• Vor dem Greenscreen posieren und danach auf dem Tablet verschiedene Hintergründe hinzufügen. Die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse B aus Wasen hatten im Forschungszelt «MINT mobil» keinerlei Berührungsängste. · Bilder: Marion Heiniger

  • Anstrengender, als es aussieht: Ein Mädchen pumpt bei der Herzpumpe im Sekundentakt.

  • Mittels Spiegel wurde versucht, ein Foto von Albert Einstein zu schiessen.

  • Um Strom zu erzeugen, wurde kräftig in die Pedale getreten.

  • Der kürzeste Weg ist nicht immer der schnellste. Das Ergebnis der Rollbahn überraschte die Kinder.

18.03.2024
Emmental

Wissenschaft und Technik, das fägt!

Seit August 2021 tourt das Projekt «MINT mobil» für sechs Jahre durch den Kanton Bern. Es soll besonders auch Mädchen für Technik und Naturwissenschaften begeistern – und dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Kürzlich machte das Forschungszelt von «MINT mobil» auf dem Dorfplatz in Sumiswald halt und zog die Kinder der Mittelstufe der Schulen aus Wasen, Heimisbach und Sumiswald in seinen Bann.

Sumiswald · «Was meint ihr, wie viele Liter Blut fliessen in einer Minute durch den Körper?» Auf die Frage von Anna Beutler von «MINT mobil» raten die Kinder der 5. und 6. Klasse B aus Wasen wild drauflos. «Zwei Liter», war ein Junge der Meinung. «Vier Liter», schätzte ein Mädchen. Es sei abhängig von dem, was man gerade mache, so würde beispielsweise bei einer Achterbahnfahrt eine grössere Menge Blut pro Minute durch den Körper gepumpt als beim Lesen, erklärte Anna Beutler beim ersten Posten, der Herzpumpe. Um herauszufinden, wie viel Liter denn nun wirklich pro Minute durch den Körper fliessen, mussten die Kinder selbst Hand anlegen und einen Gummibalg im Sekundentakt zusammendrücken. Dadurch wurde eine eingefärbte Flüssigkeit in einen Messzylinder gepumpt. In einer Minute wurde so die gleiche Arbeit verrichtet, wie es das Herz in unserem Körper pausenlos tut. Doch bevor die Kinder in Zweiergruppen die Pumpe selbst betätigen konnten, erklärten Anna Beutler und ihr Kollege was es bei den weiteren zwölf Posten zu experimentieren gab.

Dem Fachkräftemangel entgegenwirken
MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Zusammen mit der Wirtschaft möchte die Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern die Begeisterung der Kinder vom 3. bis 6. Schuljahr für technische Phänomene und die Neugier für das Entdecken entfachen und weitertragen. Damit soll dem Fachkräftemangel bei handwerklichen und technischen Berufen entgegengewirkt werden. Im Sommer 2021 wurde das Projekt «MINT mobil» lanciert und soll voraussichtlich bis im Schuljahr 2027/2028 im Kanton Bern unterwegs sein und dabei rund 40 000 Mädchen und Knaben erreichen. Die Schulleitungen und Lehrpersonen werden für die Thematik sensibilisiert und weitergebildet, mit besonderem Fokus auf eine geschlechtergerechte Didaktik. Das Berner Projekt «MINT mobil» basiert auf dem Luzerner Projekt «MINT unterwegs», das im Rahmen eines Versuchs im Sommer 2019 auch in der Berner Gemeinde Melchnau gastierte. Im Forschungszelt von «MINT mobil», das jeweils während fünf Tagen bei der angemeldeten Schule Halt macht, stehen elf Grossexperimente bereit und ermöglichen den Kindern eine spielerische Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften. Die MINT-Fächer gelten bei vielen Kindern und Jugendlichen als trocken, abstrakt und schwierig. Deshalb möchte das «MINT mobil» möglichst viele Schulkinder der Primarstufe vor der Berufswahl erreichen. Es steht bis zu 29 Wochen pro Schuljahr im Einsatz. Für jede angemeldete Schule sind fünf Einsatztage vorgesehen. Das Projekt ist für Schulen kostenlos. Für die Investitionen und den Betrieb während sechs Jahren fallen Kosten von rund 2,5 Millionen Franken an. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und dank Sponsoren kann das Projekt realisiert werden.

