• Hans Mathys blickt mit Freude und Genugtuung auf seine Zeit im Huttwiler Gemeinderat zurück. · Bild: Leroy Ryser

25.06.2020
Huttwil

Weniger Missgunst und mehr Mut ist gefragt

Sein Rücktritt als Gemeinderat von Huttwil kam diesen Frühling überraschend. Hans Mathys beendet nach siebeneinhalb Jahren im Amt seine politische Laufbahn in der Gemeinde. Im Monats-Interview mit dem «Unter-Emmentaler» sagt der 65-jährige Unternehmer, dass er das Gefühl gehabt habe, dass die Entwicklung Huttwils nicht im erforderlichen Masse stattfindet. Dennoch blickt er mit grosser Genugtuung und Freude auf seine Tätigkeit zurück, die geprägt war von grossen Projekten.

Walter Ryser im Gespräch mit Hans Mathys, Unternehmer und ehemaliger Gemeinderat von Huttwil

Hans Mathys, welches Gefühl überwiegt momentan bei Ihnen: Die Erleichterung darüber, ein Amt abgegeben zu haben (Gemeinderat Huttwil) und dadurch mehr Freiraum zu haben oder Wehmut, die spannende Entwicklung Huttwils nicht mehr an vorderster Front mitgestalten zu können?
Tatsächlich habe ich mein Amt als Gemeinderat mit einem lachenden und einem weinenden Auge abgegeben, wie man so schön sagt. Ein lachendes Auge habe ich, weil ich in der Tat über mehr Freiraum verfüge, der es mir ermöglicht, andere, neue Projekte anzugehen und auch mehr Zeit in Privates zu investieren. Natürlich war die Tätigkeit nicht immer einfach, weil Projekte in einer Gemeinde nicht gleich zu bewältigen sind wie in einem Betrieb, da auch andere Entscheidungsträger beteiligt sind. Das war stets eine Herausforderung, mit der man lernen musste, umzugehen. Ich bin deshalb nicht unglücklich, dass ich diese Prozesse hinter mir lassen konnte. Das weinende Auge blickt auf die Arbeit in der Baukommission zurück, die ich gerne verrichtet habe. Ich habe mit den Leuten gerne zusammengearbeitet, es hat mir Spass gemacht, mit ihnen etwas zu realisieren.

Ihr Rücktritt kam überraschend. Weshalb zu diesem Zeitpunkt und was waren die Gründe?
Ich habe in meinem Rücktrittsschreiben erwähnt, dass persönliche Gründe ausschlaggebend waren und diese möchte ich nicht näher erläutern.

Schön und gut, aber sie können uns doch hier mitteilen, ob diese Gründe eher im privaten oder im politischen Bereich anzusiedeln sind, in Huttwil wird über vieles gemunkelt.
Das eine hängt logischerweise mit dem anderen zusammen. Ich stellte mir diesen Frühling die Frage: Verändere ich mich oder werde ich verändert? Als mir meine Familie kürzlich sagte, ich sei nicht mehr der Gleiche wie noch vor einem Jahr, da wusste ich, dass mich die politische Arbeit verändert, also musste ich etwas ändern. Ich hatte zunehmend Mühe damit, dass im Gemeinderat je länger desto mehr nicht mehr Sachpolitik betrieben wurde, sondern Einzelinteressen im Vordergrund standen, die den politischen Alltag bestimmten und gewisse Arbeiten behinderten. Dadurch hatte ich das Gefühl, dass die Entwicklung Huttwils stagnierte und nicht mehr im erforderlichen Masse stattfand.

Sie sind 65 Jahre alt, hatten Sie nicht auch das Gefühl, «Huttwil 2030» müsste von jüngeren Kräften entwickelt und realisiert werden?
Ja, vom Alter her stimmte es für mich, das Amt abzugeben. Ich hätte im Herbst kaum für eine weitere Legislatur kandidiert. Es ist gut, wenn jemand dieses Amt übernimmt, der andere Ansichten hat und vielleicht auch etwas jünger ist.

Wenn Sie auf Ihre Tätigkeit als Gemeinderat zurückblicken, was bleibt da in Ihren Erinnerungen zurück?
Wer ein solches Amt antritt, muss als erstes lernen, mit den Gegebenheiten umzugehen, denn politische Prozesse sind oftmals langfädig und ein wenig mühsam. Es braucht Zeit, bis ein Resultat vorliegt, die Geschwindigkeit ist anders als in einem Geschäft, doch das ist Bestandteil dieser Aufgabe. Ich darf jedoch abschliessend feststellen, dass ich auf eine schöne Zeit zurückblicken darf, die ich nicht missen möchte, denn wir haben in Huttwil einiges bewegt und einen grossen Schritt vorwärts gemacht.

