• Maya Eigenmann (links) und Dorette Balli machten beim Kalender 2022 mit. «Wir wollen den jungen Frauen die Angst vor dem Alter nehmen.» Sie sind sich aber bewusst, dass es nicht nur ein paar «Füdliblutte-Bildli» braucht, um Frauen, auch in der heutigen Zeit, zu stärken. · Bild: Barbara Heiniger

  • Die Kalenderblätter sind mit Texten ergänzt: Januar: «Lebenslust statt Altersfrust. Wir leben in der Ära der couragierten Grossmütter und wachsen in der Anzahl. Wir haben viel gewonnen, nichts zu verlieren und sind deshalb nicht einzuschüchtern. Wir reden Klartext!» · Kalenderbild: Kathrin Schulthess/zvg

  • März: «Unsichtbar? Sieh genau hin! In den Medien stagnierte zwischen 2015 und 2020 die Anzahl der Beiträge, in denen Frauen erwähnt wurden, auf dem tiefen Niveau von durchschnittlich 23 Prozent. Alte Frauen werden noch seltener erwähnt oder gezeigt. Wir sind und bleiben aber da!» · Kalenderbild: Kathrin Schulthess/zvg

  • August: «Alt, aber laut! Gemäss neuen Studien werden Frauen ab 40 Jahren immer selbstbewusster und lassen die Männer damit weit hinter sich. Mit dem hohen Alter steigt unser Selbstbewusstsein nur weiter!» · Kalenderbild: Kathrin Schulthess/zvg

17.12.2021
Oberaargau

Alt, aber laut, – voller Tatendrang und Erinnerungen

Mit dem Jahreskalender «Nackte Tatsachen 2022» realisierte die Grossmütter-Revolution ein geniales Projekt. Frech, witzig, hintergründig, politisch und verblüffend direkt zeigen die Kalenderfrauen mit ihrer nackten Haut viel Selbstbewusstsein. Das Bild der Frauen von «Jugend und Schönheitswahn» oder «Alter ohne Gesicht»wird mit wertvollen Körpern ersetzt. Mit etwas Goldglanz und ein paar Farbtupfern zeigen die Fotos eindrücklich: Es ist schön, eine alte Frau zu sein.

Oberaargau · «Wir wollen den jungen Frauen die Angst vor dem Alter nehmen. Es gibt nicht nur Defizite, sondern ganz schöne Seiten in dieser Lebensphase», diese Aussage ist Dorette Balli und Maya Eigenmann wichtig. Die beiden engagierten «Models» machten beim Kalender 2022 mit und sind sich bewusst, dass es nicht nur ein paar «Füdliblutte-Bildli» braucht, um Frauen, auch in der heutigen Zeit, zu stärken.

Sichtbar machen und hörbar sein
Die Grossmütter-Revolution steht für die Generation der Frauen ab gut fünfzig Jahren. Sie ist offen für alle Frauen, egal welchen Zivilstandes und ob sie Grossmütter sind oder auch nicht. Seit 2010 ist das Migros-Kulturprozent Trägerschaft des Gesamtprojekts. Die Projektleitung ist verantwortlich für die Gesamtleitung und ist erste Ansprechperson im Migros-Kulturprozent. Die Grossmütter-Revolution versteht sich als soziale Bewegung. Sie verzichtet daher bewusst auf eine Vereinsstruktur mit verbindlichen Mitgliedschaften. Es wurden aber Gefässe geschaffen, um handlungsfähig zu sein. Das Matronat unterstützt die Projektleitung bei der inhaltlichen Planung der Veranstaltungen und ist Sounding-Board für die Weiterentwicklung des Gesamtprojekts. 2017 wurden mit regional verankerten Gruppen neuen Frauen der Zugang zur Grossmütter-Revolution erleichtert. Die Regionen organisieren sich selber und bestimmen die Themen, die sie bearbeiten. Nach regionalen Gegebenheiten, den mitmachenden Frauen, Interessen und Notwendigkeiten entstehen diese. «Wir können damit die Frauen sichtbar machen und werden gehört, denn es gibt von der älteren Generation noch viel zu sagen», weiss Maya Eigenmann.

Grau, fürsorglich, aber nicht genügsam
Die Erfahrung gibt den älteren Frauen einen festen Boden und Selbstbewusstsein. Das Bild in den Köpfen der Gesellschaft vom genügsamen, fürsorglichen Grosi wird in der aktiven Grossmütter-Revolution verändert. «Ich bin grau, fürsorglich, aber nicht genügsam», hält Dorette Balli deutlich fest. Sie war bereits bei der Gründung der Grossmütter-Revolution Region Oberaargau dabei und bildet heute mit Maya Eigenmann, Irmgard Bayard und weiteren vier Frauen das Team im Regio-Forum Oberaargau. Zusammen mit Irmgard Bayard, der Frau der ersten Stunde, reiste sie zu einem Treffen nach Basel, und von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die älteren Frauen im Oberaargau deutlich hörbar wurden. Das Netzwerk unter den Frauen ist für Irmgard Bayard eine der grossen Stärken, speziell auch in den ländlichen Regionen. Starke Frauen, die sichtbar sind und bleiben, sind ein Hauptgrund für das Engagement der Grossmütter-Revolution.

Persönlicher Einsatz
In den Arbeitsgruppen wird bei der Grossmütter-Revolution von den Frauen mit persönlichem Einsatz grosse Arbeit geleistet. Neue Arbeitsgruppen werden immer wieder gegründet oder neue Anliegen von einer bestehenden Gruppe aufgenommen. So entstehen Projekte wie eben der Kalender «Nackte Tatsachen 2022». «Wir waren beide während Jahren in der Politik aktiv, aber ein so grosses Echo wie auf ein Stück nackte Haut bekamen wir bisher nie», stellten Maya Eigenmann und Dorette Balli mit einem feinen Lächeln fest. Dies zeigt deutlich, ob Grösse XS oder XL, wahre Schönheit kommt von der Ausstrahlung. Den Mut, den die zwölf Frauen hatten, um für die Kalenderfotos vor die Kamera zu treten, zeigt ihr Selbstbewusstsein. Sicher wird dieses bei einigen älteren Frauen durch das Betrachten der Bilder jeden Monat im 2022 auch erneut gestärkt.
Zu sehen ist, dass diese Frauenkörper gelebt, geliebt und gelitten haben. Narben, Falten, Fettpolster und Hängebusen zeigen aber eine andere Art von Schönheit. Da ist kein Supermodel zu sehen, aber es werden auch keine Verhüllungen wie beispielsweise mit einer Burka gemacht. Dies getreu nach den Slogans der Kalenderblätter wie: «Lebenslust statt Altersfrust», «Erfahrung ist unser Kapital», «Unsichtbar? Sieh genau hin!», «Aussen antik, innen kostbar» oder «Das Alter steckt voller Erinnerungen und voller Tatendrang». Eine alte Frau zu sein ist schön, dies beweisen Dorette Balli und Maya Eigenmann zusammen mit den anderen «Kalendermodels».

Gut zu wissen
Der Kalender kostet 14.90 Franken und ist unter www.grossmuetter.ch, im Museum Langenthal oder im Buchzeichen Langenthal erhältlich.

Von Barbara Heiniger