Vor dem Abbruch ein Zeichen des Dankes
Beinahe 50 Jahre lang wurde im Huttwilwald ein Pflichtlager für Treib- und Brennstoffe betrieben. Da der Bund die Pflichtlagermenge reduzierte, wurden vor genau 20 Jahren im Sommer 2001 die Tankanlage abgebrochen. Zwei Jahre zuvor verwendete der «Unter-Emmentaler» die entsprechende Mitteilung der Betreiberin Carbura, das Tanklager aufzuheben, für einen Aprilscherz.
Im Juni 2001, vor 20 Jahren, frass sich ein Tyrannosaurus im Huttwilwald durch tonnenweise Stahl. Selbstverständlich kein echter Dinosaurier, sondern ein Greifer der Firma Liebherr, der damals zweitgrösste der Schweiz. Doch der Mann an den Schalthebeln nannte ihn liebevoll Tyrannosaurus, weil er dem Saurier so ähnlich sei. 13 Tanks fielen dem Greifer-Ungetüm zum Opfer.
Beinahe 50 Jahre lang wurden in dem Pflichtlager rund 48 500 Kubikmeter Heizöl und Diesel sowie 1500 Kubikmeter Schmieröle in zwölf Tanks – der dreizehnte Tank war für das Löschwasser – gelagert. Betrieben wurde das Pflichtlager von der Carbura in Zürich, eine Pflichtlagerorganisation der schweizerischen Mineralölwirtschaft. Unter ihren aktuell 57 Mitgliedern findet man bekannte Namen wie Fenaco, Agrola, Avia Osterwalder oder die Fluggesellschaft Swiss.
Grundsätzlich ist es bis heute Sache der Privatwirtschaft, die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen. Erst wenn Versorgungsengpässe durch die Wirtschaft selbst nicht mehr behoben werden können, wird die wirtschaftliche Landesversorgung (WL) aktiv. Damit die WL ihrer Pflicht im Notfall nachkommen kann, werden in der Schweiz Pflichtlager gehalten. Zum grössten Teil sind solche Pflichtlager in Tanklagern der angeschlossenen Mitgliedsfirmen der Carbura integriert. Nur zum Teil waren es – wie damals in Huttwil – selbstständige Lager der Carbura.
Pflichtlagermenge reduziert
Erbaut wurde das Pflichtlager für Treib- und Brennstoffe im Huttwilwald an der Bahnstrecke Huttwil- Ramsei zwischen den Jahren 1950 und 1952. Als der Bund die Pflichtlagermenge reduzierte und statt wie bisher für sechs Monate der Bedarf nur noch für 4,5 Monate bereitgehalten werden musste, entschied sich die Carbura, ihre eigenen Lager abzubrechen. Die 13 Tanks, in welche sich der Tyrannosaurus bereits gefressen hatte, waren jedoch nur ein Teil der ganzen Anlage. Im Herbst 2001 fielen dann auch die verschiedenen Betonbauten wie das Betriebsgebäude mit Pumpenhaus, die Entladestelle für Kesselwagen der Bahn, Füllstelle für Camions oder ein Feuerwehrmagazin den aufwendigen Abbrucharbeiten zum Opfer.
Areal als Zentrum für Rollsport?
Was mit dem Carbura-Areal zukünftig geschehen sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Anstatt dass die Carbura das Gelände wieder aufforsten würde, wurde geprüft, ob die Parzelle allenfalls umgenutzt werden könnte. Bereits 1999 hatte die Gemeinde Huttwil, als die Stilllegung des Pflichtlagers bekannt wurde, dazu aufgerufen, Ideen für eine Umnutzung einzureichen.
Von mehreren eingereichten Ideen wurde ein Projektvorschlag weiterverfolgt. Er wurde von einer Gruppe junger Skateboarder zusammen mit dem Sportzentrum Schwarzenbach eingereicht. Der Projektvorschlag sah die Errichtung eines nationalen Zentrums für Rollsport, kombiniert mit weiteren Sport- und Freizeitanlagen vor.
Über ein Jahr stand die Einwohnergemeinde Huttwil mit den Initianten in Verhandlung. Eine Einigung kam aber nicht zustande, zudem fehlte eine zuständige Trägerschaft. Der Gemeinderat hatte von Anfang an klar kommuniziert, dass das Projekt ohne jegliches finanzielles Engagement durch die öffentliche Hand realisiert werden sollte. Die Hilfe der Gemeinde beschränkte sich auf die Begleitung und Unterstützung im Planungsverfahren. Auf das Projekt eines nationalen Rollsportzentrums auf dem ehemaligen Carbura-Areal musste deshalb verzichtet werden.
Die Parzelle wurde verkauft und dient heute als Weideland. Ebenfalls wurde das ehemalige Wärterhaus durch das Bundesamt für Bauten und Logistik zum Verkauf ausgeschrieben. Die Gleisanlagen nutzte anfangs der gemeinnützigen Verein Eurovapor, heute stehen dort ausrangierte Zugwagons der Emmentalbahn.
Aprilscherz
Zwei Jahre bevor das Pflichtlager rückgebaut wurde, ergab sich für den «Unter-Emmentaler» eine ideale Gelegenheit, die Mitteilung der Carbura, dass das Tanklager aufgehoben werde, für einen Aprilscherz zu verwenden. Mit dem Titel «Vor dem Abbruch ein Zeichen des Dankes» teilte diese Zeitung seinen Leserinnen und Lesern mit, dass bis zum Sommer 1999 das im Huttwilwald gelagerte Benzin und Dieselöl abtransportiert werde.
Vor ihrem definitiven Abzug jedoch wolle sich die Carbura noch für die Gastfreundschaft bedanken und offeriere den Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden Huttwil, Dürrenroth, Wyssachen, Eriswil, Gondiswil und Rohrbach am 1. April gratis maximal 50 Liter Benzin oder Dieseltreibstoff für ein Fahrzeug oder einen Traktor. Zu diesem Zweck wurden spezielle Zapfsäulen eingerichtet, an denen jeweils zehn Fahrzeuge gleichzeitig betankt werden könnten.
Zum Nachweis des Wohnortes sei ein Ausweis mitzubringen. Um die örtlichen Tankstellen nicht zu konkurrenzieren, versprach die Carbura zehn Prozent des abgegebenen Treibstoffwertes an die Betreiber der Tankstellen zu überweisen, teilte der «Unter-Emmentaler» in seiner Ausgabe vom 1. April 1999 mit.
Wie viele Bürgerinnen und Bürger auf diesen Scherz hereingefallen sind, ist der Redaktion des «Unter-Emmentalers» leider nicht bekannt.
Serie: «Vor 20 Jahren»
Wissen Sie noch, was vor 20 Jahren geschah? An die Terroranschläge in den USA kann sich wohl noch fast jeder erinnern, als sich am 11. September 2001 zwei entführte Linienflüge in die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center bohrten. Auch das Grounding der Schweizer Fluggesellschaft Swissair am 2. Oktober ist noch den meisten in Erinnerung. Zwei einschneidende Ereignisse, welche diejenigen in unserer Region rigoros in den Schatten stellten. Deshalb nehmen wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in Form einer losen Serie mit auf eine kleine Zeitreise durch das «UE-Land» und haben grössere und kleinere Ereignisse ausgegraben, welche im Jahr 2001 eine Schlagzeile wert waren. UE
Von Marion Heiniger