«Wir vom Konsumentenschutz sehen uns als Anwalt für das Konsumentenrecht»
Sie ist manchem Händler oder Produzenten ein Dorn im Auge: Die Emmentalerin Sara Stalder, seit 13 Jahren Geschäftsleiterin Konsumentenschutz. Doch sie nimmt Kritik so gelassen wie Klagedrohungen oder Bestechungsversuche. «Wir sehen uns als Anwalt der Konsumenten und Konsumentinnen, die immer das schwächste Glied in der ganzen Wertschöpfungskette sind», erklärt die 54-Jährige. Der Konsumentenschutz finanziert sich zum grössten Teil durch Gönnerbeiträge und wahrt so seine Unabhängigkeit. Die Non-Profit-Organisation spürte auch die Folgen der Corona-Pandemie: «Wir wurden mit Anfragen regelrecht überflutet.» Ein jüngster Erfolg freut sie besonders: Ein wichtiger Etappensieg im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz.
Interview: Chantal Bigler im Gespräch mit Sara Stalder, Geschäftsleiterin Konsumentenschutz.
Die Themenwelt scheint grenzenlos, über die Sara Stalder, die Schweizer Konsumentinnenschützerin an vorderster Front, gegenüber dem «UE» zu sprechen weiss: Von deutlich mehr Anfragen, die es gerade zu Beginn der Pandemie zu bewältigen gab, über jene Tiefen in der Konsumentenwelt, die sie selber nach wie vor verärgern. Aber auch Erfreuliches gibt es zu erwähnen wie der Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz, der nach über zehn Jahren ein Erfolgserlebnis verbuchen darf: Schon bald wird das Geoblocking gesetzlich verboten werden, so dass Konsumenten auch auf Online-Shops «änet» der Grenze einkaufen können. Dennoch bleibt die Emmentalerin kritisch und sieht in Sachen Datenschutz und Konsumentenrechten enormen Nachholbedarf in der Schweiz. Doch, wo ist der Konsumentenschutz aktuell besonders aktiv? Der «UE» besuchte Sara Stalder im Homeoffice im Emmental und fragte nach.
UE: Seit 2008 sind Sie Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes. Was genau verstehen Sie darunter?
Sara Stalder: Wir sehen uns als Anwalt der Konsumenten und Konsumentinnen, die immer das schwächste Glied in der ganzen Wertschöpfungskette sind. Die Anbieter, die Industrie und der Handel haben immer viel mehr Wissen über ihre Produkte und sie verheimlichen natürlich Dinge, welche die Konsumenten nicht wissen sollen. Wir versuchen, hier ein Gleichgewicht herzustellen, so dass auf Augenhöhe verhandelt werden könnte. Das wäre die optimale Ausgangslage. Aber davon sind wir leider weit entfernt. Wir sorgen für Transparenz, vermitteln Informationen, so dass die Konsumenten letztlich selber entscheiden können.
Was treibt Sie persönlich an, für die Konsumentinnen und Konsumenten zu kämpfen und den Unternehmen auf die Finger zu klopfen?
Die Konsumenten sind nun einmal das schwächste Glied in dieser ganzen Kette. Sie so zu unterstützen, dass sie mehr Gewicht und Kraft erhalten, ist mir ein grosses Anliegen.
Wie setzen Sie sich für dieses Ziel ein? Was für Dienstleistungen bietet der Konsumentenschutz an?
Wir vom Konsumentenschutz beobachten laufend den Markt. Dabei lassen wir die Informationen einfliessen, die wir durch unsere Beratungen, aber auch durch die Medien erhalten. Wenn wir feststellen, dass etwas nicht rund läuft, intervenieren wir teilweise direkt bei den Anbietern. Erkennen wir ein grösseres Problem, werden wir politisch aktiv. So machten wir das beispielsweise wegen der Hochpreisinsel Schweiz. Jetzt, nach über zehn Jahren Arbeit, hatten wir Erfolg. Das Parlament verschärfte kürzlich das Kartellgesetz und zukünftig kann auch gegen das Geoblocking vorgegangen werden. Das sind oft sehr lange Prozesse, Gesetzesanpassungen sind somit der eher seltene Fall. Bei kleineren Problemen ist es einfacher und effizienter, wenn wir mit den Anbietern direkt verhandeln. Zudem versuchen wir, die Konsumenten soweit mit Informationen oder Aufklärungsarbeit zu unterstützen, dass sie selber in der Lage sind, für ihre Anliegen einzustehen.
