• 1993 gingen beide Elitesiege an die LV Huttwil. OK-Präsident Jürg Schürch zusammen mit Diamantino Silveiro dos Santos und Jana Kucerikova, die damals beide für die LVH liefen.

  • Ab 1989 befand sich das Wettkampfzentrum auf dem Huttwiler Brunnenplatz. Das Bild zeigt den Start der ältesten Mädchenkategorien 1993.

  • Der spätere 800-m-Weltmeister André Bucher (mitte) überzeugte bereits in Huttwil.

  • Bei den ersten drei Austragungen von 1986 bis 1988 erfolgte der Start auf der Bahnhofstrasse zwischen dem alten Coop und der Mobiliar Versicherung. · Bilder: Manfred Dysli/zvg

25.06.2020
Sport

Weltklasse auf Huttwils Strassen

«Abendlauf in Huttwil» – Die Laufsportszene steht wegen dem Coronavirus 2020 ziemlich still. Der Grossteil der Wettkämpfe wurde abgesagt. Zeit, um an goldene Laufsportzeiten in Huttwil zu erinnern. Von 1986 bis 1996 fand mitten im Blumenstädtchen jeden Frühling der «Abendlauf in Huttwil» statt. An dieser Veranstaltung trafen sich Hobby- und Weltklasseathleten.

 

Laufsport · «Ich erinnere mich gerne und mit Stolz an diese Zeit», sagt Jürg Schürch, Präsident der Leichtathletik-Vereinigung Huttwil. «Ich werde noch heute regelmässig auf den Huttwiler Abendlauf angesprochen.» Als OK-Präsident zeichnete er verantwortlich, dass Jahr für Jahr neben den regionalen Laufsporttreibenden absolute Weltklassesportler durch das Städtlizentrum von Huttwil rannten. «Die Liste an Sportgrössen, die am Huttwiler Abendlauf liefen, ist lang», weiss der «Tätschmeister». «Pierre Délèze, Peter Wirz, Sandra Gasser, Cornelia Bürki, die leider verstorbene Fränzi Rochat-Moser. Dazu rumänische, tschechische, russische und englische Spitzen-athletinnen und -athleten besuchten den Lauf in Huttwil», sagt Schürch. Und natürlich dunkelhäutige Weltklasse-Leute wie Patrick Sang (Sieger 1991), Andrew Eyapan (Sieger 1994) oder Christopher Chemitei (Sieger 1996). Sang gewann beispielsweise in seiner Profilaufbahn über 3000 m Steeple zwei WM- und eine Olympia-Silbermedaille. «Es war ein Genuss, zuzuschauen, wie diese Spitzenathleten um die Huttwiler Hausecken donnerten und sich packende Positionskämpfe lieferten», lacht Schürch. Der Abendlauf war aber auch ein Stelldichein aller regionaler Laufsportler. So bleibt es beispielsweise unvergessen, wie der kleingewachsene langjährige Topläufer Ueli Horisberger aus Schwarzenbach mit seinen raumgreifenden Schritten und dem grossen Willen Jahr für Jahr die Elitekategorie aufmischte. Oder Elsbeth Lüdi (zweifache Juniorinnen-Siegerin) und Annemarie Zingg-Lüthi, welche in den Eliterennen der Frauen Glanzmomente lieferten.

91 Personen an der Premiere
Premiere feierte die Veranstaltung am Dienstag, 6. Mai 1986. «Wir gründeten in diesem Jahr die Leichtathletik-Vereinigung Huttwil und wollten zur Feier eine Sportveranstaltung durchführen», informiert Jürg Schürch. Am «Abendlauf in Huttwil» gingen 1986 bloss 91 Mitmachende an den Start. «Es war allen klar, dass sich dieser Lauf erst etablieren musste», sagt Schürch. Die ersten beiden Austragungen fanden auf einer 665 m langen Rundstrecke auf der Bahnhof- und Schultheis-senstrasse mit Start und Ziel direkt vor dem Gebäude der Mobiliar statt. Nach drei Austragungen erfolgte eine Streckenänderung. «Wir wollten noch mehr Spektakel und Spannung bieten. Und vorallem noch mehr Publikum an die Strecke locken», erinnert sich Jürg Schürch. Start- und Ziel sowie das Wettkampfzentrum wurden auf den Huttwiler Brunnenplatz verlegt. Die Rundstrecke wurde um eine attraktive Schlaufe auf 950 m verlängert. «Mit der Hintergasse, dem Brunnenplatz und der Marktgasse wurde das Städtlizentrum in den Huttwiler Abendlauf integriert.»

