• Konrad Steffen lässt sich nach seinem Kranzgewinn am «Eidgenössischen» von der gewaltigen Zuschauerkulisse feiern. · Bilder: Stefan Leuenberger

  • Schwingerkönig Christian Stucki war einer der ersten Gratulanten.

  • «Könu» wird zum «Eidgenossen» gekrönt.

21.03.2023
Sport

«Alle hatten sie Tränen in den Augen»

Der 28-jährige Konrad Steffen vom Schwingklub Sumiswald hat am «Eidgenössischen» 2022 in Pratteln den Kranz gewonnen. Im Interview blickt er auf seinen bislang grössten Erfolg zurück.

Schwingen · Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Konrad Steffen, Schwingklub Sumiswald 

Sie sind nach dem Gewinn des Eidgenössischen Kranzes am ESAF 2022 in Pratteln – Ihrem bislang grössten Erfolg – direkt in die Ferien nach Kanada gereist. Warum?
Diese Ferien waren schon lange geplant und mussten wegen Corona bereits zweimal verschoben werden. Ich habe mich sehr darauf gefreut. Es war wie eine persönliche Belohnung nach der intensiven ESAF-Zeit.

Der Schwingklub Sumiswald und die Gemeinde Sumiswald führten in Abwesenheit von Ihnen eine «Feier der Eidgenossen» durch. Wie sehr hat es Sie gefuxt, dass Sie – als einer der zwei Protagonisten – diese und weitere Anerkennungen für Ihren Grosserfolg verpasst haben?
Die schönste Belohnung hatte ich mit den Ferien mit meiner Partnerin. Aber natürlich wäre ich auch gerne bei dieser Feier dabei gewesen. Dank einer Videozuschaltung und via Social Media war ich aber trotzdem auch ein bisschen dabei.

Gab es für Sie anderweitige Ehrungen nach der Ferienrückkehr?
Nein. Aber vorher. Wir sind am Dienstagmorgen nach dem ESAF geflogen. Am Montagabend gab es eine kleine Überraschungsfeier, von der ich nichts wusste. Was meine Eltern da organisiert haben, hat mich extrem gefreut. Es waren 30 bis 40 Leute da, darunter auch zahlreiche Schwingkameraden. Es war wunderschön.

Sie haben bisher 15 Kränze gewonnen. Jener am «Eidgenössischen» war mit Abstand der wertvollste. Sie haben sich diesen Kranzgewinn im Vorfeld zum Ziel gesetzt. Wie schwierig war es, diese ambitionierte Zielsetzung zu realisieren?
Druck habe ich nie verspürt, da ich noch keinen Teilverbandskranz gewonnen habe. Ich habe mir aber vorgenommen, alles Menschenmögliche zu tun, um am nur alle drei Jahre stattfindenden Grossanlass die Bestleistung abzuliefern. Ich war topmotiviert und voll überzeugt, es schaffen zu können. Diese Einstellung habe ich acht Gänge lang durchgezogen. Und so hat es schliesslich geklappt.

Sie haben fünf der acht Gänge gewonnen. War der Sieg über den «Eidgenossen» Martin Roth (Waldstatt) im dritten Gang Ihr sportliches ESAF-Highlight?
Dies war ein schöner Erfolg. Sportlich noch wertvoller war aber der letzte Kampf. Im achten Gang konnte ich den starken Turnerschwinger Werner Suppiger aus Wauwil – 43-facher Kranzgewinner – mit der Maximalnote 10,00 auf den Rücken legen. Dieser Sieg war nötig, um den Kranz zu gewinnen.

Anschliessend brachen alle Dämme. Ihre Brüder, Ihr Cousin und die anderen Sumiswalder Schwingklubkameraden rannten auf Sie zu und feierten Sie. Dann durften Sie sich vor der Berner Zuschauertribüne feiern lassen. Unvergesslich.
Es war unglaublich schön, als meine jahrelangen Wegbegleiter im Schwingen auf mich zurannten und sich mit mir über den Kranzgewinn freuten. Einmalig war auch, wie ich mir beim Berner Publikum den Lohn für meinen Kranzgewinn abholen durfte. Von so vielen Leuten gefeiert zu werden, ist atemberaubend, «Hühnerhaut»-Feeling pur.

Was war das emotionalste ESAF-Erlebnis für Sie?
Dies passierte etwa eine halbe Stunde nach meinem letzten Gang und dem damit verbundenen Kranzgewinn. Ich traf auf meine Freundin, meine Eltern und meine Schwester – alle hatten sie Tränen in den Augen. Ich habe meinen Vater vorher noch nie weinen gesehen. Da wurde mir erst so richtig klar, dass etwas nicht Alltägliches passiert ist.

