Vom Schwinger-Virus kräftig gepackt
Selbst war er nie unter den grossen Schwingern; dennoch ist Peter Nyffenegger aus Sumiswald seit seiner Schulzeit vom «Schwinger-Virus» befallen. Seit 60 Jahren verfolgt er die Schwinger-Szene, hat mehr davon im Kopf als in den vielen Zeitungen und Büchern steht, die er gesammelt hat. Am Bernisch-Kantonalen Schwingfest 2017 in Affoltern steht er aktiv auf dem Platz – beim Auf- und Abbau und als Wächter des Gabentempels.
Sumiswald · Als kleiner Unterschüler beobachtete Peter Nyffenegger im Schulhaus
Schonegg die Oberschüler einst interessiert beim Schwingen; unter ihnen auch einen, Hans Eggimann (Auswil), der heute zu den Ehrenveteranen des BKSV gehört. Als aber einer der Buben beim nicht ungefährlichen Sport das Schlüsselbein brach, wurde das Schwingen in der Schule verboten.
Doch das Virus hatte Peter Nyffenegger gepackt; mit riesigem Interesse beobachtete er fortan alles, was damit zu tun hatte. Aktiv griff er selbst nur wenig zu; sein Vater hatte gemeint: «Wenn du 190 cm gross und 100 kg schwer bist, dann ja.»
Schwerer – und beweglicher
Aber als 19-Jähriger, als er sich für die RS stellen musste, war der angehende Rekrut gerademal 170 cm gross und gut 60 kg schwer. Allerdings: «Damals waren die Schwinger kleiner und leichter als heute», stellt Peter Nyffenegger im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» fest. Da hätten die «Leichten» gerne gegen die «Schweren» geschwungen: «Si gheie so schön u plump», habe einmal ein Aktiver gesagt. Doch die Veränderung sei markant: Am Eidgenössischen Schwingfest in Biel, 1969, waren die Schwinger durchschnittlich 182 cm gross und 96 kg schwer; in Frauenfeld, 2010, waren sie im Durchschnitt 187 cm gross und 111 kg schwer. «Heute wird natürlich anders und mehr trainiert; früher war das körperliche Training meist die Arbeit draussen auf dem Feld.» Deshalb seien die «Schweren» heute auch viel beweglicher. Wie etwa Christian Stucki (198 cm / 140 kg): «Gäge dä hei die angere schwär», strahlt Peter Nyffenegger. Buchstäblich ...
37 Mal auf dem Brünig
1959 besuchte er zum ersten Mal ein Emmentalisches Schwingfest, damals in Lützelflüh. Die Tribünen waren in jener Zeit nur klein; dazu gab es Gras-Sitzplätze; dahinter standen jeweils Brückenwagen, auf welchen sich die «Stehplätze» befanden. Für den Buben war dies ein riesiges Erlebnis. Er trat in die Fussstapfen des Vaters, «buurete» 35 Jahre lang alleine bis zur Pensionierung. Daneben lagen keine grossen Freizeitbeschäftigungen drin. Nach Möglichkeit aber besuchte er alle kleineren Schwingfeste in der Nähe, Lüderen, Hinterarni ..., ebenso die Frühjahrs-Hallenschwinget. Wenn es einzurichten war aber auch grössere Feste, vor allem den Brünig-Schwinget, «mein allerliebstes Schwingfest, das ich kaum je verpasst habe.» 37 Mal war er schon dort. Die Tribüne könne nur 6500 Zuschauer fassen. «Wegen dem Gelände ist ein Ausbau nicht möglich.» Alle Sitzplätze sind stets im Abonnement schon vornherein ausverkauft. Peter Nyffenegger erhält jeweils ein Ticket aus dem «Griesbach-Pintli», wo seit Jahrzehnten Abos im Familienbesitz sind. Die Ambiance auf dem Brünig fasziniere ihn jedesmal neu; dazu komme die regelmässige Top-Besetzung durch die besten Berner Schwinger, die Innerschweizer, nun auch durch die Ostschweizer.
Mit dem Feldstecher auf der Tribüne
Obwohl Peter Nyffenegger in seinem Bauernbetrieb, hoch über dem Griesbach, über Jahrzehnte hinweg angebunden war, ist die Statistik seiner Schwingfest-Besuche beachtlich: 1964 war er erstmals an einem «Eidgenössischen». Das erste Eidgenössische Schwing- und Älplerfest hatte 1895 in Biel stattgefunden; 44 sind bis heute ausgetragen worden. 18 davon hat Peter Nyffenegger besucht. Zudem war er sechsmal am Kilchberger, viermal am Unspunnen, an 52 «Emmentalischen» und an rund 30 «Kantonalen». Was er dabei sah, hat er in sich aufgesogen. Er kennt jeden Schwung, bemerkte jede «Unregelmässigkeit», kennt von Anfang an jedes Gesicht.
«I ha wöue wüsse, was das für Giele si.» Für die Beobachtung in den Ringen, die weiter weg waren, nahm und nimmt er stets den Feldstecher zu Hilfe. «Zumindest im Kanton Bern brauche ich keinen Speaker; ich kenne alle aktiven Schwinger.» Das Positive, das Negative von allen Festen und viele «Müsterli» hat er im Gedächtnis.
Doch «da oben» – er tippt dabei auf die Stirne – sind noch viel, viel mehr «Schwingerdaten» gespeichert. Peter Nyffenegger kann von jedem «Eidgenössischen» das Jahr, den Ort und den Schwingerkönig, von den «Kantonalen» den Sieger nennen. Entsprechend ist er mit Literatur ausgestattet, besitzt alle Schwinger-Kalender, die es ab 1965 gab, alle Jahrbücher, Lexika und natürlich die Schwingerzeitung, die er seit über 50 Jahren abonniert hat. Seit seiner Pensionierung 2011 hat er rund 130 Schwingfeste besucht, jährlich etwa 25. «Heuer werden es 30 sein», strahlt er.
Mit den Schwingfesten hat er auch die Veränderungen beobachtet und im Kopf «gespeichert». Nicht alles gefalle ihm, was sich ändere, meint er. Vieles aber mache Sinn, allein schon wegen der Sicherheit für die Aktiven. Beispielsweise, dass seit ungefähr dem Jahrtausendwechsel nur noch im Sägemehlring geschwungen werden dürfe. Früher seien die Kämpfe zuweilen zwei, drei Meter neben dem Ring entschieden worden.
Sport geblieben
Und vergleiche er mit seinem anderen einstigen Virus, dem Eishockey, sei der Schwingsport eben Sport geblieben. Jeder Verein oder Verband arbeite mit seinen Mitgliedern; Transfers gebe es keine. «Ich könnte mir das nicht vorstellen.» Für das kommende Bernisch-Kantonalen Schwingfest 2017 in Affoltern half er beim Gaben-Sammeln («es waren 75 Kunden-Besuche»), ist beim Auf- und Abbau aktiv dabei, wird während den Festtagen mithelfen, den Gabentempel zu bewachen – und blickt schon voraus bis in den Herbst. Bis Ende September sei er nur ein einziges Wochenende zuhause, sonst finde immer irgendwo ein Schwingfest statt, das er besuchen wolle.
Von Liselotte Jost-Zürcher