Ihre Dienstleistungen bieten Sie auch via Webseite an?
Ja genau. Wir haben einen Online-Ratgeber, in welchem es viel nachzulesen gibt. Wir kennen die Maschen und Fallen und versuchen aufzuzeigen, wie man sich dagegen wehren kann, zum Beispiel auch mit Musterbriefen.
Was sind so typische Maschen?
Beispielsweise beim Kleingedruckten hat es immer wieder versteckte Klauseln, durch die man plötzlich in einem Vertrag hängen bleibt, obschon man das eigentlich gar nicht möchte, sogenannte Knebelverträge. Ein grosses Thema sind auch Inkasso-Anbieter, die einfach noch zusätzlich Gebühren dazurechnen, die aber gar nicht geschuldet sind. Ja, oder dann gibt es Aktionen, die gar keine Aktionen sind. Oder Garantieversprechungen, die im Garantiefall nichts gelten. Es ist sehr vielfältig.
Oder da gibt es auch Wettbewerbe, die keine sind ...
Solche Wettbewerbe sind Datenkraken. Oder es wird einem vorgegaukelt, man habe bei einem Wettbewerb mitgemacht und dabei dieses und jenes bestellt, in Wirklichkeit hat man gar nie daran teilgenommen.
Und am nächsten Tag folgt dann eine E-Mail oder ein Anruf ...
Oder vielleicht nicht am nächsten Tag, sondern erst Wochen später. Dann will einem glaubhaft gemacht werden, man habe irgendwo eine Einwilligung gegeben. Vielfach stimmt das schlichtweg nicht, aber man erinnert sich ja nicht immer an das, was man angekreuzt oder angegeben hat. Wie sollte man das beweisen können?
Wie bewältigen Sie eigentlich die ganzen Anfragen? Hat die Mitarbeiteranzahl seit 2008 zugenommen?
Mein Team ist unterdessen doppelt so gross. Aber wir sind mit unserem vierzehnköpfigen Team bei rund zehn Vollzeitstellen für unser Arbeitsvolumen immer noch viel zu klein. Wir finanzieren uns grösstenteils mit Kleinstbeträgen von Konsumenten und Konsumentinnen. Da wächst eine Organisation nun mal nicht so schnell, wie wenn sie von irgendwo grosse Unterstützungsbeiträge bekommt. Doch wir wollen uns nicht von Industrie und Politik finanzieren lassen.
Und mit diesen Kleinstbeiträgen kann die Organisation die ganzen Dienstleistungen finanziell abdecken?
Zum grössten Teil finanzieren wir uns über die Gönnerbeiträge (60 Franken), einige Personen spenden noch etwas darüber hinaus. Als zusätzliches Standbein verkaufen wir Produkte. Dazu zählen hauptsächlich unsere Ratgeber sowie nützliche Produkte wie Stoppwerbekleber oder Datenschutzartikel wie die Schieber, die man über die PC-Kamera befestigen kann. Zudem erhalten wir Bundessubventionen, aber nur für einen sehr klar geregelten Bereich. Dafür müssen wir jährlich ein Gesuch eingeben, das geprüft wird. Über die Subventionsbeträge können wir nicht einfach frei verfügen. Diese machen aber weniger als 15 Prozent unseres Budgets aus.
Was hat sich in den letzten 13 Jahren, in denen Sie tätig sind, verändert? Was sehen Sie dabei als positiv, was als negativ an?