Geradeso gut hätten auch Ihre zwei Jahre jüngeren Zwillingsbrüder Gustav und Valentin den ESAF-Kranz gewinnen können. Wieso haben Sie es – nicht aber Ihre Brüder – geschafft?
Ich wollte es in Pratteln von allen drei am meisten. Dazu hatte ich das nötige Wettkampfglück. Ich bin aber ganz fest überzeugt, dass in drei Jahren auch meine Brüder den Eidgenössischen Kranz holen werden.

Gab es familiären Neid? Gustav beispielsweise war bereits an drei «Eidgenössischen» dabei und hat sieben Kränze mehr gewonnen als Sie.
Neid gibt es bei uns nicht. Und das ist schön so. Jeder gönnt es dem anderen. Jeder steht für den anderen ein. Mein Erfolg dient vielmehr als Motivation. Meine Brüder haben gesehen, dass es möglich ist. Es pusht sie.

Apropos Neid: Sie sind Mitglied im Schwingklub Sumiswald und damit Klubkollege von Matthias Aeschbacher. Dieser hat sich zum absoluten Spitzenschwinger entwickelt und steht – so auch am ESAF in Pratteln – immer im Scheinwerferlicht. Müht Sie die ständige Schattenrolle – selbst bei persönlichen Grosserfolgen wie dem Kranzgewinn am «Eidgenössischen»?
Auf keinen Fall. «Disu» macht einen hervorragenden Job. Er ordnet dem Schwingen alles unter, organisiert seine Familie und seinen Beruf dementsprechend. Er trainiert Woche für Woche hochprofessionell. Ausserdem macht er als Technischer Leiter beim Schwingklub Sumiswald einen hervorragenden Job. Er ist unsere Speerspitze, ganz klar. Zudem ist «Disu» ein absolut «gmögiger» Typ. Er hat den Erfolg absolut verdient. Anders würde ich sprechen, wenn er den ganzen Tag nur Chips fressen würde (lacht).

In Ihrem Verein gibt es neben den vier «Eidgenossen» Matthias Aeschbacher, Patrick Schenk, Damian Gehrig und Ihnen viele weitere aktive Spitzenschwinger. Was macht den Schwingklub Sumiswald so stark?
Unser Einzugsgebiet ist gross, das hilft. Die Qualität unserer Trainings ist sehr hoch. Der Klub ist sehr gut organisiert. Im Nachwuchsbereich wird hervorragende Arbeit geleistet.

Wie sind Sie ins Sägemehl gekommen?
Ganz klar durch meinen Vater. Er hat in seiner Aktivkarriere zehn Kränze und das Jurassische Schwingfest gewonnen. Durch ihn kam ich früh mit dem Schwingen in Verbindung. Im Alter von sieben Jahren habe ich dann selber begonnen.

Wieso wurden Sie nicht Eishockeyspieler?
Ich habe immer oft und gerne Eishockey gespielt. Und tue dies immer noch. In einem Eishockeyclub war ich aber nie. Schliesslich habe ich mich für das Schwingen entschieden. Aber auch das Eishockey habe ich beibehalten. Ich spiele im «Bärner-Cup», der Freizeit-Eishockeymeisterschaft im Kanton Bern, im Team «Grasswiler Ice Tigers» mit. Das macht mir als Ausgleich zum Schwingen sehr grossen Spass.

Schwingen statt Eishockey als Hauptsportart. Was fasziniert Sie am meisten an der urtypischen Schweizer Zweikampfsportart?
Der Kampf Mann gegen Mann. Ich kann mich nicht hinter einem Team verstecken. Es ist eine Einzelsportart. Die Entscheidungen, welche ich treffe, haben 1:1-Auswirkung auf Sieg oder Niederlage.

Ihr Vater Ueli Steffen ist Präsident des Schwingklubs Sumiswald. Stellt dies für Sie ein Problem dar?
Nein, auf keinen Fall. Ausserdem wirkt der Vereinsvorstand im Hintergrund. Wir Aktiven haben nicht viel mit dem Vorstand zu tun. Mein Vater macht einen sehr guten Job.

Die Saison 2023 hat begonnen. Wie sehen Ihre Zielsetzungen aus?
Mein grösstes Ziel ist die Teilnahme am «Unspunnen». Weiter möchte ich gerne am Bernisch-Kantonalen Schwingfest den Kranz gewinnen.

Was möchten Sie im Schwingen unbedingt noch erreichen?
Ich habe mir in der Tat die Frage gestellt, ob ich nach dem «Eidgenössischen» 2022 noch weiterschwingen soll oder nicht. Dabei wurde mir klar, dass ich noch hungrig bin und weiterhin ins Sägemehl steigen will. Bis zum «Eidgenössischen» 2025 im Glarnerland werde ich deshalb auf jeden Fall weiter aktiv bleiben.