Bei den Arbeiten rund um die «Städtliwerkstadt» hat eine Analyse der Berner Fachhochschule ergeben, dass die Chemie zwischen Bürger und Behörden/Vewaltung spannungsgeladen ist und Teile der Bevölkerung den Behördenvertretern misstrauen. Wie haben Sie das Zusammenspiel Gemeinderat – Bürger wahrgenommen?
Ich bin oft angesprochen worden von Leuten aus der Gemeinde. Ich musste auch feststellen, dass die Hemmschwelle, Kritik zu äussern, mittlerweile sehr tief angesiedelt ist. So wurde ich mit Drohungen, unschönen E-Mails und Briefen konfrontiert. Oftmals wäre es einfacher gewesen, wenn man das persönliche Gespräch gesucht hätte. So habe ich mich einmal mit einem Bürger zu einer Aussprache getroffen, die wir an diversen Orten in Huttwil geführt haben, um die verschiedenen Sichtweisen optisch darzulegen. Dadurch fand eine gegenseitige Annäherung statt und letztendlich auch ein klärendes Gespräch. Klar, ich habe als Gemeinderat eine Meinung und eine Idee, ob diese allerdings richtig ist, lässt sich in einem Gespräch besser klären, als mit einem Droh-Mail. Doch viele Leute sind heute gar nicht mehr bereit, das Gespräch zu suchen. Dabei findet man immer eine Lösung, wenn man sich gesprächsbereit zeigt.

Dank Ihrer Ausstrahlung und Ihres Charakters vermitteln Sie Kompetenz und Seriosität – hat Ihnen das als Gemeinderat geholfen, haben Sie gespürt, dass man dem Mathys Hans eher etwas «abkauft» als anderen?
Ich habe stets versucht, den Leuten die anstehenden Probleme oder Projekte anschaulich darzulegen, das ist mir vermutlich nicht schlecht gelungen. Ich wollte nie jemandem etwas «verkaufen», das er gar nicht will. Wenn es gelingt, auf die Leute zuzugehen und eine Sachlage anschaulich zu erläutern, dann erreicht man meistens sehr viel. So gesehen habe ich stets versucht, die Bevölkerung einzubeziehen und verständlich zu argumentieren.

Ist jetzt Ihre politische Arbeit in der Gemeinde definitiv beendet oder können Sie sich vorstellen, auch künftig eine aktive Rolle im politischen Leben der Gemeinde einzunehmen?
Nein, das habe ich mir vorgenommen, nicht zu tun. Ich werde die Arbeit des Gemeinderates mit Interesse weiterverfolgen. Es gibt viele Projekte, die anstehen und es interessiert mich, was mit diesen geschieht. Gleichzeitig werde ich jedoch mit meiner Meinung zurückhaltend umgehen und mich nicht mehr in den politischen Prozess einmischen.

Die Gemeinde Huttwil befindet sich in einer delikaten Lage: Zu klein für eine Stadt, zu gross für ein Dorf. Das ist für die Entwicklung einer solchen Ortschaft anspruchsvoll – weil der Weg, wohin es gehen soll, nicht klar ersichtlich ist. Wie sind Sie als Gemeinderat mit dieser Ausgangslage umgegangen?
Das ist eine schwierige Frage (überlegt lange), mit der man sich im politischen Alltag zu wenig auseinandergesetzt hat. Rückblickend würde ich sagen, dass es manchmal wünschenswert gewesen wäre, wenn man den Mut aufgebracht hätte, einen Schritt in die nächste Dimension zu vollziehen, weil ich glaube, dass dies gewisse Dinge vereinfachen würde. Das Beispiel «Huttumacher» zielt in die richtige Richtung, aber vielleicht müsste man diese Rolle nicht einem zusätzlichen Player übertragen, sondern dem Gemeindepräsidenten, der dafür einen professionellen Status erhält.

Von aussen betrachtet macht es oftmals den Anschein, als sei der Huttwiler nicht sehr innovationsfreudig, Neuem gegenüber eher skeptisch eingestellt und generell wenig aufgeschlossen für einen modernen, zeitgemässen Strukturwandel in Wirtschaft, Gewerbe und Gesellschaft. Das muss aber nicht per se ein Nachteil sein?
Sie sprechen einen wunden Punkt in Huttwil an. Missgunst ist in unserer Gemeinde latent spürbar, das stört mich enorm. Ich plädiere seit langem dafür, mehr Offenheit und Vertrauen an den Tag zu legen und gewisse Dinge einfach anzupacken und auch mal jemanden machen zu lassen, der über gute Ideen verfügt und Initiative zeigt. Wir sollten vermehrt bereit sein, Neues zuzulassen, damit sich die Gemeinde positiv entwickeln kann.

