• Regierungsrat Christoph Ammann. · Bild: Hans Mathys

  • Kathrin Spillmann, Boutique Hotel Auberge. · Bild: Hans Mathys

  • Drogist Philipp Meyer. · Bild: Hans Mathys

29.10.2021
Langenthal

Wirtschaftslunch beleuchtet Covid-Krise

Am Wirtschaftslunch der Stadt Langenthal ist Corona das Thema. Regierungsrat Christoph Ammann informiert über die Arbeit der Kantons- und Bundesbehörden in der Covid-Krise. Direktorin Kathrin Spillmann (Boutique Hotel Auberge) und Drogist Philipp Meyer (Dropa) berichten über die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Betriebe.

Langenthal · Am Wirtschaftslunch der Stadt Langenthal kann Stadtpräsident Reto Müller 175 Gäste begrüssen – vorab den Hauptreferenten Christoph Ammann (SP). Er komme gerne nach Langenthal, sagte der Regierungsrat. «Hier ist die industrielle Geschichte spür- und sichtbar. Zudem gibt es hier starke und innovative Betriebe.»

Kennzahlen stimmen optimistisch
«Besser als befürchtet», bezeichnet Ammann die aktuelle wirtschaftliche Situation, aber in diesen Zeiten von Corona sei «die Unsicherheit in vielen Bereichen des Lebens spürbar. Sie betrifft die Wirtschaft stark.» Diese halte sich aktuell gut, die wichtigen Kennzahlen stimmten optimistisch, und man könne von einer Phase der Erholung sprechen. «Die Arbeitslosigkeit im Kanton Bern ist im September um 0,2 auf 2 Prozent gesunken. National liegt sie bei 2,6 Prozent. Auch die Zahl der Konkurse ist gegenüber 2019 nicht gestiegen – zumindest nicht in einem beunruhigenden Mass.» Während des ersten Lockdowns seien Kurzarbeit, Covid-Kredite, Erwerbsentschädigungen für Selbst­ständige und Standortförderung die Instrumente gewesen – im zweiten Lockdown zudem die Härtefallunterstützung.

Zwei Milliarden Franken bezahlt
«Seit Beginn der Pandemie bis heute hat die Arbeitslosenkasse im Kanton rund zwei Milliarden Franken Kurzarbeitsentschädigung und Arbeitslosenentschädigung ausbezahlt. Hinzu kommen bis Ende September 2021 rund 430 Millionen Franken Härtefallunterstützung, die der Kanton zugesichert hat. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg hat der Staat so massig eingegriffen, um die Wirtschaft zu stützen.» Christoph Ammann: «Nachdem der Bundesrat am 16. März 2020 die Notlage ausgerufen hatte, suchte der Regierungsrat fieberhaft nach Lösungen für dringliche Fragen: Wie stellen wir die Gesundheitsversorgung sicher? Wie sichern wir die Liquidität der Unternehmen? Wie bewältigen wir die Flut von Gesuchen für Kurzarbeitsentschädigungen so rasch wie nötig? Wer kann mit welchen Schutzkonzepten weiterarbeiten?» Die Betriebe seien vor riesigen Herausforderungen gestanden. «Beim Amt für Arbeitslosenversicherung stapelten sich vorerst die Kurzarbeitsgesuche und später die Unterlagen für die Auszahlungen. Immer wieder mussten wir neue Vorgaben seitens Bund umsetzen. Die Regierungsarbeit war wie eine Gratwanderung: Rechts der Abgrund mit Gesundheitsrisiken, links der Abgrund mit den wirtschaftlichen Risiken.»

4000 Härtefallgesuche erhalten
«Über den Jahreswechsel 2020/21 stellte meine Direktion innert kürzester Zeit das Härtefallprogramm für den Kanton auf die Beine. Ende Januar stand das Härtefallprogramm – inklusive eines Komplettumbaus nach den Entscheiden des Bundesrates vom 8. Januar. Bis Ende August konnten die Betriebe ihre Gesuche einreichen.» Ammann nennt aktuelle Zahlen von Mitte Oktober: «Es gingen mehr als 4000 Gesuche ein. Bisher gab es rund 3400 positive Entscheide und nur etwa 300 Ablehnungen. Der durchschnittlich ausbezahlte Betrag pro Gesuch beträgt knapp 70 000 Franken. Insgesamt haben wir bislang 430 Millionen Franken ausgegeben. Das Härtefallprogramm war für uns eine Herausforderung. Eine Team-Parforce-Leistung – und dies, ohne dass das Tagesgeschäft ruhte.» Christoph Ammann zeigte sich beeindruckt, wie agil und flexibel gearbeitet werde, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Sein Fazit: «Die Wirtschaft im Kanton Bern ist enorm leistungsfähig.»