Positiv ist, dass unsere Organisation wachsen konnte. Wir sind deutlich grösser geworden. Auch unser Budget konnten wir verdoppeln. Dann ist die Themenvielfalt, die sich verändert hat: Die Arbeit ist noch vielfältiger geworden. Was aus meiner Sicht negative Auswirkungen haben kann, ist die Digitalisierung. Diese hat sozusagen schleichend in jedem Lebensbereich Einzug gehalten.
Dabei ist völlig unklar, was das für alltägliche Auswirkungen haben wird bezüglich Daten- und Persönlichkeitsschutz, bezüglich Transparenz, aber vor allem bezüglich dem Schaffen von Ungleichheiten. Hat man zum Beispiel viele Daten über eine Person, so kann eine Versicherungspolice inhaltlich und preislich angepasst werden, zugunsten des Versicherungsunternehmens.
Dann sind Sie wahrscheinlich froh darüber, dass die Einführung einer elektronischen Identität an der Urne deutlich abgelehnt wurde?
Nein. Wir hatten Stimmfreigabe gegeben, weil in der Vorlage der wichtige Passus enthalten war, dass die E-ID nicht obligatorisch gewesen wäre. Wer also nicht gewollt hätte, dass Daten weitergegeben werden, ob vom Staat oder einem privaten Anbieter, der hätte die Möglichkeit gehabt, ganz auf eine E-ID zu verzichten. Ich bin nicht so sicher, ob dieser Passus, der mir sehr wichtig ist, auch im nächsten Gesetzestext drin sein wird. Ich weiss nicht, wie glücklich die Leute sind, wenn der Bund alle Daten hortet, man dafür aber nicht wählen kann, ob man eine E-ID will oder nicht.
Ist die Schweiz bezüglich Konsumentenrechten ein Entwicklungsland? Wenn ja, warum?
Ja, das ist sie deutlich. Das sehen wir ganz klar, wenn wir mit unseren Nachbarländern vergleichen. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, alle Marktakteure, also auch die Konsumentin und den Konsumenten auf gleiche Augenhöhe zu stellen. Das ist bei uns leider überhaupt nicht der Fall. Dieser Paradigmenwechsel, dass man die Konsumenten als den wichtigsten Akteur in der ganzen Wirtschaft ansieht, ist in der Schweiz absolut noch nicht angekommen. Dafür kämpfen wir nun schon seit vielen, vielen Jahren. Die EU verstärkt die Konsumentenrechte parallel mit den Marktöffnungsschritten. Bei uns hingegen wird nur der Markt liberalisiert, die Konsumentenrechte hinken aber sehr stark nach.
Als Organisation, die Missstände aufdeckt, haben Sie wohl nicht nur Freunde. Gab es schon Versuche, bei denen Sie bestochen wurden?
Wir haben schon verschiedentlich unschöne Situationen erlebt, bei denen die Anbieter sehr massiv reagiert haben. Es gab auch Klageandrohungen, und der Gerichtsweg wurde eingeschlagen. Versuche, uns mit Geld zum Schweigen zu bringen, laufen bei uns natürlich immer ins Leere.
Und wie ist das für Sie persönlich, wenn Sie irgendwo einkaufen gehen, getrauen Sie sich, noch selber einzukaufen oder fühlen Sie sich ständig beobachtet, weil man ja weiss, wer Sie sind?
Aus Zeitgründen kaufe ich in der Region ein. In der Regel besorgt mein Mann alle Einkäufe (lacht). Wenn ich unterwegs bin, dann merke ich ab und zu, dass ein bisschen geschaut wird. Die Bevölkerung der Schweiz ist jedoch diskret. Ich kann daher sehr gut damit leben und finde es zudem erfreulich, wie die meisten Leute reagieren. Wenn ich angesprochen werde, dann erhalte ich meistens ein Dankeschön für unsere Arbeit. Vereinzelt hat mich jemand angepöbelt, das ist zum Glück selten.
Wurden Sie während der Corona-Krise mit mehr Anfragen überhäuft?
