Wer nachhaltig sein will, muss global denken
Am Wirtschaftsanlass der Gemeinden Rohrbach, Rohrbachgraben und Auswil zum Thema «Energie und Nachhaltigkeit» sorgten die Podiumsteilnehmer Hannes Flückiger, Peter Hirschi, Lukas Meister und Martin Zaugg mit Moderator Leroy Ryser für eine engagierte Diskussion mit markigen, pointierten und auch kantigen Statements. Trotz unterschiedlichen Angehensweisen war man sich in einem Punkt einig: Um der Energiekrise und dem Klimawandel entgegenzuwirken, müssen effizientere Massnahmen getroffen und Richtlinien erlassen werden, nicht nur lokal, sondern global. Doch die Politik hinke der Entwicklung weit hinterher.
Rohrbach · «Wir reden seit 15 Jahren vom Klimawandel, aber vor allem von Seiten der Politik wird hier sehr wenig gemacht. Es fehlt ein Plan, wie wir das angehen können», brachte der Auswiler Autohändler und Garagier Hannes Flückiger die Grundstimmung der Podiumsdiskussion auf den wunden Punkt. «Die Sonne liefert uns innert zwei Stunden so viel Energie, wie wir eigentlich täglich verbrauchen, doch sind wir hier mit den Photovoltaikanlagen noch nicht so weit. Zudem müssen wir die Energie speichern können, so dass wir sie dann nutzen können, wenn wir sie brauchen.» Für ihn steht dabei Wasserstoff als Speicherlösung im Vordergrund. Die Produktion von Wasserstoff benötige zwar drei Mal so viel Energie, wie er hergebe, «aber die Sonne liefert uns das».
Was nicht verbraucht wird, muss nicht produziert werden
Peter Hirschi (Lanz-Anliker AG, Rohrbach) setzte bei einem weiteren Punkt an und erinnerte an ein Jahre zurückliegendes Gespräch mit dem Solarpionier Josef Jenni, der ihm damals erklärt hatte: «Bevor wir uns damit auseinandersetzen, wie wir Energie produzieren können, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir den Energieverbrauch verhindern können.» Was man nicht verbrauche, müsse auch nicht produziert und finanziert werden. Peter Hirschi hat die Worte des von ihm als «Solar-Guru» bezeichneten Josef Jenni denn auch in die Tat umgesetzt. So konnte zum Beispiel im eigenen Betrieb dank der Umstellung der Beleuchtung auf LED der Stromverbrauch halbiert werden. «Seit zwölf Jahren sind wir energie-neutral, inzwischen produzieren wir 100 % mehr Strom als wir verbrauchen.» Die Frage der Fragen lautet somit: «Wie werden wir am effizientesten im Energieverbrauchsverhindern? Und da ist so vieles möglich, dass die Schwarten krachen», resümierte Peter Hirschi markig. «Vielleicht machen wir nicht zu wenig, sondern einfach das Falsche. Die Politik hinkt hier der Entwicklung weit hinterher. Und die grossen Wirtschaftsbosse haben weniger Interesse an Energiefragen als an ihren ‹Boni›. Wenn jedes Unternehmen so viel gemacht hätte wie wir, dann wären wir heute deutlich weiter.» Aber es koste halt Geld, weshalb eher in Bereiche investiert werde, die weniger kosten, aber auch weniger effizient seien.
Für und wider strengere Gesetze
Lukas Meister von der clevergie ag Wyssachen wies auf das technische Entwicklungspotential hin. «Was vor 20 Jahren noch als Zukunftsvision galt, ist heute vielerorts Standard.» Und die Entwicklung werde weitergehen. «Seit den 1990er-Jahren ist der Energieverbrauch pro Kopf in der Schweiz zurückgegangen (Anmerkung der Redaktion: minus 28 %).» Laut Lukas Meister sei dieser Trend vor allem dank strengerer gesetzlicher Massnahmen möglich gewesen, ohne die kaum jemand etwas gemacht hätte.
Mit dieser Aussage konnte sich Hannes Flückiger wenig identifizieren. «Wir brauchen nicht strengere Gesetze, sondern klarere, weitgreifende Richtlinien und Vorgaben.» Er erinnerte an den Entscheid, dass in Europa ab 2030/2035 keine Verbrennerautos mehr verkauft werden dürften, aber eben nur in Europa. «Wir werden damit den weltweiten Ausstoss von CO2 gerademal um 0,9 % reduzieren. Damit wird das «Grobe» nicht angegangen und wir müssen noch vieles anderes in Angriff nehmen. Wir müssen das ganze Klima im Auge haben, nicht nur das bei uns», forderte Flückiger eine globalere, nachhaltigere Angehensweise. Diesen Ansatzpunkt griff wiederum Lukas Meister auf. «Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir unseren Nachkommen die gleichen Möglichkeiten erhalten werden, wie wir sie jetzt haben. Die Natur wird sich irgendwann einmal selber erholen, aber was ist mit uns?» Im Hinblick auf die Globalisierung griff Meister einen anderen Aspekt auf. «Jedes zweite Projekt, das wir bei clevergie realisieren, beinhalt eine Batterie als Energiespeicher. Finanziell wie von der Ökobilanz her rentiert das eigentlich nicht, aber es macht in gewisser Weise unabhängig. Doch vieles, was wir heute verwenden, stammt aus China, das schleckt keine Geiss weg. Und das wiederum behindert unsere Bestrebungen nach Unabhängigkeit.»
«Wir sind doch krank»
Damit rannte Lukas Meister offene Türen bei Peter Hirschi ein, der auf die riesigen Solaranlagen in China und den arabischen Ländern hinwies, die bis zu 100 Kilometer lang und 50 Kilometer breit seien und Strom lieferten. «Da sind wir weit davon entfernt, unabhängig zu werden.» Während in der Schweiz und Europa die Herstellung von gewissen Stoffen und Materialien verboten werde, würden die Firmen die Produktion einfach in Länder mit totalitärer Regierung verlegen. «Wir sind doch krank», nahm Peter Hirschi kein Blatt vor den Mund und fand damit breite Zustimmung bei Lukas Meister: «Wir müssen uns bewusst sein: Wenn wir solchen Regierungen Erdöl abkaufen, dann unterstützen und stärken wir sie. Wir kaufen damit nicht nur deren Waren ein, sondern auch die Flüchtlinge. Und es werden nicht nur Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, sondern auch aus Klimagründen.»
Von Thomas Peter