Boutique Hotel Auberge
Nach Christoph Ammann ist die Reihe an Kathrin Spillmann, Gastgeberin und Direktorin Boutique Hotel Au-berge, Langenthal. Sie erläutert die Auswirkungen von Corona auf die Gastronomie anhand ihres Betriebes, den sie mit ihrem Mann seit August 2019 in Pacht führt. «Wir starteten voller Optimismus ins Jahr 2020. Die Auslastung im Hotel und im Restaurant war gut. Dann machte sich Covid-19 auch bei uns bemerkbar. Ende Februar wurden Grossanlässe verboten. Innerhalb weniger Stunden war das ausgebuchte Hotel praktisch leer. Dann wurden die ersten Seminare abgesagt, Zimmerbuchungen storniert, Firmen mussten ihre Reisen einschränken. Am 17. Mai 2020 beschloss der Bundesrat den Lockdown. Zwei Tage später trafen wir uns im Hotel, versuchten möglichst viele Lebensmittel zu retten und verschenkten die restlichen. Der gesamte Betrieb wurde heruntergefahren. Es stellten sich Fragen: Was passiert nun? Wie lange dauert es? Wie kommen alle heil über diese Zeit? Wie können wir unsere Mitarbeitenden unterstützen? Was heisst dies für uns finanziell?»

Den Covid-Kredit beansprucht
«Wir nahmen den Covid-Kredit in Anspruch», so Kathrin Spillmann. «Dies funktionierte schnell und unkompliziert. Auch die Auszahlung der Kurzarbeitgelder hat meistens gut funktioniert. Der Ausstieg aus dem Lockdown erfolgte überraschend schnell. Wir erarbeiteten Richtlinien, wie die geltenden Corona-Massnahmen umzusetzen sind. Der Start war noch etwas verhalten, aber im Juni ging es wieder voll los. Die Betriebsferien im Sommer wurden gestrichen, die Mitarbeitenden gestaffelt in die Ferien geschickt. Das Boutique Hotel Auberge blieb offen. Ein guter Entscheid. Wir profitierten davon, dass die Schweizer und Schweizerinnen in der Schweiz Ferien machten. Dies so lange, bis die Fallzahlen anfangs Herbst immer höher stiegen. Da verhängte der Bund mehr Einschränkungen. Mit dem Anstieg der Fallzahlen wurden Anlässe, Übernachtungen und Seminare wieder abgesagt.» Kathrin Spillmann: «Statt eines Lockdowns gab es immer mehr Einschränkungen. Dies mit dem Ergebnis, dass wir immer weniger Gäste hatten. November und Dezember, sonst umsatzstarke Monate, brachen komplett ein. Wir machten noch einen Drittel des normalen Umsatzes. Der Januar war extrem ruhig. Wir erreichten noch 12 Prozent des Umsatzes. Danach blieben Hotels geöffnet und durften ihre Hotelgäste bekochen. Davon profitierten wir. Im April erreichten wir wieder knapp zwei Drittel des normalen Umsatzes. Im Mai profitierten wir von den vielen Feiertagen. Die Kurzarbeit war in dieser Zeit Gold wert. Unter der Woche waren die meisten Mitarbeitenden zu Hause, am Wochenende standen alle im Hotel Auberge und halfen mit. Wir mussten niemanden entlassen. Als wir die Restaurants im Juni wieder regulär öffnen durften, war der Nachholbedarf gross, Kurzarbeit kein Thema mehr. Wir hatten einen tollen und starken Sommer. Ab Mitte August fanden wieder viele Seminare statt und die internationalen Businessgäste kehrten zurück.
Seit die Zertifikationspflicht eingeführt ist, sind die Gästezahlen jedoch wieder zurückgegangen. Alles in allem sind wir bisher gut durch die Pandemie gekommen. Die Kurzarbeit war genau das richtige. Zudem ist uns unsere Vermieterin, die Genossenschaft Solidarität, im zweiten Lockdown bei der Pacht entgegengekommen. So mussten wir nie Härtefallgelder in Anspruch nehmen. Mit Sorge blicken wir auf die kalte Jahreszeit, sind jedoch vorsichtig optimistisch. Ich hoffe, dass sich noch viele impfen lassen.»

Dropa-Drogerie von Philipp Meyer
«Unser Kerngeschäft ist die Gesundheit mit vielen im eigenen Labor selbst hergestellten Heilmitteln», stellt Philipp Meyer seine Langenthaler Dropa-Drogerie vor und erwähnt, dass sich in den letzten 40 Jahren der Drogerienbestand in der Schweiz praktisch halbiert habe. «Jetzt aber, je nach Standort, gehörten die Drogerien zu den Profiteuren der Pandemie. Die Zeit während des Pandemieausbruchs und die ersten Wochen danach liessen bei den meisten Drogerien die Umsätze extrem in die Höhe steigen. Ein grosser Punkt für die Frequenz waren die Desinfektionsmittel. Niemand konnte solche liefern. Die Drogerien waren oft die einzigen Anlaufstellen, wo sie noch verfügbar waren. Das bedeutete nächtelanges Fabrizieren, Abfüllen, Etikettieren. Spannend war, dass behördliche Hürden, welche über Jahre mühsam verhandelt werden, plötzlich schnell möglich wurden. Medikamente per Hauslieferdienst ausserhalb des Geschäfts an Kunden zu liefern, war plötzlich mit deutlich weniger Auflagen möglich. Das ist übrigens eine grosse Chance und ein grosses Plus des stationären Handels: Bis nachmittags um 15 Uhr bestellt, bedeutet nicht morgen im Briefkasten wie bei Galaxus oder Brack, sondern spätestens um 18 Uhr am selben Tag. Dies machen wir entweder selber oder nutzen den Langenthaler Lieferdienst von maxi.mumm.» Philipp Meyers Folgerung: «Gepaart mit unserem Herzblut für unseren Beruf bin ich überzeugt, dass solche Zeiten der Unsicherheit unseren Standort stärken werden.»

Von Hans Mathys