Zwischen Komplexität, Feminismus und Wahrnehmungen
Das Langenthaler Kunsthaus zeigt seit dieser Woche die Werke von Maëlle Gross und Céline Manz. Die beiden Frauen haben in ihren Arbeiten andere Frauen interpretiert und portraitiert – die Resultate sind im Kunsthaus zugänglich und werden mit besonderen Events speziell hervorgehoben.
Maëlle Gross und Céline Manz sind zwei junge Schweizer Künstlerinnen, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Céline Manz lebt und arbeitet in Basel und in London, ist 38 Jahre alt, und Maëlle Gross lebt und arbeitet in Genf und Lausanne und ist 31 Jahre alt. Seit dieser Woche haben die beiden renommierten Schweizer Jung-Künstlerinnen quasi eine gemeinsame Plattform im Langenthaler Kunsthaus erhalten, wo sie beide eine farbenprächtige, wenn auch unterschiedliche Ausstellung präsentieren. Die beiden Werkschauen sind zwar durch Stockwerke getrennt, unterwegs findet der Besucher aber dennoch Gemeinsamkeiten. Letztlich verbindet die beiden vor allem auch das Interesse am Feminismus, der in ihren Arbeiten mal leise, mal lautstark durchsickert. Bis am 5. April können die Kunstwerke der beiden Schweizerinnen im Langenthaler Kunsthaus bestaunt werden, wo im Verlaufe dieser Ausstellung auch spezielle Events geplant sind.
Grosse Kunst wiederentdeckt
Céline Manz’ Ausstellung trägt den Titel «9 espaces distincts» – neun klar abgegrenzte Räume – und lehnt sich vor allem an Werke berühmter Künstlerinnen aus dem 20. Jahrhundert an. Die in Zürich geborene Künstlerin untersucht dabei die Auswirkungen der Biografie, des Geschlechts und der Nachlassverwaltungen auf die Wahrnehmung der Werke berühmter Künstlerinnen und gibt mit einer eigenen Note solche Arbeiten erneut wieder. So sind Bilder von Sophie Taeuber-Arp digital verändert und auf Seidenstoffe gedruckt worden, in einem der neun Räume hängen diese dann von der Decke und scheinen dabei beinahe ein alltägliches Statement abzugeben. Passend zur finanziellen Komponente, die sie ebenfalls versucht wiederzugeben, können solche Seidenstoffe auch als Foulards von Besuchern käuflich erworben werden.
Die Ausstellung von Céline Manz beinhaltet aber nicht nur physische, sondern auch vertonte Werke. Dafür hat sie mit Schauspielerinnen und Musikern zusammengearbeitet. So wurden Werke von ihr mit einem Schlagzeug wiedergegeben, oder aber Briefe von Sophie Taeuber-Arp an ihren Ehemann werden vorgelesen. Ein weiterer Höhepunkt sind die wiederentdeckten Werke Sonia Delauneys, die einst 1832 Versionen von ihrem «Rythme sans fin» erstellt hatte. Manz nahm sich die Zeit, selbst ebenfalls dieselbe Zahl der Kunstwerke erneut zu zeichnen – lediglich in einer kürzeren Zeitspanne. Gerade auch hierbei drückt die Thematik des Urheberrechtes und die Beziehung zum Mann der ursprünglichen Künstlerin durch, weil Delauney nach dem Tod ihres Mannes dessen Unterschrift auf neue Kunstwerke mitaufführte, ein Magazin später aber ihre eigene Unterschrift aufgrund der Lesbarkeit verschwinden liess. Céline Manz hat daraufhin beide Unterschriften und die eigene auf einzelnen Bildern präsent wiedergegeben.
Frauen in einer Männerdomäne
Im oberen Stockwerk finden sich dann die Werke von Maël Gross. Hauptteil dieser Ausstellung sind drei Video-Interviews, die in einem Film wiedergegeben werden. Gross hat für diese Arbeit mit drei Töfffahrerinnen im Alter über 50 Jahren Kontakt aufgenommen und sie porträtiert. Unter dem Titel «HotHeads» – Hitzköpfe – stellt sie Frauen vor, die sich in einer Männerdomäne zurechtfinden. Sie vermittelt Einblicke in die Biografie der Frauen, befragt sie über ihre Motive und nimmt den Betrachter in einzelnen Zusatzfilmen sowie mit zusätzlichen Kunstexponaten auf eine Reise in die Welt auf zwei Rädern mit. Bereits zu Beginn der Filme sagen die Protagonistinnen, dass sie zwar mit dem Feuer spielen, aber alles unter Kontrolle haben. Dies zeigt, dass die Frauen das Steuer selbst in die Hand nehmen wollten. Eine der drei Frauen sagt denn auch explizit, dass sie nicht mehr die Beifahrerin ihres Mannes sein wollte, ein sogenannter Sandsack, sondern selbst bestimmen und fahren wollte. Maël Gross versucht dabei auch das Thema Sexualität einzubeziehen, indem sie in ihren Filmen auch die Schönheit der Frauen sowie den Reiz derer Töffbekleidung miteinbezieht. Beim Start der Ausstellung ertönt ausserdem die Stimme einer der Protagonistin, die den Satz «Ich bin ein Hitzkopf» mehrfach wiederholend wiedergibt.
Forschende Künstlerinnen
Für Raffael Dörig, Leiter des Kunsthauses Langenthal, überzeugen die Werke aber nicht nur mit der Vielschichtigkeit, sondern auch mit der erkennbaren Tatsache, dass sich die Künstlerinnen mit den jeweiligen Personen – also den früheren Künstlerinnen oder den Töfffahrerinnen – auseinandersetzten. «Einerseits zeigen sie sich als forschende Personen, aber auch als Künstler», so Dörig. Dies mache das Resultat komplex und interessant. Ausserdem sei es auch spannend, dass Werke von Sophie Taeuber-Arp, die einst auf der 50er-Note zu sehen war, neu entdeckt wurden – und dies nicht zum ersten Mal, aber dennoch auf neue Weise.
Um den Ausstellungen gerecht zu werden, hat das Kunsthaus während der Ausstellungszeit Events geplant.
So wird am 14. März ein Rundgang mit Céline Manz sowie eine Lesung mit Laura Lienhard angeboten, am 4. April soll dann eine Motorrad-Parade mit Maëlle Gross stattfinden, wobei rund 20 Bikerinnen erwartet werden, die nach einer gemeinsamen Töfftour eine Marmorskulptur in Bollodingen enthüllen. Die Ausstellung im Kunsthaus Langenthal wird am Sonntag, 5. April, ihren Abschluss finden.
Von Leroy Ryser