Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung im Zentrum des HEV-Herbstanlasses
«Vorsorgeauftrag – wie nutze ich mein Selbstbestimmungsrecht?» Dies der Titel des öffentlichen Herbstanlasses des Hauseigentümerverbandes (HEV) Region Langenthal. Notarin und Rechtsanwältin Manuela Zimmermann lieferte interessante Fakten und verriet wertvolle Tipps.
Erstmals in seiner Funktion als neu gewählter Präsident des HEV Region Langenthal konnte Stefan Wälchli im Geschäftshaus Jurapark zu einem öffentlichen Anlass begrüssen. «Wir erwarteten 60 bis höchstens 80 Leute. Jetzt sind 160 hier», sagte Wälchli bei der Begrüssung. «Mit unserem Thema Vorsorgeauftrag haben wir wohl den Nagel auf den Kopf getroffen», so der HEV-Präsident, der jetzt die Referentin ans Rednerpult bat: Manuela Zimmermann, HEV-Vizepräsidentin und HEV-Geschäftsführerin.
Die Notarin und Rechtsanwältin stellte klar, dass sie bei ihrem Vortrag über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, kurz KESB, sprechen, diese jedoch keineswegs kritisieren werde. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist seit dem 1. Januar 2013 in Kraft. Beim Kindesschutz steht das Kindeswohl im Zentrum. Die wichtigsten Aufgaben beim Erwachsenenschutz sind Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, Vertretung bei Urteilsunfähigkeit, Aufenthalt in Wohn- und Pflegeeinrichtungen, Beistandschaft, fürsorgerische Massnahmen, private Mandatstragende und Gefährdungsmeldung. Die KESB ist regional organisiert. Sitz der KESB Oberaargau, zuständig für 46 Gemeinden: Wangen an der Aare.
«Weit über 100 000 Menschen in der Schweiz leiden an Demenz», sagte Manuela Zimmermann. Diese Zahl werde aufgrund der höheren Lebenserwartung weiter steigen. Wer dement sei, verliere die Urteilsfähigkeit. Dies wiederum könne dazu führen, dass die KESB eingreife. Die Referentin empfahl deshalb ein neues Instrument, den Vorsorgeauftrag. «In anderen Ländern gibt es diesen schon seit längerer Zeit», wusste sie.
Handlungsfähig und vorausschauend entscheiden
Im Vorsorgeauftrag kann eine handlungsfähige Person vorausschauend festlegen, wer sie vertreten soll, wenn sie – vielleicht aufgrund einer schweren Krankheit oder eines Unfalls – dazu nicht mehr in der Lage ist. Wie bei einem Testament muss der Vorsorgeauftrag eigenhändig errichtet werden – handschriftlich sowie mit Datum und Unterschrift versehen. Er kann auch öffentlich beurkundet werden. Wirksam wird er, wenn jene Person, die ihn abgeschlossen hat, urteilsunfähig geworden ist. Die KESB prüft im Falle eines vorliegenden Vorsorgeauftrages, ob dieser gültig errichtet worden ist, die betroffene Person tatsächlich urteilsunfähig geworden ist, die beauftragte Person für ihre Aufgaben geeignet ist und weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes nötig sind. Zum Inhalt des Vorsorgeauftrages gehören Personensorge, Vermögenssorge und Vertretung im Rechtsverkehr. Dabei sei es natürlich nicht sinnvoll, für die finanziellen Belange jemanden einzusetzen, der bereits mehrfach betrieben worden sei. Eine solche Person würde von der KESB sicher abgelehnt, so die Referentin. Die Aufgaben könnten auch aufgeteilt werden: Personalsorge zum Beispiel durch den Ehegatten oder Nachbarn, Vermögenssorge durch den Ehegatten oder Treuhänder und die Enkel als Vertreter bei Rechtshandlungen. Die beauftragte Person sei, so die Notarin und Rechtsanwältin, nicht zur Annahme des Auftrages verpflichtet.
Manuela Zimmermann gab das Resultat einer schweizweiten Umfrage bekannt. 23 Prozent sagten, den Vorsorgeauftrag gut zu kennen, 25 Prozent von diesem gehört zu haben und 52 Prozent diesen gar nicht zu kennen. Dass sie zur letzten Kategorie gehören, gaben bei einer Umfrage einige Besucher des Anlasses zu.
Interessante Fälle aus der Praxis
Der Vortrag der HEV-Geschäftsführerin war gespickt mit interessanten Fällen aus der Praxis. Die Referentin nannte auch das Ergebnis einer Umfrage in der Schweiz, wonach nur 12 Prozent der befragten Personen einen Vorsorgeauftrag haben. Bei den 18- bis 39-Jährigen sind es 3 Prozent, bei den 40- bis 46-Jährigen 16 Prozent und bei den 65-Jährigen und älteren 21 Prozent. Die HEV-Vizepräsidentin zählte die Details eines Vorsorgeauftrages auf: Vertragsziel, beauftragte Person, Umfang und Inhalt des Vorsorgeauftrages, Entbindung von der Schweigepflicht, Verhältnis zu Patientenverfügungen, Entschädigung, Wirksamkeitsbedingungen sowie Widerruf, Kündigung, Erlöschen.
Die HEV-Geschäftsführerin riet zur Patientenverfügung. In dieser kann eine urteilsfähige Person im Voraus schriftlich festlegen, welche medizinischen Massnahmen sie ablehnt und welchen sie zustimmt. Dies für den Fall einer eintretenden Urteilsunfähigkeit. «Von einer solchen können auch junge Personen betroffen sein – zum Beispiel nach einem Unfall», so Manuela Zimmermann. Sie empfahl, die Patientenverfügung stets bei sich zu tragen und beim Hausarzt eine Kopie zu deponieren. Laut Umfrage sind schweizweit 22 Prozent im Besitz einer Patientenverfügung. Ärzte müssen dieser bei Urteilsunfähigkeit grundsätzlich entsprechen. Auf Anfrage der Referentin bei der KESB Oberaarau betreffen dort 1180 Dossiers Erwachsene, 660 Dossiers Kinder. Schlusswort der Notarin: «Alles vorher regeln, weil es bei Urteilsunfähigkeit zu spät ist.» Vor dem Apéro – offeriert von der Clientis Bank Oberaargau – warb Stefan Wälchli für die HEV-Mitgliedschaft und gab der Hoffnung Ausdruck, bald das 2400. Mitglied begrüssen zu dürfen (aktuell 2358).
Von Hans Mathys