• Die Eriswilerin Yolanda Geissbühler packt kräftig zu. Die 26-Jährige mag den Zweikampfsport und hat im Frauenschwingen ihre Passion gefunden. · Bild: Yanick Kurth

15.03.2021
Sport

«Wir Frauen müssen genauso hart trainieren»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Yolanda Geissbühler, Schwingerin aus Eriswil Yolanda Geissbühler aus Eriswil ist seit vielen Jahren in der Männerdomäne Schwingen aktiv. Das 26-jährige Mitglied des Schwingklubs Huttwil äusserst sich im «UE»-Interview mitunter zur Gleichberechtigung im Sägemehlsport.

Schwingen · Sie sind Teil einer speziellen Frauenausgabe des «Unter-Emmentalers».
Ich fühle mich geehrt, dass ich dafür auserkoren wurde und freue mich sehr.

Exakt 50 Jahre ist es her, dass die Frauen das Stimm- und Wahlrecht erhielten. Wie steht es Ihrer Meinung nach heute mit der Emanzipation der Frau?
Es ist schon so lange her – und trotzdem gibt es noch so viele Bereiche, wo die Gleichstellung zwischen Mann und Frau weit auseinander klafft.

Die Frauen verdienen im Job längst nicht soviel wie die Männer.
Zum Beispiel, ja. Doch in diesem Bereich hat sich seit 50 Jahren einiges verbessert. Es ist aber noch lange nicht gut, denn Frauen leisten in der Berufswelt genausoviel wie Männer.

Sie sind in einer typischen Männersportart tätig. Wie steht es im Schwingen mit der Gleichberechtigung?
Dort, wo ich regelmässig trainiere – in Huttwil und in Langenthal – ist es super. Es gibt keine Unterschiede. Ansonsten lässt die Situation noch zu wünschen übrig. Gerade die ältere Generation ist sehr kritisch eingestellt. Sie lässt sich auf keine Diskussionen ein, was das Frauenschwingen betrifft.  

Beim Gabentempel gibt es zwischen den Frauen und Männern definitiv keine Gleichberechtigung.
Bei den Männern gibt es einen Muni, bei uns erst ein einziges Mal ein Rind. Generell sind die Preise bei uns Frauen viel kleiner. Dies finde ich etwas schade, da die Frauen genauso hart trainieren müssen, um den Schwingsport gut ausüben zu können.

Früher wurden die Frauen, die im Sägemehl tätig sind, belächelt. Hat sich dies geändert?
Es gibt auch heute noch Leute, die es gar nicht gerne sehen, wenn sich Frauen im Sägemehl bekämpfen.
 
Haben Sie während dem Schwingen auch schon sexistische Sprüche erlebt.
Leider habe ich dies in meinen Anfängen bei den Mädchen erlebt. Seit ich bei den Frauen, also den Aktiven, schwinge, musste ich mir keine dummen Sprüche mehr anhören.

In der Öffentlichkeit gilt Schwingen als klarer Männersport. Viele glauben, Schwingen habe nur mit Kraft zu tun.
Das ist definitiv nicht so. Die Frauen wenden eher eine Technik mit Hebelwirkung an. Und: Das weibliche Geschlecht verfügt genauso wie die Männer über Kampfgeist und technische Fähigkeiten.

Es hat sich was getan im Frauenschwingen. Sich schwerfällig bewegende Mannsweiber gibt es praktisch nicht mehr. Die meisten Schwingerinnen sind athletisch und dynamisch.
Natürlich gibt es sowohl bei den Männern wie bei den Frauen auch heute noch einige Ausnahmen. Generell hat sich der Schwingsport in den letzten Jahren aber gewandelt. Nur wer gut durchtrainiert ist, kann an der Spitze mitmischen.

Viel zu einem besseren Bild beigetragen hat die vierfache Schwingerkönigin Sonia Kälin, die 2019 zurücktrat. Bloss 50 Kilogramm schwer, hübsch und zugleich schlau machte die Einsiedler Lehrerin ihren Gewichtsnachteil mit einer überragenden Technik, Geschwindigkeit und Ausdauer wett.
Ich habe oft gegen Sonia geschwungen. Gewinnen konnte ich nie. Ich schaffte nur ein paar Gestellte. Sie hat grossen Anteil daran, dass das Frauenschwingen in ein anderes Bild gerückt wurde. Alles bei ihr passte. Und durch ihr tolles Aussehen wurden auch die Medien auf das Frauenschwingen aufmerksam und berichteten mehr über diesen Sport. Ich kann Sonia für ihre Verdienste nicht genug Dankeschön sagen.

Ihnen gefiel das Schwingen auf Anhieb. Seit Kindesalter schwingen Sie. Wie kamen Sie dazu?
Durch meinen Vater Urs, ganz klar. Ich war in der Endphase seiner Karriere an seinen Schwingfesten dabei, habe mitgefiebert. Schwingen ist bei uns bis heute ein tägliches Thema. Im Alter von zwölf Jahren entschloss ich mich, selber zu schwingen. Bei meinem allerersten Schwingfest in der Kategorie Meitli II konnte ich gleich gewinnen. Viel verdanke ich Sara und Walter Leuenberger aus Ufhusen. Walter trainierte mich und mit seiner Tochter Sara habe ich viele tolle Trainingskämpfe bestritten.  

