• Im Keller seines Wohnhauses hat Andreas Koch seinen Bastelraum eingerichtet. Er ist hier gerade damit beschäftigt, das Gummiband (Motor) zu montieren. · Bild: Yanick Kurth

  • Andreas Koch kurz vor der Schweizermeisterschaft in Balsthal. · Bild: zvg

10.01.2023
Huttwil

Vom neuen Hobby zum Schweizermeister

Andreas Koch tüftelt und werkelt seit Jahren an seinen ultraleichten und mit Gummimotor betriebenen Flugzeugmodellen herum. Nun hat der Huttwiler an der Saalflug-Schweizermeisterschaft in Balsthal alle Konkurrenten hinter sich gelassen und holte in der Kategorie TH35-L den Titel ins «Blumenstädtchen».

Er ist Fan des leisen Flugs und ein versierter Tüftler: Der gebürtige Willisauer Andreas Koch. Eine Menge Geduld, unglaubliche Genauigkeit, viel Konzentration und feinmotorische Fähigkeiten sind bei seinem spannenden Hobby gefragt. Der gelernte Autolackierer tüftelt und werkelt mit viel Leidenschaft an Flugzeugmodellen herum. Seine Modellflugzeuge sind nur wenige Gramm schwer und werden mit einem Gummimotor betrieben. «Beim Bauen und transportieren kann mehr kaputt gehen als beim Fliegen», betont Koch. Die Arbeit gleicht jener eines Uhrmachers. Wer aber denkt, da fliegen alle gleich, irrt. Es kommt auf die Details an. Wo liegt der Schwerpunkt? Wie ist die Neigung der Flügel? Wie schwer ist der Gummi?

Im Bastelraum wird fleissig gewerkelt und getüftelt
Im Keller seines Wohnhauses ist sein Bastelraum zu finden. Hier verbringt Koch viel Zeit mit dem Bau der ultraleichten und feinen Modellflugzeuge. Manchmal sind es Bausätze, die relativ schnell einmal zusammengebaut sind. Immer wieder wagt sich der Tüftler aber auch an eigens gebaute Modelle. Dabei kann er auf ein altes Buch aus dem Jahr 1938 mit Bauplänen und auf die Plansammlung auf der englischen Internetseite outerzone.uk zurückgreifen.
An seinem Arbeitstisch steht eine helle Lampe, darunter liegt Leim, Balsaholz und Japanpapier. Die Modelle wiegen nur wenige Gramm und die Arbeitsschritte sind knifflig. Nichts für schwache Nerven. Zum Hobby gestossen ist er vor acht Jahren. «Meine Frau meinte damals, dass ich ein neues Hobby benötige», lacht Koch. Zu viel und zu lange war er vor dem Computer. Dies hing auch damit zusammen, dass Andreas Koch im Internet nach Occasions-Velos suchte. Denn der gebürtige Luzerner betreibt in Huttwil eine Velo-Bude. Dort macht er nebst Reparaturen alte Fahrräder wieder fahrtauglich. Auch hier kann er werkeln und tüfteln. Doch im Winter ist in der Velo-Bude eher weniger los und das Hobby rund ums Modellfliegen füllte diese Lücke. So fing damals alles an. Die Abende verbrachte er zunehmend nicht mehr im Internet, sondern in seinem Bastelraum.

Vater lautlos am Fliegen, Sohn mit «echtem» Motor
Erst im letzten Jahr ist er zur Modellfluggruppe Huttwil gestossen. Nicht seinetwegen, sondern viel eher wegen seinem Sohn Oliver. Ihn fasziniert die Fliegerei ebenso. Nur sind ihm die Modellflieger seines Vaters zu leise und zu langsam. «Er wollte ferngesteuerte und schnelle Modelle fliegen», erinnert sich sein Vater zurück. Nun hat er bei der Modellfluggruppe Huttwil die Möglichkeit, das Handwerk zu üben. Sein Vater bleibt vorerst den lautlosen Modellen treu. Bislang ist dies in der Huttwiler Modellfluggruppe neu. Andreas Koch bringt also mit den Gummimotoren frischen Wind in den traditionsreichen Verein.
Der 52-Jährige, der sich selbst als Minimalist bezeichnet, ist vor 26 Jahren per Zufall auf Huttwil gestossen. «Hier habe ich damals eine Wohnung für 90 Franken im Monat gefunden», erinnert sich der gelernte Autolackierer zurück. Andreas Koch musste dafür einen halben Tag in der Woche arbeiten und «chillte» daneben sein Leben. Unterwegs ist Andreas Koch oft zu Fuss oder mit dem Velo. Das Auto hat ihm zu viel Blech rundherum.

