport – zu den Duellen zwischen Österreich und der Schweiz. Nach den coronabedingten Absagen der Wettkämpfe im letzten Jahr hoffen die Sportler, in dieser Saison wieder zu den Sensen greifen zu können Sensenmähen taugt auch für Fernsehunterhaltung zur besten Sendezeit. Im Rahmen der Promi Challenge der SRF Sendung «Donnschtig-Jass» kam es im vergangenen Sommer zu einem hochstehenden Duell: Die beiden neuen Leutschenbach-Aushängeschilder Fabienne Bamert und Bigna Silberschmidt zeigten im Sensemähwettkampf, dass sie nicht nur in der Kommunikation schlagfertig sind. Die Zukunftsperspektiven der Holzwaren Manufaktur Strub sind intakt. Einerseits, weil mit dem als Landwirt und Zimmermann ausgebildeten Sohn Patrick die Nachfolge geregelt ist. Andererseits, weil vielleicht in Kürze auch die Klimajugend zu den Sensen greifen wird. Diese fordert ein Verbot der fossilen Treibstoffe für das Jahr 2030. Wenn diese Bewegung nur ihre Nahrungsmittel gemäss den eigenen Forderungen produzieren wird, werden wir bald die Rückkehr von Handwerkzeugen und Pferdegespannen auf einen kleinen Teil unserer Wiesen und Äcker sehen.

Infos: www.sensen.ch

Von Ueli Duppenthaler