• Der Briefträger mit seinem Post-Austrage-Gerät: Urs Friedli in Action. · Bilder: Marianne Ruch

  • Urs Friedli beim Sortieren der Post für die Huttwilerinnen und Huttwiler.

  • Auf Wiedersehen und alles Gute, Urs Friedli!

13.07.2023
Huttwil

49 Jahre lang mit Leib und Seele Briefträger

Urs Friedli ist seit über 49 Jahren Briefträger. In verschiedenen Stellen hat er viele schöne Momente erlebt und etliche Umstrukturierungen und Änderungen in all den Jahren miterlebt. Seit 2005 ist er Teamleader und seit 2015 in der Poststelle Huttwil. Heute Freitag, 14. Juli, bestreitet er seinen letzten Arbeitstag und Ende Juli ist der verdiente Ruhestand dann Tatsache.

Am 16. April 1974 trat er in Langenthal die damals einjährige Lehre als «Uniformierter Postbeamter» an. Ja, damals waren Briefträger noch Beamte. Heute ist dem nicht mehr so, aber am Beruf an und für sich hat sich nebst vielen Modernisierungen nicht viel geändert. Noch heute macht ein Briefträger, was er vor vielen Jahren gemacht hat: Post austragen. Während der Lehre mussten die damaligen Postbeamten die ganze Schweiz nach Postleitzahlen kennen. Das half für die Sortierung enorm. «Früher kam die Post mit den Bahnwagen und morgens um vier Uhr musste man am Bahnhof die Post ausladen und sie dann austragen. Auch haben wir noch Telegramme, Expresssendungen und die AHV zugestellt», erzählt der 65-jährige Urs Friedli. Die Zeitungen, etwa die Coop- oder Migroszeitung, wurden damals noch von Hand für die jeweiligen Abonnenten angeschrieben. Da gab es auch mal unzufriedene Gesichter: «Mit der Zeit schrieb man etwa beim Namen Affentranger nur noch ‹Aff› auf die Zeitung, was dann beim Empfänger nicht sonderlich gut ankam. Das war aber nie böse gemeint, sondern eine Abkürzung, denn wir wussten ja genau, wer gemeint war», erzählt er lachend. «Manchmal waren wir am Nachmittag nur für die AHV unterwegs und hatten 30 000 bis 40 000 Franken bei uns. Das Geld verteilte man auf verschiedene Hosen- oder Jackentaschen. Passiert ist zum Glück nie etwas», erzählt er heiter. Heute kaum mehr denkbar. «Da kam es dann schon auch vor, dass man für die ‹AHV-Tour› etwas länger hatte, denn die Pensionierten hatten Zeit zum Plaudern, und ab und zu gab es auch ein Schnäpschen für den Briefträger», schmunzelt Friedli an die Zeit zurückdenkend. Die Briefkästen waren früher alle nahe beim Hauseingang, und so waren der Kontakt und das Plaudern schon noch öfters vorgekommen als heute. «Die meisten Hausfrauen waren zu Hause, heute sind die meisten am Arbeiten», stellt Friedli fest.
Irgendwann kamen dann die Briefzentren wie etwa Härkingen und der Bahntransport wurde auf den Strassentransport verlegt. Alles wurde zentralisiert, die Poststellen mit den Posthaltern in den Dörfern verschwanden nach und nach. Mit der Digitalisierung wurden auch die Briefe weniger, allerdings sei die Zahl der Pakte nach wie vor gross. «Wir sind dankbar, dass wir noch immer den ‹Unter-Emmentaler› vertragen dürfen. Dieser sichert uns ganz klar Arbeitsplätze», erzählt er. Nicht alle Veränderungen seien schlecht, und von diesen hat Urs Friedli in den 49 Jahren viele miterlebt. «Die Modernisierung hat vieles einfacher gemacht und wir sind damit schneller geworden. Die meisten Änderungen empfand ich als positiv und habe sie unterstützt. Es gab aber auch einige, die ich murrend mitgemacht habe», gibt er lachend zu.

Schätzte die Abwechslung
Bis Ende 1978 blieb Urs Friedli auf der Poststelle in Langenthal, wechselte nach Burgdorf und 1985 nach Her­zogenbuchsee, machte dort über viele Jahre Ablösungen in Oberbipp, Bütz­berg und Roggwil und hatte somit eigentlich nie eine feste Tour. Das wäre ihm zu langweilig gewesen. Denn er schätze es, verschiedene Poststellen und verschiedene Touren kennen zu lernen. «In Oberbipp musste ich jeweils im Frühling und im Herbst der Posthalterin den Garten umkehren, dafür musste ich am Nachmittag dann die Zeitungen nicht austragen», erinnert er sich lachend. Sowieso war ein Briefträger früher fast ein Mädchen für alles. «Bei den Kunden hiess es jeweils, wenn du schon da bist, kannst du mir gleich etwas helfen.» Und so wurde manch ein Schrank mit Hilfe des «Pöschteler»verschoben, oder er trug etwas in den Keller. Das habe halt einfach dazu gehört. Gestört haben ihn solche Dienste nie, denn der Kontakt zu den Menschen war ihm immer wichtig. Darum hat er sich ja auch für den Beruf entschieden. «Mein Vater hatte ein Sattler-Geschäft und ich habe ihm viel geholfen. Aber das ‹Drinnensitzen› war nichts für mich, ich wollte raus und Kontakte haben.» Als Briefträger ist man jedem Wetter ausgesetzt, was ihm nie etwas ausgemacht hat. «Er trägt nie Regenhosen, ausser es schüttet wie aus Kübeln», erzählt Doris Baumgartner, stellvertretende Teamleaderin in Huttwil. Er habe immer gesagt: «So stehe ich halt ein bisschen unter ein Hausdach und warte, bis es vorbei ist», oder «das trocknet ja wieder.»

