Von der leinenen Mitgift zur Hightech-Textilie

Innovativ, individuell, kundennah und doch ein Global Player: Die Langenthaler Création Baumann AG präsentierte sich im Schaufenster des Frühlingsanlass des Wirtschaftsverbandes Oberaargau (WVO) vor über 100 Wirtschaftsvertretern der Region in seiner kreativen wie technischen Vielfalt.

Ein Rundgang durch die Langenthaler Création Baumann AG in knapp 120 Minuten mit über 100 Wirtschafsvertretern. Kein einfaches Unterfangen angesichts der Hightech-Qualitäten und der Vielschichtigkeit des Oberaargauer Traditionsunternehmens. Doch CEO Philippe Baumann und sein Team schafften es mit exaktem Timing. Begonnen hat die Geschichte der Langenthaler Textilfirma aus heutiger Sicht dagegen eher beschaulich.
Im Zeitgeist der Pionierzeit spielten Geduld, Hinterhof und Garten eine wichtige Rolle. «1886 wurde das Unternehmen von meinem Urgrossvater Friedrich Baumann gegründet», unterstrich der heutige Geschäftsführer Philippe Baumann die Familientradition beim Rundgang. Damals wurden die Stoffe noch im Freien ausgehängt zum Ausbleichen mit der Kraft der Sonne. Und Textilien waren ein lukratives Geschäft. Leinenstoffe in allen Variationen wie Haushaltstücher oder Bettwäsche gehörten zur traditionellen Mitgift, die die Braut stets in die Ehe brachte. «Angesichts der Scheidungsraten könnte man heute davon noch besser leben», meinte Philippe Baumann mit einem Augenzwinkern.

Eigenentwicklungen
Vom lokalen «Mitgiftspezialisten» hat sich die einstige Langenthaler Leinenfabrik heute zu einer weltweit tätigen Textilfirma mit Hightech Produkten entwickelt. «Über 60 Prozent unserer Textilien setzen wir im Ausland ab.» Für ein stark exportabhängiges Unternehmen seien die gegenwärtigen Devisenkurse zwar nicht gerade förderlich. Doch die Produkte der Création Baumann finden auf praktisch allen Kontinenten ihren Absatz.
Mit ein Grund: Textilien mit Mehrfachnutzung. Und diese werden in der hauseigenen Entwicklungsabteilung in Langenthal entsprechend den wandelnden Trends und Kundenbedürfnissen stetig weiter entwickelt. Dies zeigte Philippe Baumann am Beispiel der Produktelinie «Sinfonia» auf, die vor über 40 Jahren auf den Markt gebracht wurde. Ein transparenter Stoff im Baumwolllook aus Polyestergarn, der auch heute zu den Bestsellern der Création Baumann gehört. Bald gab es ihn in einer flammenhemmenden Variante. Inzwischen gibt es den Stoff in 64 verschiedenen Farbnuancen, die zusätzlich kundenspezifisch anpassbar sind. «Farben haben einen Einfluss auf das Wohlbefinden der Menschen», betonte Philippe Baumann.

Textilien mit Mehrfachnutzen
Doch nicht nur optisch machte der Stoff eine Entwicklung durch. Mit Sinfoniacoustic wurde eine Variante mit Mehrfachnutzen lanciert. «Die Schallabsorption des neuen Akustikvorhangs ist gegenüber Sinfonia um das Sechsfache verstärkt.» Somit lassen sich durch Stoffe Ruhezonen schaffen. «Wir haben damit sehr grossen Erfolg», so Philippe Baumann. Spitäler, Altersheime, aber auch Hotels auf der ganzen Welt gehören zum Kundenkreis. In diesem Objektmarkt erziele die Création Baumann rund 50 Prozent des Umsatzes. Die andere Hälfte mache der Privatkundenmarkt aus, erklärte Philippe Baumann. Hier ist vor allem die Kundenähe ein entscheidender Vorteil: «Mit dem Kunden zusammen versuchen wir dessen genauen Bedürfnisse herauszufinden, zu denen wir dann die Lösung anbieten können.» Kurze, flexible Wege seien hier matchentscheidend.

Bis 40 Neuentwicklungen in der Pipeline
Dies hob auch Produkteentwicklerin Eliane Ernst hervor. «Wir gehen mit unseren neue Ideen zu den Kunden und entwickeln die Textilien so lange weiter, bis sie für alle Beteiligten stimmen.» Im Fokus der Entwicklungen habe man dabei «Megatrends, die an den verschiedensten Orten der Welt gleichzeitig auftauchen und die uns sicher die nächsten 20 Jahren beschäftigen werden.» So etwa die veränderten Anforderungen in der Arbeitswelt, wo Büroräume immer mobiler und flexibler gestaltet werden können müssen etwa mit Akustikpaneelen oder Verdunklungsstoffen. Gegenwärtig würden 30 bis 40 Textilprodukte bei der Création Baumann neu oder weiter entwickelt, die bisherige Textilien ablösen sollen. «Unsere Produkte bleiben in der Regel sieben Jahre im Sortiment mit Ausnahme unserer Bestseller, die natürlich nicht einfach rausgenommen werden.» Doch Neuentwicklungen nützen nicht viel, wenn der Kunde nichts davon weiss. «Die Schulung der Kundenbetreuer ist sehr wichtig. Wir haben bis zu eineinhalb Jahren an unseren neuen Babys gearbeitet, und dieses Knowhow muss weitergetragen werden», so Eliane Ernst.
Eine Demonstration, was Création Baumann unter individueller Kundenbetreuung versteht, zeigte sich den Mitgliedern des WVO deutlich in der neuen Digitaldruckabteilung. Hier werden Stoffe exakt nach den Wünschen in Spezialanfertigungen gestaltet und bedruckt.

Von Thomas Peter