• Den Gastrobetrieben der Region fehlt das Personal. · Symbolbild: vig

29.04.2022
Region

Zuerst fehlten die Gäste, jetzt das Personal

Die Gastro-Branche erholt sich nach Corona nur schleppend von ihren Brennpunkten. Nachdem lange Zeit wegen den geschlossenen Restaurants eher die finanziellen Aspekte Sorgen bereiteten, ächzen jetzt viele Inhaber und Angestellte unter der hohen Belastung - dies, weil das Personal in grosser Anzahl fehlt.

Oberaargau · Zuerst mussten die Restaurants aus behördlichen Gründen schliessen – und jetzt wegen der Personalnot. So wie es dem Hotel Bären in Langenthal geht, das seine Öffnungszeiten reduzieren muss, weil ihm das Personal zur Betreuung der Gäste fehlt (der «Unter-Emmentaler» berichtete), so geht es schweizweit vielen Restaurants. Ähnlich drohende Signale signalisieren auch andere Restaurants im Gebiet des «Unter-Emmentaler», so zum Beispiel auch der «Rebstock» in Langenthal. «Ich kann die Aussagen von Sandra Guyaz im ‹UE›-Bericht zu 100 Prozent nachvollziehen und fühle mit. Personal zu finden ist aktuell extrem schwierig», sagt Inhaber Jan Meyer. Aufgrund eines Ausfalls suche er ebenfalls kurzfristig eine Aushilfe, offenbar will sich derzeit aber kaum mehr jemand in die Gastrobranche wagen. «Wenn ich früher ein Inserat geschaltet habe, dann habe ich 20 bis 30 Rückmeldungen erhalten. Heute sind es vielleicht noch zwei bis drei.» Das sei wahrscheinlich auch auf den Lockdown zurückzuführen, in dem viele Mitarbeitende der Gastrobranche den Rücken kehrten.

Wochenendarbeit unbeliebt
Jan Meyer sieht aber auch noch einen anderen Grund. «Viele wollen an Abenden und an Wochenenden nicht mehr arbeiten. Das spüre selbst ich, obwohl wir am Sonntag und an Feiertagen geschlossen haben.» Der Samstag sei eine Hürde für potenzielle Bewerber und dies könne er nur bedingt verstehen. «Klar», sagt Jan Meyer, «einerseits verstehe ich das. Wer in Vereinen ist, der hat den Samstag oft schon verplant. Aber früher war es gang und gäbe, am Samstag zu arbeiten, weshalb ich mich auch schon gefragt habe, ob es uns finanziell schlichtweg zu gut geht, dass wir solche Jobs umgehen wollen.» Nicht zuletzt bringe Samstagsarbeit auch Vorteile, findet der Restaurantbesitzer: «Unter der Woche kann man dann tageweise kompensieren – und oftmals sind Ausflüge an einem Dienstag sogar schöner als an einem Samstag, an dem alle Menschen das gleiche Ziel haben.»

«Würde mir weh tun»
Entsprechend hofft Jan Meyer, dass auch hier wieder mehr Normalität einkehrt. Denn: «Gäste hätten wir. Das Geschäft läuft super. Es fehlt nur an Personal.» Wahrlich sei die Situation paradox, Lösungen sehe er aber zugleich keine greifbaren. «Ich habe mir schon überlegt, beispielsweise den Gymer zu kontaktieren, auch weiss ich, dass es Lernende oder Studierende gibt, die gerne etwas dazuverdienen möchten. Aber dennoch stellt es sich derzeit als schwierig heraus, diese womöglich interessierten Personen zu finden.» Öffnungszeiten reduzieren wolle er, so lange es irgendwie geht, aber nicht, erklärt der Restaurantbesitzer weiter. Aktuell öffnet der Rebstock täglich um neun Uhr und hat dann bis abends, meistens bis nach 22 Uhr, offen. Einzig am Sonntag ist die Beiz geschlossen. «Mir würde das sehr weh tun, wenn ich Öffnungszeiten reduzieren müsste, obwohl das Interesse der Gäste vorhanden wäre, vorbeizuschauen.» Vorerst versucht Jan Meyer selbst die Lücken auszufüllen, in dem er nicht nur als Koch sondern auch zwischendurch im Service arbeitet.

«Ich arbeite halt einfach selbst mehr»
So wird das Problem auch im Gasthof Alpen in Eriswil – der auch noch 365 Tage im Jahr offen haben will – gelöst. Auf Anfrage bestätigen die Inhaber-Brüder Simsek zwar, dass auch sie feststellen, dass es schwierig ist, Personal zu rekrutieren. Auf die Frage nach der Lösung ist die Reaktion mit einem Lachen verbunden: «Ich arbeite dann einfach selbst mehr.» Das sei zwar tatsächlich nicht die schönste Lösung, verbinde er aber mit dem erfolgreichen Führen des Restaurants. «Aber auch wir suchen eine Ablöse, die zeitweise arbeiten würde – und diese Suche verlief zuletzt aus den gleichen Gründen erfolglos.» Immerhin laufen aber auch im Gasthof Alpen die Geschäfte an sich gut, wird auf Anfrage ebenfalls bestätigt. Dass aufgrund der Personalnot der Gastro-Branche eine düstere Zukunft bevorstehen könnte, wird aber auch in Eriswil bestätigt. Zugleich wollen sich die Brüder aber auch an ein typisch schweizerisches Stichwort halten: «Von nichts, kommt nichts – und etwas leisten muss man überall, wir jetzt halt einfach mehr.»

Situation auf dem Land nicht besser
Beim Restaurant Bürgisweyerbad in Madiswil lässt dies alleine die Grösse nicht zu – und genau die wird quasi zum Verhängnis. Sonja Schreiber, die das bekannte und beliebte Restaurant mit ihrem Mann André leitet, erlebt die gleichen Probleme wie ihre Branchenkollegen. «Wir konnten in einem ersten Moment das Personal halten, einzelne junge Angestellte wollten nun aber einen Schritt in ihrer Karriere tun, weshalb uns nun doch Personal fehlt», erklärt Sonja Schreiber. Die Situation sei derzeit akut und habe Konsequenzen: «Die Fläche, die wir im Garten anbieten, wird kleiner sein als in anderen Jahren. Auch wird das Angebot leicht reduziert», sagt Sonja Schreiber weiter. Das sei frustrierend, findet sie, vor allem weil genügend Gäste vorhanden wären. «Hätte mir jemand vor fünf Jahren gesagt, dass wir so viele Gäste haben, diese aber nicht bewirten können, hätte ich das niemandem geglaubt.» Nach Lösungen zu suchen sei schwierig, zumal gerade ein Restaurant wie das Bürgisweyerbad auf ausgebildetes Personal angewiesen ist. «Natürlich haben wir mittlerweile vereinzelt Studenten als Unterstützung, die einen wahrlich tollen Job machen, aber die können nicht jeden Tag und auch nicht ständig arbeiten, weshalb die Situation für uns vorerst schwierig bleibt.»
Die Hoffnung auf Normalität, dies lässt Sonja Schreiber durchblicken, ist aber durchaus noch vorhanden. So sagt sie, dass die im Garten bewirtschaftete Fläche auch wieder vergrössert werden könnte, sollte sich die Ausgangslage beruhigen.

Von Leroy Ryser