Wie beurteilen Sie die Entwicklungsmöglichkeiten Huttwils, wo sehen Sie Chancen, wo Risiken?
Das zweifellos interessanteste Projekt, das es in Huttwil zu realisieren gäbe, wäre eine Fusion zwischen der Einwohner-, der Burger- und der Herdgemeinde. Gemeinsam könnten wir sehr viel erreichen. Schauen Sie, jährlich absolvieren die drei Institutionen je eine Zusammenkunft, die am Ende bei weitem nicht das hervorbringen, was in dieser Gemeinde möglich wäre. Ähnlich verhält es sich, was die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden bei den Themen Bauverwaltung, Wasser, Abwasser, Unterhalt und Investitionen angeht. Hier schlummert ein gewaltiges Entwicklungspotenzial. Verstehen sie mich richtig, es geht nicht um Fusionen mit Nachbargemeinden, sondern um eine vertiefte Zusammenarbeit in verschiedenen Teilbereichen. Ich bin überzeugt, dass alle Beteiligten sehr viel profitieren würden.

Welche Themen erachten Sie für Huttwil als dringend, damit sich die Gemeinde in eine positive Richtung entwickeln kann?
Es muss uns in naher Zukunft gelingen, zusätzliche Industrie- und Gewerbebetriebe anzusiedeln. Damit würde man gute Arbeitsplätze in der Gemeinde schaffen. Mit einem solchen Vorgehen findet automatisch eine gewisse Entwicklung statt, die sich positiv auf die Gemeinde auswirkt. Hier sind wir wieder am gleichen Punkt wie bei der vorangehenden Frage, denn eine solche Entwicklung müssten Einwohner-, Burger- und Herdgemeinde gemeinsam angehen und fördern. Ein Blick über die Grenzen hinaus, beispielsweise ins Entlebuch, zeigt, was man gemeinsam alles erreichen kann. In dieser Region findet eine erstaunliche Entwicklung statt. Es imponiert mir, wenn ich sehe, was in dieser Region für Projekte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen realisiert wurden. Ich stelle aber zugleich auch fest, dass dort eine ganz andere Mentalität herrscht als bei uns.

Sie selber befinden sich im Pensionsalter, führen aber nach wie vor ein Unternehmen. Werden Sie hier in absehbarer Zeit ebenfalls kürzertreten?
Ja, ich habe mein Pensum bereits etwas zurückgefahren. Geplant ist, dass ich das Geschäft in den kommenden Jahren an die nächste Generation übergeben werde, nicht zuletzt, weil ich meine Funktion als Grossvater vermehrt wahrnehmen möchte, habe ich doch schon zwei Enkelkinder und das dritte ist unterwegs. Für mich geht es in den nächsten Wochen und Monaten darum, von Tempo 150 langsam herunterzufahren. Ich stelle fest, dass dieser Prozess der schwierigste und herausforderndste ist, den ich je durchlaufen habe. Ich bin aber froh, dass ich auch hier auf die Unterstützung meiner Familie zählen kann. Ich versuche vermehrt, das Leben einfach zu geniessen, vermehrt mit den Jodlerkollegen zu singen und zu wandern.

Ihr Unternehmen ist in den Bereichen Logistik, Transport und Entsorgung tätig. Bei der künftigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung spielen diese Bereiche eine wichtige Rolle. Wie bereiten Sie Ihr Unternehmen auf die künftigen Herausforderungen vor?
Gerade die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell sich das berufliche Umfeld verändern kann. In unserem Betrieb beispielsweise gab es Bereiche, wo wir von einem Tag auf den andern mit Arbeit überhäuft wurden, während andere Bereiche komplett eingebrochen sind. Die gesamte Mobilität wie auch die Umwelt werden sich weiter verändern. Was dies für unsere Unternehmen bedeutet, lässt sich kaum abschätzen. Aber wir haben in unsere Infrastruktur investiert und sind deshalb für die Zukunft gut gerüstet. Ich bin überzeugt, dass unsere Region auch in Zukunft einen guten Dienstleister in den Bereichen Logistik, Transport und Entsorgung benötigt und wir in der Lage sein werden, diese Aufgabe zu erfüllen.

Welche Träume und Wünsche begleiten Sie im eben begonnenen Lebensabschnitt als Pensionär?
Da gibt es tatsächlich noch einen Traum, den ich mir erfüllen möchte. Es ist mein Wunsch, einmal für längere Zeit den Norden zu bereisen, Schweden, Finnland und Norwegen. Ich habe einmal für kurze Zeit in der schwedischen Stadt Södertälje gearbeitet. Diese Gegend hat mich fasziniert, sie hat etwas Gigantisches und wirkt zugleich friedlich, vermittelt ein Gefühl von Freiheit und Unbekümmertheit.