«West Side Story» in ungewohnter Darbietung
Mit einem eindrücklichen Auftritt spielten die acht «Clarinamicis» in Huttwil die weltberühmte «West Side Story». Weit weniger berühmt, eher eine absolute Seltenheit, ist die Fassung des Holländers Harmen van Schaik für eine Orchesterbesetzung mit acht Klarinetten. Die Geschichte dazu erzählte Samuel Lanz. Musik und Erzählung entführten das Publikum in die pulsierende Welt der 1950er-Jahre in Manhattan.
Die acht Klarinettenfreunde sind Berufsmusiker aus dem Raum Bern-Solothurn-Basel. Vor einiger Zeit stiess das Oktett auf eine vom Holländer Harmen van Schaik geradezu auf seine Besetzung zugeschnittene Fassung der West Side Story. Mit «nur» acht Klarinetten ist dieses Werk zuvor noch kaum je aufgeführt worden. Die beiden Musikerinnen und sechs Musiker verstanden es, aus ihren Instrumenten die ganze Tragik, die unglaublich dramatische, aber auch melancholische Gefühlswelt von Leonard Bernsteins Drama herauszulocken.
Das Oktett setzt sich aus Brigitte Kunz-Burkhalter (Es-Klarinette), Patrick Bader (Solo B-Klarinette), Felix Heri (1. B-Klarinette), Urs Heri (2. B-Klarinette), Jörg Burkhalter (Basset-Horn), Martin Kunz (Alt-Klarinette), Susanne Berger (Bass-Klarinette) und Martin Schranz (Kontrabass) zusammen.
Das weltberühmte Musical ist mit seiner Thematik auch in der heutigen Zeit sehr aktuell. Für Leonard Bernstein war es ein Auftragswerk; es sollte ursprünglich eine moderne Fassung von «Romeo und Julia» werden, endete aber in einem Bandenkrieg im pulsierenden Amerika der 1950er-Jahre. Das Musical hat über ein halbes Jahrhundert hinweg nie an Aktualität verloren – weder geschichtlich noch musikalisch.
Die Geschichte dreht sich um zwei sich rivalisierende ethnische Jugendbanden: Die US-amerikanischen Jets, ein Sammelsurium von allem, was man als amerikanische «Freiheitsträger» bezeichnen konnte, und die puerto-ricanischen Sharks, eine temperamentvolle Gruppe von lateinamerikanischen Einwanderern.
Unverhoffte Wendung
Die Musik von Harmen van Schaik beginnt mit der aufkeimenden Rivalität der beiden Banden. Riff, der Anführer der Jets, schlägt seiner Gang einen klärenden Kampf zwischen ihnen und den Sharks vor. Für diesen Kampf will er auch seinen Freund Tony, den früheren Anführer und Mitbegründer der Jets, gewinnen («Jetsong»). Tony, auf der Suche nach etwas Grossem, Bestehendem, lässt sich dazu überreden, mitzukommen.
An diesem Abend soll Bernardo, der Anführer der Sharks, bei einem Discobesuch mit seiner Gang zum Kampf herausgefordert werden. In der Disco («Dance At The Gym») verlieben sich Tony und Maria, Bernardos Schwester, die erst vor kurzem aus Puerto Rico angekommen ist. Tony spürt, dass Maria das ist, was er gesucht hat. Bernardo gefällt das nicht, und er schickt Maria nach Hause.
Tony folgt Maria. Sie gestehen sich auf Marias Balkon ihre gegenseitige Liebe, musikalisch dargestellt mit dem weichen «See Only me». Ahnen die beiden ihr tragisches Los?
Noch dauert die Begeisterung der Jets an. In der Huttwiler Aula folgte das lebhafte, virtuose «I Like To Be In America». Tony und Maria verabreden sich für den nächsten Tag. Hand in Hand gehen sie durch Manhattan. In einem Puppenladen «spielen» sie Hochzeit – und bemerken plötzlich traurig ihr unmögliches Vorhaben («One Heart, One Hand»).
In Doc’s Drugstore warten die Jets auf die Sharks. Dann treffen die Sharks ein, und der Kampf für den nächsten Abend wird festgelegt. Er bringt eine erste tragische Entscheidung («Tonight»). Maria gibt sich zuhause ihren Gefühlen hin («I Feel So Pretty»).
Albtraum
Auf Marias Wunsch versucht Tony, den Kampf zu verhindern. Bernardo missversteht Tonys Absicht und fordert ihn zum Kampf heraus.
Bernardo stirbt. Als Tony bei Maria auftaucht, macht sie ihm heftige Vorwürfe. Er überzeugt sie jedoch davon, dass Bernardos Tod nicht beabsichtigt war. Die beiden fallen einander in die Arme und träumen von einer besseren Zukunft («Somewhere»). In einem Hinterhalt wird Tony erschossen und stirbt in Marias Armen – der Albtraum. «Lass uns den Weg gemeinsam gehen», haucht Tony. «Nicht hier, nicht jetzt, aber bald», weiss Maria.
Die Klarinetten, meisterhaft gespielt von den «Clarinamici», waren DAS Instrument, um die unglaubliche Vielfalt an Szenen und Temperamenten musikalisch darzustellen. Mit der Erzählung von Samuel Lanz zwischen den einzelnen Stücken verlor das Publikum niemals den Faden, um was es ging. Der Applaus war der Beweis für die geniale Darstellung.
Der Anlass war viermal aufgeführt worden; Huttwil bildete am letzten Sonntagabend die Derniere.
Infos: www.clarinamici.ch
Von Liselotte Jost-Zürcher