Wenn im Oberaargau die Lichter ausgehen ...
Was geschieht in unserer Region, wenn auf einmal die Lichter ausgehen, der Strom für mehrere Stunden oder gar Tage ausfällt? Mit diesem Krisenszenario befasste sich das Regionale Führungsorgan Region Langenthal in einer grossen Stabsübung. «Uns ist oft nicht bewusst, welch gravierende Auswirkungen ein Strom-Blackout für uns alle haben kann», lautet die Erkenntnis von Rolf Baer (Langenthal), Chef RFO Langenthal.
Oberaargau · Klar, sind wir uns bewusst, dass heute ohne Strom praktisch nichts mehr geht. Klar, wissen wir, dass ein Strom-Blackout für uns unangenehm wäre. Aber sind wir uns der Tragweite eines Strom-Blackouts von mehreren Stunden oder gar Tagen wirklich bewusst? Kaum, wie eine Stabsübung des Regionalen Führungsorgans Region Langenthal, die kürzlich in Madiswil durchgeführt wurde, aufzeigte.
Seit der Zusammenschaltung der Hochspannungsnetze der Schweiz, von Frankreich und Deutschland im Jahre 1958 in Laufenburg, gab es in der Schweiz keinen flächendeckenden Versorgungsausfall und kein Strom-Blackout mehr. Die bedeutendsten Ausfälle betrafen die Region Zürich an einem 24. Dezember in den 1960er-Jahren sowie die Genferseeregion 2005.
Strom stellt als praktischster und am weitesten verbreiteter Energieträger unserer Gesellschaft ein unentbehrliches Konsumgut dar. Daher können die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und menschlichen Folgen eines Blackouts extrem ausfallen.
Alle Lebensbereiche betroffen
Betroffen wären dabei sämtliche Lebensbereiche. Die Beleuchtung im öffentlichen Raum würde ausfallen, Ampeln, Heiz- und Kühlsysteme, Liftanlagen, Verkehrsampeln und sämtliche elektrischen Maschinen funktionierten nicht mehr, IT-Systeme und Kommunikationsanlagen würden lahmgelegt und auch Informationskanäle (TV, Radio, Mobilfunktelefonie, Social-Media-Kanäle) wären nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr verfügbar. Der gesamte Finanzsektor wäre blockiert, Bargeld nur noch marginal oder gar nicht mehr verfügbar, Lebensmittel in Läden nur noch in beschränkter Anzahl verfügbar und die Landwirtschaft wäre kaum noch funktionsfähig, weil Melkmaschinen und andere Gerätschaften nicht mehr einsatzfähig wären. Schätzungen gehen davon aus, dass ein flächendeckender Stromausfall in der Schweiz Kosten von zwei bis vier Milliarden Franken pro Tag verursachen würde.
Das Übungsszenario des RFO Region Langenthal ging von einem drohenden Strom-Blackout aus, der sich aufgrund diverser Stromausfälle in den letzten Tagen ankündigt. Die 16 dem RFO angeschlossenen Gemeinden haben deshalb das Führungsorgan gebeten, Massnahmen und Lösungsvorschläge für den Fall eines Blackouts zu erarbeiten. Im Mittelpunkt stehen dabei Lösungsvarianten für die Sicherstellung der öffentlichen Aufgaben, aber auch, wie mit Unterstützungsbegehren von Seiten der Gewerbebetriebe, der Landwirtschaft sowie der Bevölkerung umgegangen werden könnte. Zudem galt es, Verhaltensregeln für die Bevölkerung zu erarbeiten und mögliche Informationskanäle bei einem Blackout sicherzustellen.
RFO verfügt über viele Spezialisten
Aufgrund der Tatsache, dass in den kommenden Jahren wegen des steigenden Strombedarfs und der gleichzeitigen Abschaltung von Kernkraftwerken in weiten Teilen Europas und damit auch in der Schweiz Stromausfälle drohen, stellte die RFO-Stabsübung für Rolf Baer ein überaus realistisches Krisenszenario dar. «Es ist wichtig, dass wir uns einmal während einer Übung intensiv mit dieser Problematik befassen und uns bewusst werden, was auf uns zukommen könnte.» Gleichzeitig konnte der Langenthaler Chef RFO erleichtert zur Kenntnis nehmen, «dass wir im RFO personell gut aufgestellt sind und über die entsprechenden Spezialisten verfügen.»
Auch für Bernhard Russi, Ausbildner zivile Führungsorgane im Amt für Bevölkerungsschutz, Sport und Militär des Kantons Bern, stellte die Übung eine wertvolle Trainingseinheit für das RFO Region Langenthal dar. «Ein Strom-Blackout weist eine ungemein hohe Komplexität auf, deshalb ist es enorm wichtig, dass ein solches Krisenszenario mit einem Stab vorsorglich trainiert wird.»
Froh über die Übungseinheit war auch der Langenthaler Gemeinderat Markus Gfeller (Ressort Öffentliche Sicherheit). «Wichtig scheint mir, dass die Zusammenarbeit innerhalb des RFO einwandfrei funktioniert, denn im Ernstfall müssen sich die Mitglieder des Krisenstabes aufeinander verlassen können», betonte Gfeller, der hofft, dass ein solcher Fall nie eintreffen wird. «In einem vor Jahren erarbeiteten, regionalen Gefahrenkatalog wurde eine Pandemie als grösste Gefahr für unsere Region deklariert, aber kaum jemand hätte damals gedacht, dass wir schon kurze Zeit später davon betroffen sind und das öffentliche Leben massiv eingeschränkt wird, wie dies in den letzten zwei Jahren der Fall war», machte Gfeller klar, dass auch ein Strom-Blackout nicht unbedingt ins Reich der Phantasien gehört …
Von Walter Ryser