Zwei Verkehrsprojekte – zwei Meinungen
Eigentlich sind sich alle einig: Gegen die grossen Verkehrsprobleme in Aarwangen und in der Region Burgdorf muss dringend
etwas unternommen werden. Doch gegen die beiden geplanten Verkehrssanierungen haben die Grünen sowie weitere linke
Organisationen das Referendum ergriffen. Damit werden die beiden Projekte im nächsten Jahr erneut dem Volk zur Abstimmung vorgelegt. Im Hotel Bären in Langenthal kreuzten Befürworter und Gegner der geplanten Verkehrssanierung verbal die Klinge.
Wenn der Saal des Hotel Bären in Langenthal bis auf den letzten Platz besetzt ist, dann muss das Interesse am Anlass gross sein. In der Tat, die von der FDP Langenthal organisierte Veranstaltung widmete sich den beiden Verkehrssanierungen Aarwangen und «Emmentalwärts», die seit Jahrzehnten in der betroffenen Bevölkerung «heiss» diskutiert werden. Das war auch an diesem Abend nicht anders.
Roger Schibler, Kreisoberingenieur beim Tiefbauamt des Kantons Bern, stellte zu Beginn noch einmal die beiden geplanten Verkehrssanierungs-Projekte vor, für die der Grosse Rat im Sommer die entsprechenden Kredite genehmigt hat. Da die Grünen zusammen mit diversen Umweltorganisationen und Verbänden gegen den Entscheid des Grossen Rates das Refe-rendum ergriffen haben, wird das Stimm-volk im nächsten Jahr definitiv darüber entscheiden, ob die beiden Projekte realisiert werden.
Ein Meilenstein ist erreicht
Schibler wies darauf hin, dass ihn die beiden Projekte seit über zehn Jahren beschäftigen. «Doch nun wissen wir, wie wir die Verkehrsprobleme lösen können, wir haben einen Meilenstein erreicht», zeigte er sich gegenüber den Anwesenden erleichtert. «Nach über 30 Jahren liegen zwei Projekte vor, die das Ergebnis einer jahrzehntelangen, intensiven Diskussion sind, in deren Verlauf bei beiden Projekten unzählige Anpassungen vorgenommen wurden.» Schibler machte noch einmal klar, weshalb die beiden Bauvorhaben nötig sind. Sowohl in Aarwangen wie auch in der Region Burgdorf komme es täglich zu Staus. In Aarwangen habe es in den letzten fünf Jahren über 100 Verkehrsunfälle gegeben. Zudem stelle die aktuelle Situation in beiden Regionen ein grosses Handicap für eine künftige wirtschaftliche Entwicklung dar. Mit den Projekten werde der Wirtschaftsraum in den Regionen gestärkt, werde zudem die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, aber auch die Lebensqualität erhöht. Mit der Umfahrung in Aarwangen werde zugleich der Verkehr durch das Dort um 50 Prozent vermindert, was Roger Schibler zu folgendem Schlussfazit führte: «Bei beiden Projekten profitiert jeweils eine ganze Region von diesen Lösungen.»
Die Verkehrssanierung in Aarwangen verursacht Kosten von 194 Millionen Franken. Die Bauzeit wird auf sieben Jahre geschätzt (2025 bis 2032); im Raum Burgdorf – Oberburg – Hasle kostet das Projekt «Emmentalwärts», das aus insgesamt 19 verschiedenen Massnahmen besteht, rund 424 Millionen Franken, die Bauzeit beträgt hier rund zehn Jahre (2025 bis 2035).
Nicht zeitgemässe Lösungsansätze aus letztem Jahrhundert
Doch damit sind nicht alle einver-standen, stellvertretend für die Gegnerschaft begründete der Roggwiler Gross-rat Fredy Lindegger (Grüne), weshalb das Referendum gegen die beiden Projekte ergriffen wurde. «Wir erachten die beiden Lösungen als unverhältnismässig, weil hier Lösungsansätze aus dem letzten Jahrhundert ergriffen werden, die nicht zeitgemäss sind. Auf diese Weise werden heute keine Verkehrsprobleme mehr gelöst», gab er zu verstehen.
Schützenhilfe bekam er von SP-Grossrätin Andrea Rüfenacht (Burgdorf), die überzeugt ist, dass dadurch der motorisierte Individualverkehr noch weiter zunehmen wird. «Zudem fällt die Kosten-Nutzen-Analyse beim Projekt in Burgdorf nur knapp positiv aus. Damit kann man nicht behaupten, dass mit dieser Verkehrslösung grosse Fortschritte erzielt werden», argumentierte sie.
Bei diesem Punkt hielt Mitte-Grossrat Andreas Mühlemann (Grasswil) selbstkritisch fest, dass wir uns alle an der Nase nehmen müssten, weil wir mittlerweile die Individualität über alles andere stellen würden. So wolle jeder selber mit dem eigenen Fahrzeug zur Arbeit und an Anlässe fahren.
Kein Verständnis für Referendum
FDP-Grossrat Michael Elsässer (Kirchberg) hielt Andrea Rüfenacht entgegen, dass er von linker Seite noch keinerlei konkrete Vorschläge gehört ha-be, wie die Verkehrsprobleme anders gelöst werden könnten. Deshalb ist er der Meinung, «dass wir jetzt handeln müssen und griffige Massnahmen ge-gen den unhaltbaren Zustand auf den Strassen rund um Burgdorf ergreifen müssen». Der Niederbipper FDP-Gross-rat und Unternehmer Peter Haudenschild wiederum bezeichnete das Vorgehen der Grünen als reine Zwängerei. Und Kurt Bläuenstein, Gemeindepräsident von Aarwangen, machte den Anwesenden klar, dass die Situation für die Bevölkerung im Dorf schlicht nicht mehr zumutbar sei.
SVP-Grossrat und Unternehmer Beat Bösiger (Niederbipp) wies darauf hin, dass die Bevölkerung in der Schweiz täglich zunehme. So sei beispielsweise die Anzahl Bewohner in Langenthal, Aarwangen und Niederbipp in den letzten zehn Jahren um 2700 Personen gestiegen. Dafür brauche es auch eine entsprechende Verkehrsinfrastruktur. «Deshalb müssen wir heute die Verkehrsinfrastruktur für morgen bauen», bemerkte er. Aber nicht nur die Bevölkerung ist unzufrieden mit der aktuellen Verkehrslage in Aarwangen und der Region Burgdorf, wie Michael Elsässer darlegte. Bei den Vertretern der lokalen Wirtschaft stelle er ein totales Unverständnis gegenüber dem Referendum «Emmentalwärts» fest, betonte der Geschäftsführer der Bernerland Bank. Deshalb forderte er: «Diese einmalige Gelegenheit dürfen wir nicht verpassen.»
Roger Schibler machte klar, was passieren würde, sollten die beiden Verkehrsprojekte vom Stimmvolk abgelehnt werden: «Bei einem Nein an der Urne ist zu befürchten, dass die Politik in beiden Regionen nur noch versuchen wird, die bestehenden Verkehrsprobleme mittels ‹Pflästerli-Politik› zu lindern.»
Von Walter Ryser