Es gab plötzlich sehr viele Alltagsbereiche, die betroffen waren, wir wurden mit Anfragen regelrecht überflutet. Die Fragen drehten sich um Veranstaltungen, die abgesagt oder nicht mehr durchgeführt wurden. Oder um Abonnements wie zum Beispiel für Fitnessstudios oder Zeitschriften, die man für eine längere Zeit abgeschlossen hat. Die Fitnessstudios blieben zu, die Zeitungen wurden plötzlich recht dünn. Auch wegen des öffentlichen Verkehrs gab es Beanstandungen. Man hat zwar ein Abonnement, kann es aber nicht mehr voll nutzen. Es gab enorm viele Anfragen zu Reisen, die abgesagt wurden, Events, Weiterbildungen und so weiter ...
Und diese Arbeit bewältigten Sie alles in Ihrem kleinen Team ...
Tatsächlich leisteten wir einen Rieseneffort. Wir hatten in den ersten Monaten derart viel zu tun, dass wir Mitarbeitende aus einem anderen Bereich kurzfristig zur Unterstützung «umgeschult» haben. Über zu wenig Arbeit konnten wir nicht klagen. Wir haben auch einige Wochen lang die Beratung gratis angeboten. Diese ist sonst bei uns kostenpflichtig. Wir reagierten, weil es so viele Fragen gab, und die Leute nicht mehr wussten, wohin sie sich wenden konnten.
Wie sieht es jetzt mit Anfragen aus?
Die Menge hat ein wenig abgenommen. Wir haben sehr viel aufarbeiten können und vieles auf unserer gut besuchten Webseite veröffentlicht. Die Leute suchen diese Hilfe, denn sie wissen, dass bei uns neutral informiert wird. Wir haben keine gewinnorientierten Eigeninteressen, sind weder für noch gegen etwas, sondern wir beschreiben die Dinge neutral.
Haben sich die Konsumenten während der Pandemie bewusster verhalten?
Was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass die Leute absolut bereit sind, etwas unförmige oder übergrosse Gemüse und Früchte zu kaufen.
Zum Beispiel solche wie «Ünique» von Coop?
Das ist eher eine PR-Aktion. Die Situation rund um übergrosse Kohlköpfe und Kartoffeln hat sich zugespitzt, weil die Restaurant diese sonst abnehmen. Doch die sind bekanntermassen geschlossen und so kamen diese Produkte plötzlich in den Detailhandel. Das ist etwas, das wir schon immer gefordert haben: Es sollen nicht nur normierte Lebensmittel ins Verkaufsregal kommen. Die Aktion fand riesigen Absatz. Das ist ein wichtiger Erkenntnispunkt, besonders für den Detailhandel: Die Leute bestehen nicht auf normierter Ware.
Wir wissen zudem, dass Hofläden und kleinere Händler in der Coronazeit profitiert haben. Teilweise mussten sie zwar schliessen, aber gerade bei den Lebensmittelanbietern hat sich auch die Kundschaft auf regionale Produkte zurückbesonnen.
Haben sich Abzocke und Täuschung in der Pandemie gehäuft? Wurden mehr Leute abgezockt und gab es mehr Falschdeklarationen?
Ja, das war natürlich am Anfang sehr stark der Fall, vor allem bei Masken und Infektionsprodukten. Das Internet wurde richtiggehend überschwemmt damit. Da konnten wir beobachten, dass man in der EU sofort reagiert und Seiten abgestellt hat. Es ist zwar unmöglich, das Internet zu kontrollieren, aber man hat in den Nachbarländern eine Stelle, die sich um solche Missstände kümmert. Bei uns in der Schweiz haben wir gegen Windmühlen gekämpft. Wir hatten verschiedene Stellen aufgefordert, dringend die luschen Angebote im Internet zu stoppen, bei welchen auch falsche Heilsversprechungen gemacht, Medikamente und alles mögliche angeboten wurden. Sehr viele wollten mit der Krise das grosse Geld machen. Was alles angeboten wurde, war abstrus.