Auf neuer Strecke erst mit Schnee
Die Mitmachenden dankten es am Mittwochabend, 26. April 1989, mit einem Grossaufmarsch. Die Premiere auf der neuen Strecke zählte bereits 400 Mitmachende. Zum Publikumshit wurde sie allerdings nicht. Wegen widrigsten Witterungsverhältnissen blieben die Leute daheim. Die Eliterennen nach 21 Uhr fanden bei dichtem Schneetreiben statt …
Dabei hätte ein künftiger Schweizer Weltsportler live verfolgt werden können. Beim Nachwuchs war ein gewisser André Bucher aus Beromünster zum dritten Mal in Serie unschlagbar. Die Konkurrenz bekam die Klasse des damals 12-jährigen unscheinbaren blonden Läufers bereits in Huttwil zu spüren. 2001 wurde der dreifache Huttwiler Sieger schliesslich Weltmeister über 800 m und sorgte für eine der Sternstunden der Schweizer Leichtathletikgeschichte. Eine Besonderheit der Laufsportveranstaltung in Huttwil war die Integration eines Rollstuhlrennens. «Dieses war für das Publikum spektakulär und für die Sportler eine willkommene Startgelegenheit», weiss Schürch. Rollstuhlsport-
Aushängeschild Heinz Frei erzielte in Huttwil drei Siege.
1990 wurde der Huttwiler Abendlauf erstmals an einem Samstag ausgetragen. Nun hatte die organisierende LV Huttwil, was sie anstrebte: Ein sportliches Huttwiler Volksfest und zugleich einer der zu dieser Zeit bestbesetzten Schweizer Strassenläufe. Selbst das Wetter spielte an diesem Maiabend mit.

LV Huttwil mit Eliteerfolgen
Nicht nur organisatorisch, sondern auch sportlich feierte die heimische LV Huttwil in dieser Zeit Erfolge. Die dazumal für den Blumenstädter Leichtathletikverein startenden tschechischen Zwillingsschwestern Alena Mocariova (Streckenrekordinhaberin, 3,75 km in 12:15 Minuten) und Jana Kucerikova gewannen die Frauen-Eliterennen von 1990 bis 1994 (je zwei Siege). Und mit dem Brasilianer Diamantino Silveiro dos Santos siegte 1993 ebenfalls ein Athlet der LV Huttwil. «Diamantino startete damals ein Jahr lang für uns», erinnert sich Schürch. «Er war während dieser Zeit im Gasthof Ochsen einquartiert. Ich weiss noch, wie sich sein damaliges Zimmer mit Trophäen füllte, die er von den verschiedensten Strassenlauf-Erfolgen mit nach Huttwil brachte.» Die Austragungen 1991 und 1992 waren erneut vom Schlechtwetter (Schnee und Regen) geprägt. «Davon haben wir uns nie aus der Ruhe bringen lassen. Wir haben darauf geachtet, dass wir den Startenden bei jeder Witte-rung bestmögliche Rennbedingungen schaffen. Dies wurde geschätzt», sagt Jürg Schürch, der die LV Huttwil nunmehr seit 34 Jahren präsidiert.

Keine Streckengarantie
Die neunte Ausgabe 1994 war die erfolgreichste. Bei herrlichem Frühlingswetter zählte der Huttwiler Abendlauf über 500 Mitmachende aus 13 Nationen sowie einige Tausend Zuschauer entlang der Strecke. Nach dem Grosserfolg zogen Wolken auf. «Wir wollten von der Huttwiler Bauverwaltung die Sicherheit, dass wir den Anlass auch weiterhin auf der Originalstrecke durchführen können», sagt Jürg Schürch, damaliger Huttwiler Gemeindepräsident. «Diese erhielten wir wegen geplanten Bauarbeiten nicht. So entschlossen wir, 1995 mit der Laufveranstaltung zu pausieren, denn eine Ausweichstrecke beispielsweise auf die Hofmattstrasse kam für uns nicht in Frage.» Die Jubiläums-Austragung fand so erst 1996 statt. Die zehnte Auflage dauerte sogar zwei Tage. Am Samstagabend waren die Erwachsenen dran, am Sonntag fanden nach dem Festakt auf dem Brunnenplatz die Nachwuchsrennen statt. Niemand ahnte damals, dass es sich um die Dernière des berühmt gewordenen Huttwiler Sportgrossanlasses handelte. «Es konnte uns weiterhin nicht garantiert werden, dass wir zukünftig auf der Originalstrecke laufen können. Für eine erfolgreiche Weiterführung war dies aber unsere Hauptbedingung. Nach langen Diskussionen entschlossen wir im Vorstand, den Abendlauf unter diesen Voraussetzungen nicht mehr auszutragen», bedauert Jürg Schürch. In zehn Austragungen hatte die LV Huttwil aber eine Huttwiler Traditions-Sportveranstaltung geschaffen, von welcher auch nach der Jahrhundertwende noch gesprochen wird.    

Von Stefan Leuenberger