• Andrea Salvisberg während einem Wettkampf in Lausanne 2019. Die Disziplin Schwimmen ist seit jeher eine Spezialität der Gebrüder Salvisberg. · Bilder: Keystone/zvg

  • Florin Salvisberg auf der Radstrecke bei seinem Gold-Triumph im September an der Sprint-SM in Sursee.

02.11.2020
Sport

Zwei Brüder unterschiedlich zum Erfolg

Andrea und Florin Salvisberg, Triathleten aus Rüegsauschachen – Die Gebrüder Salvisberg aus Rüegsauschachen profilieren sich in diesem Herbst vorzüglich und überraschend. Olympia scheint plötzlich für Andrea (31) wie auch für Florin (30) möglich.

Triathlon · Es war der krönende Abschluss einer aufwühlenden, schwer planbaren Saison. Andrea Salvisberg verbesserte sich auf der zweiten Streckenhälfte der Schweizermeisterschaft im Halbmarathon in Belp ständig. Und ganz am Schluss stürmte er am lange klar führenden Genfer Morgan Le Guen vorbei. «Nichts von der eigenen Müdigkeit zu erkennen geben, und wenn dann keine Konterattacke erfolgt, ist der Triumph gesichert», dachte sich der 31-Jährige. In solchen psychologischen Augenblicken unterscheiden sich Triathlon und Langstreckenlauf nicht. Triathlet Salvisberg blieb unbedrängt und holte sich den Meistertitel – notabene in seinem erst dritten Halbmarathon seiner Karriere, seinem ersten seit dem Jahr 2011.

Alles war anders geplant
Das Resultat tut gut nach einer ursprünglich ganz anders geplanten Saison. Das Grossziel, die Olympischen Spiele von Tokio, galt es im Frühling abzuschreiben. Stattdessen widmete sich Salvisberg vorrangig seinen Defiziten. Etwa dem Laufen, seiner dritten Disziplin. Mit SM-Silber über 10 000 m, SM-Bronze über 10 km und jetzt diesem Titel liest sich die Erfolgsausbeute hervorragend – zumal auch zeitlich markante Steigerungen glückten. Dreimal konnte sich der Triathlet gegen die Leichtathletik-Spezialisten behaupten, einmal sogar triumphieren.

Vom Quartett zum Duo mit individuellen Wegen
Salvisberg ist ein neuer Name bei den Leichtathleten. Im Triathlon hingegen ist er seit 15 Jahren eine Konstante. Und zwar nicht nur wegen Andrea Salvisberg. Ebenso standen einst seine drei Brüder Lukas (33) sowie Fabian und Florin (beide 30) im Fokus. Um eine einzigartige Konstellation handelte es sich. Alle vier Brüder bewiesen riesiges Talent. Alle vier orientierten sich in Richtung absoluter Spitze. Schon in einem Familienporträt im Ausdauersport-Fachmagazin «Fit for Life» im Frühling 2007 war von Salvisberg-Visionen die Rede. Olympia war ein Thema – Olympia in Mehrfachvertretung. Die Optimal-Konstellation verflüchtigte sich in der Zwischenzeit. Lukas, der älteste im Quartett, setzte nach zwei harten, aber erfolgreichen Jahren auf internationaler Ebene fortan aufs Studium und startete ein Praktikum bei einer Grossbank. Fabian stellte und stellt sich in die zweite Reihe und wirkt als Medizinischer Masseur – auch seiner Brüder. Und auch Florin, 2013 U23-Europameister, sah sich durch diverse Verletzungen, Überbelastungen und Krankheiten gebremst. Andrea aber qualifizierte sich für Olympia 2016 in Rio. Dort belegte er als bester Schweizer Platz 16.

Auch Florin in Topform
Jetzt aber ergibt sich eine neue Möglichkeit für die beiden im Wettkampfsport übriggebliebenen Salvisbergs. Für die verschobenen Spiele von Tokio, die nun für Sommer 2021 geplant sind, scheint möglich, dass sich Andrea wie auch Florin qualifizieren. Beide verstanden es, sich in diesem Corona-Sommer vielversprechend zu steigern. Neben Andrea, mit seinen markanten Fortschritten im Laufen, fiel auch Florin auf – durch seine wiedergefundenen Qualitäten über die Triathlon-Sprint-Distanz. Er befindet sich in Topform. An der Sprint-SM in Sursee Ende September gewann er einen Tag nach seinem 30. Geburtstag den Schweizermeistertitel. «Olympia ist das Ziel», sagen deshalb beide. Spannend dabei: Im Gleichschritt bewegen sie sich längst nicht mehr. Andrea vertraut seit drei Jahren dem Coaching des Australiers Brett Sutton – dem Trainer von Olympiasiegerin Nicola Spirig. Er trainiert profimässig vielfach (auch mit Spirig) in St. Moritz. Aufs Coaching Suttons hatte zuerst Florin gebaut. Doch statt der erhofften Steigerung und Topergebnissen verschwand der Hoffnungsträger immer wieder von der Bildfläche. «Mein Körper kommt mit hohen Trainingsbelastungen nicht zu Recht», erkennt er rückblickend. Der Sport rückte zwischenzeitlich in den Hintergrund und trat in Koexistenz mit dem Wirtschaftsstudium. Seit gut zwei Jahren steuert er sein Training selber.

Ganz unterschiedlich
Neben den sportlich unterschiedlich aufgegleisten Wegen sind die beiden Brüder auch örtlich auseinandergegangen. Andrea wohnt mit seiner Freundin weiterhin in der lange gemeinsam genutzten Wohnung in Wallisellen bei Zürich. Florin aber hat die einstige Triathlon-WG verlassen und ist mit seiner Partnerin nach Zürich gezogen. Geblieben ist die gegenseitige Wertschätzung und eine Portion Staunen: «Ich bewundere, welche Umfänge Andrea bewältigt», sagt Florin. Und Andrea betont; «Unglaublich, zu welchen Leistungen Florin mit seinem Aufbau fähig ist. Offenbar funktionieren unsere Körper ganz unterschiedlich.»

Von Jörg Greb