Wir konnten Falschdeklarationen natürlich nicht mehr eruieren. Hier hätten wir uns eine Stelle gewünscht, die Internetkriminalität umgehend aufdeckt oder eben auch Seiten stilllegt.
Ist das etwas, was Sie am meisten verärgert, weil Sie sehen, dass man in der Schweiz mehr tun könnte?
Das treibt uns sehr stark an, weil wir sehen, dass in der Politik eine grosse Zurückhaltung vorherrscht, da die Wirtschaftsfreiheit vielfach über alles gestellt wird. Geht es andererseits um Wirtschaftsfreiheiten zu Gunsten der Konsumenten, werden diese teilweise wieder stark eingeschränkt.
Ein immenses Ärgernis ist dabei die Hochpreisthematik, dieser ungerechtfertigte «Zuschlag Schweiz». Nur weil wir in der Schweiz einkaufen, zahlen wir abstrus hohe Preise für identische Importprodukte, die im Ausland viel günstiger sind. Das ist nicht nur für die Konsumenten sondern auch für das Gewerbe so. Schweizer Hersteller müssen Zulieferprodukte überteuert einkaufen, während Konkurrenten in Deutschland, Österreich oder Frankreich das identische Produkt viel günstiger beziehen können. Nach über zehn Jahren konnte endlich das Kartellgesetz verschärft werden. Wenn es in Kraft tritt und Wirkung zeigt, dann sollte wirklich niemand mehr nur wegen dem Preisunterschied im Ausland einkaufen müssen. Betroffen sind nicht die Lebensmittel, es geht um industriell produzierte Produkte wie Kleider, Hygieneprodukte oder Haushaltgeräte.
Gilt dieses Gesetzt auch online?
Ja, wir haben auch einen Passus eingebracht, der das Geoblocking verbietet. Bis jetzt war es so: Hat man zum Beispiel auf einer deutschen Internetseite wunderbar günstige Preise gefunden und wollte bestellen, wurde man überraschenderweise auf die Schweizer Seite umgeleitet, wo man dann den überhöhten Schweizer Preis zahlen sollte. Oder es konnte gar keine Bestellung ausgeführt werden, auch das ist Geoblocking.
Eine ziemliche Überraschung ...
Es ist ja genau das gleiche Produkt, vielfach produziert in einem Billiglohnland und es hat daher nichts zu tun mit den Löhnen in der Schweiz oder mit höheren Mieten. Überhaupt nicht. Das ist reine Abzockerei. Ein grosses Ärgernis, aber ich hoffe jetzt, dass wir das endlich besiegen konnten. Ja, und dann gibt es noch die Datenschutzregelung, die in der Schweiz deutlich lascher ist als in Europa. Das wird das nächste grosse Thema sein.
Stichwort Datenschutz. Was ist Ihre Haltung gegenüber dem aktuellen WhatsApp-Krieg? Ist ein Wechsel zu einem anderen Anbieter nötig?
Dazu haben wir natürlich einen
Online-Ratgeber. Wir empfehlen den Leuten schon länger, dass es Alternativen gibt und sie sich dort schlau machen und allenfalls den Anbieter wechseln sollen. Persönlich bin ich schon seit vielen Jahren nicht mehr bei WhatsApp.
Dann nutzen Sie einen Schweizer Anbieter?
Unter anderem. Ich habe verschiedene. Ich finde es gar nicht so schlecht, wenn man verschiedene Messenger-Dienste nutzt, auch wenn es das Leben etwas schwieriger macht (schmunzelt).
Was ist eines der nächsten Ziele, welches Sie anstreben?