Haben Sie nie mit einer anderen Sportart geliebäugelt?
Ich habe vorher einiges ausprobiert, war beispielsweise in der Mädchenriege und im Volleyball. Dies hat mir aber überhaupt nicht gefallen. Beim Schwingen habe ich erkannt, dass für mich eine Kampfsportart passt.

Schwingen ist für Sie ein Hobby. Wie bringen Sie den Trainingsaufwand und Ihren 100-Prozent-Job unter einen Hut?
Ich habe vor dem Lockdown sechsmal pro Woche trainiert (zweimal Schwingen, dreimal Fitness und einmal Kondition). Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich nach der Pandemie diesen Aufwand noch bewältigen kann, zumal ich alle Trainings erst am Abend nach der Arbeit absolvieren muss.

Die Pandemie legt den Sport lahm. Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Sägemehl-Ernstkampf?
Das war Ende September 2019 beim letzten Fest der Saison in Menznau. Ich erinnere mich gut, weil ich im Schlussgang stand und schliesslich den 2. Rang belegen konnte.

Schwingen ist für die Erwachsenen nach wie vor verboten. Wie halten Sie sich fit, um parat zu sein, wenn es wieder los geht?
Ich besuche zweimal pro Woche ein Fitnesstraining im Freien, was erlaubt ist. Viel mehr passiert bei mir sportlich aktuell aber nicht, weil ich einfach ein sportliches Ziel benötige, um gezielt und hart zu trainieren.

Glauben Sie überhaupt an Frauenschwingfeste 2021?
Ich bin zuversichtlich und denke, dass ein reduzierter Betrieb, also weniger Feste als gewohnt, möglich ist.

Wie sehen Ihre Zielsetzungen aus?
Weil ich fixierte Wettkämpfe benötige, um mir Ziele zu setzen, kann ich wegen der aktuellen Situation auf diese Frage keine Antwort geben.

Anders als bei den Männern küren die Frauen jährlich eine Schwingerkönigin. Diese wird nicht nur an einem Fest ermittelt, sondern bei den sieben Kranzfesten, welche gewohnt in einem Jahr stattfinden. Dabei zählen die fünf besten Resultate für das Endergebnis. Was halten Sie von diesem Modus?
Ich finde ihn toll. Eine Zufallskönigin ist so unmöglich. Es gewinnt die effektiv beste weil konstanteste Schwingerin des Jahres. Der weibliche Zyklus beeinflusst auch die körperliche Leistungsfähigkeit beim Sport. Auch deshalb wäre eine Entscheidung an bloss einem Tag nicht fair.  

Das letzte Frauenschwingfest des Jahres wird immer «Eidgenössisches» betitelt, weil dort feststeht, wer die Jahreswertung gewinnt und Königin wird. Am Frauenschwinget in Court am Ende der Saison 2018 wurden Sie Festsiegerin, haben Ihren ersten Kranzfestsieg geschafft. Ihr bis dato grösster Erfolg?
Auf jeden Fall. Dieses Fest ist präsent – und bleibt immer in bester Erinnerung.

Bei den Männern wären Sie mit diesem Sieg Königin geworden …
Dagegen hätte ich sicher nichts. Ich halte aber an meiner Meinung fest, dass die Königswertung bei den Frauen viel besser ist.

Was ist mit dem gewonnenen Sieger-Kalb passiert?
Ich habe es meiner Tante verkauft. Mit dem Geld habe ich mir ein Sofa für meine Wohnungseinrichtung geleistet.

In der Jahreswertung 2018 haben Sie den 3. Rang belegt, nachdem Sie 2017 Vierte wurden. Ihre bislang stärkste Saison?
Ja, in diesem Jahr habe ich am konstantesten geschwungen. Es hat einfach gepasst.

2019 lief es nicht so rund.
In dieser Saison habe ich mir das Fussband angerissen. Aber auch sonst habe ich einige Feste verpasst. Immerhin passte der Saisonstart und das -ende mit je einem 2. Rang.
Ihre bislang schönste Schwinger-Gabe?
Das war am Fest in Schachen 2017, an dem ich für den 2. Rang eine tolle Kenwood-Küchenmaschine auswählen konnte.

Ihr Lieblingsfest?
Jene in Schachen und Oberarth haben mir besonders gefallen.  

Den Hallenschwinget Basel, wo Sie bereits zweimal gewonnen haben, nennen Sie nicht?
Die Hallenschwingfeste zähle ich nicht richtig dazu. Sie sind für mich eine Art Saisonvorbereitung.

Seit jeher sind Sie im Schwingklub Huttwil. Dort engagieren Sie sich als J+S-Coach.
Ich wollte dem Schwingklub Huttwil etwas zurückgeben. Allerdings konnte ich nur ein Amt annehmen, das zeitlich neben meiner Tätigkeit als Aktivschwingerin möglich ist.

Nennen Sie uns zum Abschluss Ihre Lebensziele?
Ich möchte ganz einfach gesund und glücklich bleiben.