«Yankee Jodel» – mit Mark Twain in den Alpen
Mit ihrem neuen Stück «Yankee Jodel» nimmt Bea von Malchus das Publikum im Theater 49 des Stadttheaters mit auf die abenteuerliche Reise von Mark Twain in die Schweizer Alpen. Die Powerfrau aus Süddeutschland beeindruckt das Publikum.
Langenthal · Die am 1. Mai 1959 in Freiburg im Breisgau geborene deutsche Schauspielerin Bea von Malchus trat nur vier Tage nach ihrem 60. Geburtstag in Langenthal auf – nach «Queens» Ende Januar 2018 diesmal mit «Yankee Jodel». Das Theater 49 im Untergeschoss des Stadttheaters war mit 87 Interessierten gut besetzt. «Matterhorn, 4505 m, Schweiz», stand unter dem auf eine Leinwand projizierten majestätischen Berg. Von 1880 bis 1946 war der Westgipfel des Matterhorns tatsächlich mit dieser ungenauen, barometrisch bestimmten Höhe beschriftet. Bei der Erstbesteigung 1865 galt das Matterhorn gemäss Dufourkarte als 4482 Meter hoch. Auf der aktuellen Landeskarte befindet sich der Gipfel auf einer Höhe von 4478 Metern. Bei der Schilderung seiner Reise in die Schweizer Alpen mit der Besteigung der Rigi und des Riffelbergs hat der amerikanische Schriftsteller Mark Twain (1835 bis 1910) seinen Hang zur Satire ausgelebt. Er wusste, wie er seine Leserschaft fesseln konnte. Diese wollte exquisit unterhalten und an Orte «entführt» werden, deren Besuch für Leute aus Übersee damals kaum erschwinglich war. So befriedigte Twain mit einem Mix aus tatsächlich Erlebtem und erfundenen «Zutaten» die für Abenteuerberichte empfängliche, gar danach lechzende Leserschaft.
Wein und Essig – kein Unterschied
Mark Twain hatte sich verspekuliert und sein ganzes Vermögen in die Erfindung einer Setzmaschine investiert, die sich dann nicht verkaufen liess. Obwohl er mit Literatur viel verdiente, stand er kurz vor dem Konkurs. Der humorvolle, exakt beobachtende Schriftsteller hatte seinem Verleger 300 Seiten Text von seiner Reise in die Schweizer Alpen versprochen. Was er dabei erlebte, schildert jetzt die mit zahlreichen Theaterpreisen ausgestattete Bea von Malchus, die es vortrefflich versteht, das Publikum mit packenden Erzählungen aufhorchen zu lassen und zum Schmunzeln und Lachen zu bringen. Sie tut dies teils auf Deutsch, teils auf Englisch, teils singend, teils jodelnd, stets gestikulierend – je nachdem, welche Person sie gerade darstellt. «Ready for Weggis, for Rigi and for Alpen?», fragt sie und gibt die Antwort gleich selber: «Let’s go high and look». Mark Twain und sein Reisegefährte Harris Twichell hätten bei einem kleinen Wirtshaus Halt gemacht und seien dann erst «vier Liter Milch später» in Richtung Rigi aufgebrochen. Das Kulm-Hotel auf dem Gipfel der Rigi hätten sie aber nicht – wie im Reisehandbuch angegeben – von Weggis aus in dreieinviertel Stunden erreicht. Diese Wanderzeit habe «exakt um drei Tage daneben» gelegen. Völlig erschöpft seien die beiden auf der Rigi angekommen. So kaputt, dass sie den Sonnenaufgang verschlafen und beim Erwachen bereits den Sonnenuntergang geniessen. Noch etwas habe die Rigi-Expedition gezeigt, so die euphorisch erzählende Schauspielerin: «Wein unterscheidet sich von Essig nur durch die Etikette.» Eine Aussage, die nicht für die damalige Wein-Qualität spricht.
Den Riffelberg erklimmen
Am 27. August 1878 trifft Mark Twain mit Freund Harris Twichell in Zermatt ein. Sie verbringen die erste Nacht im Hotel Monte Rosa und beobachten, so die Erzählerin, dass vier Kilo Zwiebeln benötigt werden, um Gulasch zuzubereiten. Mark Twain liest im Hotel Berichte von Bergsteigern und bereitet sich geistig auf das gewaltige Ziel vor – auf die Grosstat, den Riffelberg zu erklimmen. 20 Jahre später wäre dies ohne Strapazen gelungen, weil der Schriftsteller und sein Freund Harris die am 20. August 1898 eröffnete Gornergrat-Bahn hätten benutzen können. Die begnadete Erzählerin Bea von Malchus sorgt bei ihrer Schilderung für zahlreiche Lacher – primär dann, wenn sie andeutet, wie Mark Twain Notizen macht und billige Zigarren pafft. Mark Twain, der in seinem Leben einige familiäre Schicksalsschläge zu verdauen hatte – er verlor seine Frau Olivia sowie drei seiner vier Kinder –, macht seinem Ruf als Satiriker alle Ehre, indem er den Aufstieg von Zermatt nach Riffelberg als heldenhafte Tat darstellt – nachzulesen im Buch «Climbing the Riffelberg. Riffelberg-Besteigung». Twain übertreibt bei der Darstellung der Riffelberg-Expedition, stellt diese als heroisch dar – mit 17 Bergführern, Maultieren und Sprengstoff – und verbindet Realität mit Fantasie. Die neugierigen Leute wollten sich von Twain erzählen lassen, wie die Welt ist. Der Tourismus hatte damals erst angefangen.
Erzählkunst vom Feinsten
Bea von Malchus bietet Erzählkunst vom Feinsten. Einer der 17 Bergführer heisst Reto, sagt sie. «Mir gloube, mir hei üs vürloffe», zitiert die Erzählerin aus Süddeutschland Bergführer Reto in echt klingendem Schweizer Dialekt. Köstlich die Schilderung, wie der rund einen Kilometer lange Tross der Riffelberg-Expedition dabei vorerst 16 Mal und letztlich gar 78 Mal am gleichen Stein vorbei zieht. Immerhin habe die Landkarte gezeigt, dass man sich noch in der Schweiz befinde. Plötzlich ein Riesenknall. Um den Weg frei zu machen, muss halt schon mal gesprengt werden. Nach sieben Tagen ist die Heldentat vollbracht, der Riffelberg von Zermatt aus bestiegen. Zurück in Zermatt sei Mark Twain mit frenetischem Jubel begrüsst und als jener Mann gefeiert worden, der den Riffelberg bezwungen hat.
Das Buch von Mark Twain wurde ein voller Erfolg. Dies lässt sich auch vom Auftritt von Bea von Malchus sagen. Chapeau, was sie drauf hat. Das hatte sie zuvor bereits mit «Queens», «Heinrich VIII», «Wind in den Weiden», «Shake Lear», «Die sieben Todsünden», «Die Kennedys», «Nibelungen», «Bibelfest» und «Bazilikonmädchen» bewiesen. Das Publikum hat mit «Yankee Jodel» formidable Erzählkunst genossen und sich auf genüsslich-süffisante Art in die Schweizer Alpen des 19. Jahrhunderts zurückversetzen lassen. Für die brillante Erzählung gibts lange anhaltenden Applaus.
Von Hans Mathys