In der Schweiz gibt es noch keine Gruppenklage, also die Möglichkeit, dass mehrere Geschädigte gemeinsam eine Klage einreichen können. In Europa wird sie sukzessive eingeführt, das heisst die Länder müssen ein Instrument für Gruppenklagen anbieten. Wenn beispielsweise Medizinal-Produkte wie Hüftgelenke Schäden verursachen oder Automobilhersteller betrügen, muss in der Schweiz heute jeder Einzelne selber klagen, um zu Schadenersatz zu kommen. Das ist oftmals unmöglich, weil es viel zu teuer wird. Wenn gemeinsam eine Klage eingereicht werden kann, dann wäre das natürlich auch für die Gerichte der effizienteste Weg.
Woran arbeiten Sie sonst aktuell?
Unsere Projekte befinden sich auf verschiedenen Flughöhen. Neben dem vielschichtigen Datenschutz und der Gruppenklage ist es uns ein ganz wichtiges Anliegen, dass man möglichst nachhaltig unterwegs sein kann. 2014 haben wir unser erstes Repair- Café in Bern gegründet, und dies hat unterdessen eine eindrückliche Nachahmer-Welle ausgelöst. Heute gibt es über 150 Repair-Cafés in der ganzen Schweiz. In Bern gründeten wir die Leihbar, bei der man Produkte ausleihen, also teilen und miteinander nutzen kann, statt alles selber neu zu kaufen. Das entspricht unserem Gedankengut: Denken in Kreisläufen.
Die Nachhaltigkeit zu fördern liegt somit auch in Ihrem Hauptfokus?
Die Industrie hat in der Regel kein Interesse daran, die sogenannte Kreislaufwirtschaft zu betreiben. Wir versuchen, das im Kleinen mal anzukicken. So erleben die Konsumenten, wie sie sich auch gegenseitig helfen können.
Ende März war ein Schuhvergleich bei Ihnen online, damit decken Sie auch Ungleichheiten auf dem Markt zwischen Mann und Frau auf.
Das ist eher ein kleines Projekt.
Aber auch die kleinen Themen fangen manchmal gross an ...
Ja genau, darum haben wir ganz verschiedene Bereiche von klein bis gross, die wir abdecken. Ende März machten wir unsere Klage gegen die Ticket-Zweitmarktplattform Viagogo bekannt. Wir hatten Tickets von Events gekauft, die schon abgesagt worden waren. Viagogo hat diese Tickets aber immer noch verkauft.
Das international tätige Unternehmen ist aus unser Sicht betrügerisch unterwegs, weil es etwas verkauft, das nicht existiert. Wir haben das Geld zurückgefordert. Wir sind gespannt, was weiter passiert.
Internetschutz ist ein grosses Thema, können Sie uns noch ein paar Tipps mit auf den Weg geben?
Wenn man bei einem unbekannten Onlineshop zum ersten Mal etwas Teures kaufen will, sollte man zuerst einen Testkauf mit etwas Kleinem machen. Zweitens soll man nie, wirklich nie in Vorauskasse zahlen, sondern, wenn möglich, auf Rechnung oder per Kreditkarte, denn da kann man die Überweisung gegebenenfalls stoppen. Man muss sich immer bewusst sein: Ein professionell aussehender Onlineshop ist in einem halben Tag erstellt, dahinter muss jedoch überhaupt nichts stecken. Es wird mit betrügerisch billigen Angeboten gelockt. Wer darauf reinfällt und bezahlt, wird das Geld nie mehr sehen und kann dagegen überhaupt nichts mehr machen. Das sind weltweit tätige Betrugsbanden, die möglichst vielen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen wollen.
Gut zu wissen
In Repair-Cafés können defekten Dinge gemeinsam mit Reparaturprofis repariert werden. Die kostenlosen Reparaturveranstaltungen bieten die Möglichkeit, etwas gegen den Ressourcenverschleiss, geplante Obsoleszenz und die wachsenden Abfallberge zu unternehmen. Mehr Infos unter: www.repair-cafe.ch.
In der Leihbar in Bern wird wie der Name schon sagt, ausgeliehen. Dieses untereinander Teilen von Gegenständen ist ganz nach dem Motto: «weniger ist mehr» aufgebaut. Mehr Infos unter: www.leihbar.ch.