Teamleader in Huttwil
2015 trat Urs Friedli also dann die Stelle als Teamleader in Huttwil an. 15 Briefträgerinnen und Briefträger auf elf verschiedenen Touren hören auf seine Befehle. Obwohl dies wohl zu barsch ausgedrückt ist. Denn Doris Baumgartner hat nur lobende Worte für ihren Chef: «Er hat sich immer für uns eingesetzt und stand für unser Team ein. Wenn es Probleme gab, hatte er die Lösung stets schon parat. Und wenn jemand frei wollte, hat es nie ein Nein gegeben, wenn es irgendwie machbar war. Es ist schade, wird er jetzt pensioniert, er wird uns fehlen. Aber wir gönnen ihm die nun folgende Ruhe.» Für Urs Friedli waren die Anerkennung und der Dank an das Team immer ein wichtiger Punkt, was man auch deutlich spürt. Es könnte sein, dass heute an seinem letzten Arbeitstag eventuell die eine oder andere Träne fliesst.
Als Teamleader hatte er vor allem den inneren Bereich, also Huttwil, unter seinen Fittichen. Für Eriswil, Wyss­achen, Schwarzenbach und Gondiswil ist die stellvertretende Teamleaderin zuständig. Obwohl der Arbeitstag um sechs Uhr startet, war Urs Friedli immer schon kurz nach fünf Uhr auf der Post. Büroarbeiten erledigen, Post sortieren, Postfächer einfächern, Bezirke einfächern, Fahrzeuge beladen, auf Tour gehen und die Post verteilen, und dann noch einmal Büroarbeiten erledigen. Das waren die Arbeitstage vom «Friedli», wie er von allen Arbeitskolleginnen und Kollegen genannt wird.
Beim Besuch des «UE» auf der Post wird spürbar: Man mag den Urs Friedli. Denn alle anwesenden Mitarbeitenden lachen herzlich und können es nicht unterlassen, einige Sprüche in die Richtung des Chefs fahren zu lassen. Dieser entgegnet nicht viel und lächelt in seiner zufriedenen und kaum aus der Ruhe zu bringenden Art. Huttwil verliert mit der Pensionierung von Urs Friedli einen liebenswerten, singenden und pfeifenden «Pöschtu», der für seinen Beruf gelebt hat, manchmal die Vorgaben elegant umging, der Post aber nie Schaden zufügte und bei dem der Kunde stets König war. «Ich bin dem ganzen Team in Huttwil sowie den Kundinnen und Kunden, denen ich die Post zustellen durfte, sehr dank­bar für das Vertrauen und die gute Zeit», sagt Urs Friedli gerührt.
Wie war es eigentlich mit Hundebissen? «Ja natürlich», lacht er herzlich. Drei haben ihn in all den Jahren gebissen. Tiefe Bisse, die die Starrkrampf­spritze erforderten. Das sei aber nicht weiter tragisch für ihn gewesen, er sei immer wieder auf Tour gegangen und sei nicht in Panik verfallen deswegen.

Langweilig wird es garantiert nicht
Bereut hat er nie, dass er Briefträger gelernt hat. «Aber ob ich den Beruf heute noch einmal erlernen würde, weiss ich ehrlich gesagt nicht. Vielleicht würde ich eher Bauer oder Polizist lernen», sinniert er. «Ich hatte wunderbare 49 Jahre und eine sehr schöne Zeit bei der Post. Aber jetzt ist es genug, ich habe es gesehen und freue mich auf die Pension.» Als erstes fährt er zusammen mit seiner Frau Madlen eine Woche nach Saas Fee. «Das habe ich mir seit Jahren so vorgenommen.» Und dann will er die Ruhe, die Zeit und das Familienleben mit seinen vier erwachsenen Kindern und dem Grosskind geniessen. Und doch auch mal ein wenig länger schlafen, nichts müssen. «Und vor allem unter der Woche mit meiner Frau zu Mittag essen können», lacht er. Auf die faule Haut legen will er sich aber nicht. Endlich will er seinem Schwager etwas mehr helfen auf dem Bauernbetrieb. Der Feuerwehrverein, der Männerchor Leimiswil, der Schützenverein, be­reits ein geplanter Einsatz als OK-Mitglied im nächsten Jahr an der 25-Jah­r-Feier der Schweizer Hochlandrinderschau, Haus und Umschwung zu Hause in Leimiswil pflegen … Langweilig wird es Urs Friedli garantiert nicht.

Von Marianne Ruch