Als fortgeschrittener Anfänger teilgenommen
Indoor-Fliegen, auch Hallen- oder Saalflug genannt, steht für den Betrieb von Modellflugzeugen in geschlossenen Räumen, meistens in grösseren Hallen. Jährlich findet eine Schweizermeisterschaft statt. In verschiedenen Kategorien duellieren sich die Teilnehmenden um den Titel.
An einem Treffen für Outdoor-Gummimotor-Modelle (Gummimotor.ch) hat Andreas Koch den Organisator der Veranstaltung kennengelernt und so kam es schliesslich zur Anmeldung. Als fortgeschrittener Anfänger meldete er sich in einer einfacheren Kategorie TH35-L an. Im Wettkampf ging es darum, das Flugobjekt möglichst lange in der Luft zu halten. Um ihm den nötigen Vortrieb zu verleihen, wird ein verdrehter Gummistrang von höchstens 1 Gramm Gewicht verwendet, bei dessen Loslassen der Propeller das Flugzeug himmelwärts treibt. Unterschiedlich lange Flügel bewirken, dass das Flugzeug stets in die gleiche Richtung seine Runden dreht.

Der Traum vom Fliegen fasziniert
In der Halle selbst waren nur Pilotinnen und Piloten zugelassen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer nahmen auf den oberen Zuschauerrängen teil. Unten wurde gepröbelt und feinjustiert. Lupe, Pinzette, Stirnlampe, Leim: Jeder hatte seinen Arbeitstisch. Man half einander, obwohl man Konkurrent war, Fachsimpeln inbegriffen. In der Halle – die Heizung lief nicht, um unerwünschte Strömungen auszuschalten – herrschte beim Wettkampf eine fast andächtige Atmosphäre; der Traum vom Fliegen fasziniert Kinder ebenso wie gestandene Männer. Kurz vor dem Start zog Andreas Koch den Gummistrang auf. Es ist ein endloses Gummiband, welches die Pilotinnen und Piloten selbst zuschneiden und verknoten. Benutzen kann man einen Gummistrang für rund 20 Flüge. Danach kann er keine Energie mehr speichern. «Wie bei einem guten Wein, kennen auch die Profis der Saal-Fliegerei, welche Jahrgänge der Gummistränge am besten sind», betont Andreas Koch. Dies kann durchaus matchentscheidend sein, welcher der Flieger schlussendlich länger in der Luft schwebt.

Insgesamt 566 Sekunden in der Luft
Vorsichtig liess Andreas Koch seinen mit Motor lediglich drei Gramm schweren Modellflieger los. Jeder hatte sechs Versuche, wobei die zwei besten zur Wertung zählen. Nach und nach stieg der Flieger zur Decke hinauf. «Zu Beginn hat er am meisten Kraft und optimal wäre es, wenn er einen halben Meter unter der Decke kreist», führt Andreas Koch aus. Falls er droht, in die Balken zu steuern, konnte Andreas Koch mit einer langen Teleskop-Stange nachhelfen und den Flieger umlenken, um die Kollision zu vermeiden. Es war erlaubt, den Flieger zu korrigieren und zu bremsen, aber man durfte ihm von hinten keinen zusätzlichen Schub geben. Insgesamt dauerten die zwei längsten zusammengezählten Flüge des Fliegers von Andreas Koch 566 Sekunden – so lange, wie kein anderes Modell in seiner Kategorie. Der Huttwiler wurde so zum Schweizermeister in der Kategorie TH35-L gekürt. Die Konkurrenz sei eher klein, wie Koch selbst meint. Ein Breitensport sei es nicht. Dennoch ist er als fortgeschrittener Anfänger stolz auf seine Leistung und den Titel.

Auf der Suche nach einer Trainingsmöglichkeit in Huttwil
Die fertiggebauten Modelle würde Andreas Koch jeweils gerne steigen lassen. Doch in Huttwil fand er bislang keine Trainingsmöglichkeit. Die Mieten für die grossen Hallen sind teuer. In der reformierten Kirche sind die Kronleuchter im Weg. Draussen ist ein Training nur selten möglich. Daher musste er bislang immer nach Balsthal ausweichen. Dort stellt die Gemeinde der Modellfluggruppe die Dreifachturnhalle zehnmal jährlich zum Training zur Verfügung. Andreas Koch will sich diesbezüglich in Kürze bei der Gemeinde Huttwil melden. Bleibt zu hoffen, dass der neue Schweizermeister seine ultraleichten Flieger auch im «Blumenstädtchen» steigen lassen kann.

Von Yanick Kurth