Wie lange ist ein Huhn «trächtig»?
Bereits zum fünften Mal erhielt der Verband von Kleintiere Bern-Jura anlässlich des Ostereiermarkts in Huttwil die ganze Bühne für sich. Und es ist ihm auch dieses Jahr wieder gelungen, die Kleintiere ins beste «Scheinwerferlicht» zu rücken.
«Die Scheinwerfer mussten wir jedoch ausschalten, da es für die Hühner und Kaninchen sonst zu warm gewesen wäre», führt Sandra Lanz, 25, gleich zu Beginn aus. Dem Besucher bot sich jedoch auch bei normaler Beleuchtung eine Augenweide. In einem auf der Bühne aufgebauten Hühnerhof mit Holzhäuschen gackerten Hühner verschiedener Rassen zufrieden vor sich hin, immer gut beaufsichtigt vom Hahn. Keines hatte die Chance aus der Reihe zu tanzen oder übermütig zu werden.
Auch ein Wurf Belgische Riesenkaninchen liessen es sich wohl ergehen und knabberten hier und dort an für diesen Zweck zur Verfügung gestellten, frisch geschnittenen Zweigen.
Ein weiterer Höhepunkt war der Brutapparat, der das Publikum fasziniert das Schlüpfen der Küken verfolgen liess. Kaum auf der Welt durften die Frischankömmlinge in die Kinderstube umziehen, wo sie unter der Wärmelampe ihr noch feuchtes Flaumfederkleid komplett trocknen konnten.
Kultur und Kunst ergänzen sich ideal
«Es ist unser Ziel, dem Publikum jedes Jahr etwas anderes zu bieten», ergänzt Lanz das bunte und fröhliche Bild der sich präsentierenden Kleintiere. «Wir haben auch schon eine Voliere mit Vögeln und Tauben aufgebaut, und auch Legewachteln sind immer sehr beliebt. Wir wollen den Leuten die Kleintiere in einem anderen Umfeld näher bringen und sehen uns als ideale Ergänzung zu den Kunstschaffenden, die ihre Kunst am Ei vorstellen. Auch der Veranstalter, Pro Regio Huttwil, sieht unseren Auftritt als ideale Ergänzung ihres Marktkonzeptes. Und der krähende Hahn ist bei der Eröffnungsfeier schon gar nicht mehr wegzudenken. Die Veranstaltung geniesst einen ausgezeichneten Ruf und lockt jedes Jahr 1500 bis 2000 Besucher an».
Für Lanz und ihre Vorstandskollegen ist es wichtig, den Leuten die Kleintierzucht als Kulturgut näher zu bringen. «Viele haben keinen Bezug mehr zur Natur, und ich wurde auch schon gefragt, wie lange ein Huhn trächtig ist», schmunzelt Lanz.
Sie erhalte aber während ihres drei Tage dauernden Einsatzes auch viel Besuch von Freunden aus Kleintiervereinen. Auch solche, die sich Wis-sen aneignen wollen oder mit einer eigenen Zucht von Kleintieren liebäugeln, seien dabei. Sie kann dann meistens gleich selber mit ihrem enormen Wissensschatz Red und Antwort stehen oder Adressen von Züchtern weitergeben.
Ausgleich zum Beruf
Die Kauffrau, die sich momentan noch berufsbegleitend zur Betriebswirtin weiterbildet, verkörpert nicht nur eine erfolgreiche Kleintierzüchterin sondern auch eine engagierte Funktionärin. Nebst verschiedenen Mitgliedschaften in Vereinen und Rasseklubs ist sie nicht nur Vizepräsident von Kleintiere Bern-Jura sondern auch noch Jung- und Neuzüchterbetreuerin sowohl in der Abteilung Kaninchen wie im Zentralvorstand. Ausbildungsmässig besuchte sie den «Obfrauenkurs» der Sparte Kaninchen und auch den Lehrgang zur Tierbetreuerin FBA.
Ihr zeitintensives Hobby sieht sie als guten Ausgleich zu ihrem Beruf.
Und doch wirft ihr der Kleintierzucht gewidmetes Leben die Frage auf, woher sie die Kraft und Ausdauer zur Bewältigung von allen ihren Aufgaben nimmt. Die Antwort kommt postwendend: «Es liegt in den Genen.» Und «diese Gene» sind omnipräsent und zwar in den Personen ihrer beiden Grossmütter. Die junggebliebenen Damen haben es sich nämlich nicht entgehen lassen, ihrer Enkelin persönlich einen Besuch am Ostereiermarkt abzustatten.
Bethli Lanz, 83, aus Oeschenbach, meinte mit einem sympathischen Lachen: «In meinem Gesicht habe ich zwar viele Falten, aber im Herzen fühle ich mich noch zwanzig.» Sie ist es auch, die mit dem eigenen PW jede Woche nach Affoltern fährt und Lanz beim Misten behilflich ist. Elisabeth Aebi, 72, aus Grünen, hilft auch regelmässig mit, aber lieber im Haushalt. Eine so starke generationenübergreifende «Frauenpower» ist nicht selbstverständlich und verdient zweifelsohne grössten Respekt!
Der «Unter-Emmentaler»: Wieso sind Sie Kleintierzüchterin geworden?
Sandra Lanz, 25, Kleintierzüchterin aus Affoltern: Als ich vor 10 Jahren meinen Freund Reto kennenlernte, liess ich mich von seinem Hobby begeistern. Zwei Jahre später waren meine ersten Kleintiere Schweizer Schecken. Kaninchen, die ich im Hühnerhof meiner Eltern hielt.
Welche Kleintiere züchten Sie zur Zeit?
Legewachteln und beim Geflügel Zwergwyandotten, Marans und Sebright. Im Taubenschlag präsentierten sich Danziger Hochflieger in den Farbenschlägen Weiss, Schwarz und Schecken schwarz/weiss. Bei den Kaninchen haben es mir die Farbenzwerge Schwarzsilber und Weissgrannen sowie die Kleinsilber angetan. Vor kurzem sind auch Belgische Riesen eingezogen. Reto und ich züchten und betreuen unsere Kleintiere gemeinsam.
Gibt es sonst noch Tiere?
Ich züchte noch Norwegische Waldkatzen; in den nächsten Tagen gibt es einen Wurf Katzenbabys.
Welches sind Ihre Lieblingstiere?
Die Kaninchen haben es mir besonders angetan.
Wie reagiert Ihr persönliches Umfeld auf ihr Hobby?
Positiv. Ich erhalte viel Unterstützung von meinem Freund Reto, meine gleichgesinnten Kolleginnen und Kollegen, von den Eltern und nicht zuletzt von meinen Grossmüttern.
Wie kommt eine junge Frau als Kleintierzüchterin bei ihren Kollegen an?
Manchmal muss ich mich schon ein bisschen erklären. Aber spätestens dann, wenn ich Stadtmenschen frage, ob sie denn wissen, was sie mit ihrem soeben servierten «Chicken Nugget» auf dem Teller hätten, werde ich mit grossen Augen angeschaut.
Von Andreas Graber