MINT-Box zur Vorbereitung
Um sich bei einem der Themen detaillierter einarbeiten zu können, werden den Lehrpersonen sogenannte MINT-Boxen zum Experimentieren im Unterricht bereitgestellt. Die 5. und 6. Klasse B aus Wasen und ihr Klassenlehrer Michel Burger hatten sich für die «Optik-Box» entschieden. Am Posten mit dem polarisierten Licht punkteten seine Schülerinnen und Schüler bereits mit einigen Vorkenntnissen. Daneben gab es aber noch einiges mehr zu entdecken. Gleich neben der Herzpumpe war eine Rollbahn mit Stahlkugeln aufgestellt, wobei die eine Bahn etwas länger und gebogen, die andere kürzer und gerade war. Welche Kugel ist nun schneller am Ziel? «Die bei der kürzeren Bahn», vermutete ein Junge. Er war erstaunt, als seine Kugel langsamer war. Ihm wurde dabei klar, dass nicht nur die Strecke, sondern auch die Beschleunigung eine Rolle spielte. Denn die längere, gebogene Bahn war zu Anfang etwas steiler, wodurch diese Kugel schneller beschleunigen konnte. In einem anderen Teil des Zeltes wurde versucht, ein Foto von Albert Einstein zu schiessen. Doch Einstein war äusserst fotoscheu. Die Aufgabe bestand darin, dass ein Kind bemüht war, mit Hindernissen zu verhindern, dass ein Foto des Physikers gemacht werden konnte, während das andere Kind versuchte, mithilfe von Spiegeln Einstein dennoch vor die Linse zu bekommen.
Um Fotos ging es auch beim Greenscreen-Posten, hier standen Verkleidungsgegenstände zur Verfügung. Dem Foto konnten mittels eines Tablets verschiedene Hintergrundbilder hinzugefügt werden. Körpereinsatz wurde beim Tretgenerator verlangt. Um Energie zu erzeugen, mussten die Kinder kräftig in die Pedale treten. Wie viel Strom braucht es, um eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen, und wie viel, um einen Ventilator zum Drehen zu bewegen? Schwitzend fanden es die Kinder heraus. Keine Muskelkraft, dafür Schnelligkeit waren bei einem anderen Posten zu beweisen. Getestet wurde die Reaktionszeit bei akustischen, optischen und taktilen Signalen.

Weltraumroboter und toter Winkel
Beim Posten «Robotikmission im Weltraum» ging es weder um Muskelkraft noch um Schnelligkeit, sondern um Kombinationsgabe und Vorstellungsvermögen: Autonome Roboter sollten auf dem Mars Pflanzen mit Mineralien versorgen. Die Schülerinnen und Schüler mussten die Roboter so in das Modell setzen, dass sie eine Kettenreaktion auslösten und das Pflanzensystem versorgt werden konnte. Scheinbar mühelos und ohne Berührungsängste meisterten die Kinder diese komplexe Aufgabe, nur selten musste Anna Beutler einen kleinen Tipp geben. Experimentiert wurde auch ausserhalb des MINT-Zeltes. Um zu begreifen, was man unter einem toten Winkel versteht, durfte sich ein Kinder in einen echten Lastwagen setzen, während das andere Kind mittels Fernsteuerung einen Dummy auf einem Fahrrad rechts neben dem LKW nach vorne fahren liess. Dasjenige Kind, das in der Führerkabine sass, stellte mit Blick in den rechten Seitenspiegel erstaunt fest, dass der Dummy plötzlich, obwohl er noch da war, nicht mehr gesehen werden konnte. Die Zeit verging wie im Fluge. Nach eineinhalb Stunden hiess es bereits wieder: Zurück zum Schulhaus nach Wasen. Doch diesen Tag werden die Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse B aus Wasen so schnell nicht mehr vergessen. Übrigens, die Kinder beförderten bei der Herzpumpe durch zusammendrücken des Gummibalges im Sekundentakt vier Liter «Blut» in den Behälter, das Mädchen hatte anfangs also richtig geraten.

Von Marion Heiniger