WM-Leader trotz zwei bitteren Nullern
Dominique Aegerter aus Rohrbach reiste mit neun Siegen in Serie nach Tschechien. Dort stand er für einmal nicht auf der Sonnenseite. Nach einem Sturz im ersten Rennen nach bloss 14 Sekunden wurde er von der Rennleitung wegen unsportlichem Verhalten für das zweite Rennen am Sonntag gesperrt. Einziger Lichtblick: Trotz zwei Siegen von Lorenzo Baldassarri konnte der Italiener die WM-Führung von Aegerter nicht übernehmen.
Motorsport · «Gute zwei Trainings mit jeweils der Bestzeit und ein gutes Gefühl am Freitag haben mich zuversichtlich gestimmt», sagte Dominique Aegerter. «Im Qualifying am Samstag bei Regen lief es nicht ganz optimal. Der vierte Startplatz war aber okay», so der Rohrbacher.
Out nach 14 Sekunden
Dann kam aber der denkwürdige Start des Samstagrennens auf der tschechischen Rundstrecke von Most. Aegerter kam super weg und hatte bereits nach der Startgeraden Kontakt zu den drei vor ihm gestarteten Piloten. In der ersten Kurve bog er dann nach rechts ab. Und nach bloss 14 Sekunden krachte es. Verursacht wurde der Startunfall durch eine Kettenreaktion beim Anbremsen zur ersten Kurve. Raffaele De Rosa (Italien) kollidierte mit Yari Montella (Italien), nachdem Can Öncü (Türkei) ein riskantes Manöver startete. Neben Dominique Aegerter landeten auch Andy Verdoia (Frankreich) und Federico Caricasulo (Italien) im Kiesbett. Der Dominio-Effekt hatte gegriffen. Verursacher Can Öncü erhielt für das Manöver eine Durchfahrtsstrafe. Dies nützte Aegerter aber herzlich wenig. Der Rohrbacher blieb nach seinem Sturz im Kies liegen. Dort lag er auch noch und wurde von den Rettern gerade auf die Bahre gehoben, als das Feld zum ersten Mal vorbei schoss. Etwas überraschend für den Oberaargauer wurde das Rennen nicht abgebrochen. Aegerters Hauptkonkurrent um den WM-Titel, Lorenzo Baldassarri aus Italien, freute sich natürlich darüber und holte sich den Sieg.
Dann kam es für den WM-Leader knüppeldick. Nach vorerst diagnostizierter Gehirnerschütterung im Medical Center an der Strecke wurde diese bei der genauen Untersuchung im Spital am Abend revidiert. Aegerter wurde für gesund erklärt. Dies wiederum rief die Rennleitung auf den Plan. Sie warf dem Schweizer eine absichtlich vorgetäuschte Verletzung vor, um einen Rennabbruch zu erzwingen. Das Verdikt «Unsportlichkeit» hatte ein Startverbot für das Sonntagsrennen zur Folge.
Superbike-WM nun gefährdet?
Darüber war die Nummer 77 natürlich alles andere als glücklich. Der Rohrbacher tat sich allerdings auch schwer, Worte zu finden: «Ich brauche noch etwas Zeit, um diese Geschichte abhaken zu können.» Was Aegerter aber sagte und viel erklärte: «Ich wollte dieses Rennen unbedingt gewinnen, um den zehnten Sieg in Serie und damit einen Rekord feiern zu können.» Bei Aegerters Aussagen ist der enorme Druck zu verspüren, der auf seinen Schultern lastete. Doch nicht nur wegen dem Rekord versuchte der 31-Jährige alles oder eben noch ein bisschen mehr, um noch einmal ins Rennen zurückkehren zu können. Just am Rennwochenende in Most führte nämlich der Yamaha-Rennstall mit dem Rohrbacher ernsthafte Gespräche betreffend einem Aufstieg in die Superbike-WM in der Saison 2023. Mit zwei Siegen und einem weiteren Rekord wären die Verhandlungen sicher besser verlaufen. Immerhin bleibt Aegerter wegen seinem grossen Vorsprung nach neun Siegen in Serie WM-Leader, obwohl Baldassarri auch das Sonntagsrennen für sich entschied. Zur Sommerpause – die WM wird am 9./10. September in Magny Cours in Frankreich fortgesetzt – liegt der Rohrbacher nach den beiden Nullern in Tschechien noch 14 Punkte vor dem Italiener.
Resultate: Rennen Samstag (26 Klassierte): 1. Lorenzo Baldassarri, Italien, 30:23,358; 2. Stefano Manzi, Italien, 30:29,598; 3. Steven Odendaal, Südafrika, 30:29,6346. – Rennen Sonntag (22): 1. Lorenzo Baldassarri, Italien, 12:54,417; 2. Nicolo Bulega, Italien, 12:54,419; 3. Stefano Manzi, Italien, 12:54,456. – WM-Gesamtwertung (12/24): 1. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 245; 2. Lorenzo Baldassarri, Italien, 241; 3. Nicolo Bulega, Italien, 147; 4. Can Oncu, Türkei,112.
Von Stefan Leuenberger