«Wir wollen das Publikum überraschen»
Andrea Zogg ist leidenschaftlicher Schauspieler und Regisseur der Oper «Carmen», welche im Juni und Juli in Langenthal zur Aufführung kommt. Sie ist bereits seine siebte Opern-Inszenierung.
Sie leben zurzeit in Roggwil, womit sich lange Reisen aus Valzeina, Ihrem Wohnort im Kanton Graubünden, in den Oberaargau vermeiden lassen. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Ich wohne bis zur «Carmen»-Premiere am 22. Juni in einem wunderschönen Airbnb am Dorfrand von Roggwil. Mein Tagesablauf ist dominiert von den Proben. Wir proben in «3-Stunden-Blöcken». Die «freie» Zeit verbringe ich mit Besprechungen mit den verschiedenen Departements – respektive ihren Vorstehern und Vorsteherinnen. Das sind, um nur einige zu nennen, Kostümbildnerin Brigitte Wolf, Requisiteurin Heidi Schneider oder Res Ryf, der für die Sicherheit zuständig ist.
Welches ist für Sie die grosse Faszination als Schauspieler – etwa als Fahrer von Christian Kohlund alias Thomas Borchert im TV beim «Zürich-Krimi» – und als Opern-Regisseur?
Das Schöne an der Schauspielerei ist, dass ich in verschiedene Identitäten/Rollen schlüpfen kann – als König, Mörder, Bettler oder konkret gesagt als der gute Pfarrer im «Schellen-Ursli» oder dem wahnsinnigen Senn Erwin aus «Sennetuntschi». Ich hatte das Glück, viele verschiedene Rollen spielen zu dürfen und nicht einfach auf die Guten oder die Bösen festgelegt zu werden. Die Oper ist ein neues Genre, das ich vor ein paar Jahren kennenlernen durfte. Dafür bin ich dankbar. An der Oper fasziniert die Direktheit der Musik. Sie geht ins Herz und braucht keine intellektuelle Auseinandersetzung – wie zum Beispiel das Wort.
Die Proben in Langenthal zu «Carmen» begannen Mitte Mai 2022. Wie laufen diese – welches sind die Schwierigkeiten?
Die Proben für «Carmen» laufen im Plan. Dazu gehört, dass immer wieder Probleme auftauchen, die gelöst werden müssen.
Nicht alles funktioniert in der Realität so, wie ich mir das zu Hause ausgedacht habe. Das ist normal und gehört zu diesem Prozess, zu dieser Reise, auf die wir uns begeben. So hoffen wir, an der Premiere die Früchte dieser Arbeit ernten zu können. Alle Beteiligten ziehen an einem Strang – Profis wie Laien – und es herrscht eine gute Stimmung.
«Der Wildschütz» war 2018 Ihre erste Inszenierung für die Gartenoper Langenthal. Welches waren Ihre Erfahrungen?
Die ersten Opern waren meine Lehr- und Wanderjahre. So ein neues Genre will gelernt sein. «Carmen» ist jetzt schon meine siebte Opern-Inszenierung. Da geht mittlerweile vieles leichter von der Hand.
«Der Wildschütz» spielt 1803 in Süddeutschland. Sie haben das Ganze in die Gegenwart verlegt. «Carmen» spielt um 1820 in Spanien – und Sie verlegen das Geschehen in die späten 1960er-Jahre, die Hippiezeit. Weshalb?
Die Inszenierung muss den Kern einer Oper treffen, also für die Menschen von heute verständlich sein – unter Umständen verständlicher, als wenn wir die Oper in der Zeit belassen, in der sie komponiert wurde. Deshalb spielt unsere «Carmen» in den späten 1960er-Jahren – einer Zeit, die das ältere Publikum noch aus eigener Erfahrung kennt. Mehr soll im Voraus nicht verraten werden, denn wir wollen das Publikum an der Aufführung überraschen. Gesungen wird im französischen Original. Deutsch sind die Dialoge.
Haben Sie vom OK für die Gartenoper «Carmen» freie Hand?
Dreh- und Angelpunkt der Gartenoper ist «Generalintendant» Beat Wälchli, der im Zweifelsfall für alles zuständig ist. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Er ist die gute Seele, der Troubleshooter und der Erste und Letzte auf dem Platz. Ihm gebührt der ganz grosse Dank für die geleistete Arbeit.
Sie sind Regisseur, Bruno Leuschner musikalischer Leiter, Ewald Lucas Chorleiter. Kommt man sich da nicht in die Quere?
Die Kompetenzen sind klar geregelt. Der Dirigent ist der musikalische Leiter, der Chorleiter ist für den Chor zuständig, der Regisseur arrangiert das Ganze auf der Bühne. Jeder agiert in jenem Bereich, in dem er sich am besten auskennt. Wenn das gegenseitig respektiert wird, gibt es keine Probleme.
Bei schönem Wetter wird im Rosengarten der Alten Mühle gespielt, bei schlechtem Wetter im Stadttheater. Wie stellen Sie sich dieser Herausforderung?
Beide Spielstätten haben ihre Vorteile. Im Rosengarten ist es die Ambiance, das Zwitschern der Vögel, das langsame Eindunkeln, die Reise in die Nacht. Im Stadttheater fehlt diese Ambiance. Dafür ist die musikalische Qualität der Aufführung höher, weil die Ablenkung fehlt und die Akustik besser ist.
Was darf das Publikum von der «Carmen»-Inszenierung erwarten?
Das Publikum macht eine Inszenierung erst fertig, ist sozusagen der Prüfstein für die geleistete Arbeit. Wir sind gespannt und freuen uns auf die Reaktionen der Zuschauer. Nicht umsonst heisst es ja: Der Applaus ist das Brot der Künstler.
Hans Mathys im Gespräch mit Andrea Zogg, Regisseur der Oper «Carmen».