• In der TV24-Fernsehshow «Ninja Warrior» begeisterte Michelle Hulliger aus Ramsei mit einer grandiosen Performance im schwierigen Hindernisparcours. · Bilder: zvg

  • Michelle Hulliger im Element. Derzeit muss die Spitzen-Sportkletterin wegen der Coronavirus-Krise aber auf Wettkämpfe verzichten. · Bild: zvg

  • Michelle Hulliger. · Bild: zvg

14.05.2020
Sport

Auch bei «Ninja Warrior» eine Kletterwucht

Die 20-jährige Michelle Hulliger aus Ramsei ist nach grossen Veränderungen in ihrem sportlichen Umfeld und der überstandenen Coronavirus-Krise bereit, auch bei der Elite im Sportklettern voll durchzustarten. Dies ist ihr bei der Teilnahme an der bekannten TV-Show «Ninja Warrior» Switzerland bereits eindrücklich gelungen.

Michelle Hulliger, Sportkletterin aus Ramsei · «Ich bin immer guter Dinge und hadere während der Coronavirus-Krise nicht», erklärt Michelle «Misch» Hulliger. Die vielfache Nachwuchs-Schweizermeisterin im Sportklettern konnte ihre grosse Liebe auch in den vergangenen Wochen ausüben. «Es ist ein Privileg, dass ich im nicht mehr benutzten Spycher direkt neben meinem Zuhause über einen eigenen von meinem Vater eingerichteten Trainingsraum samt Kletterwand verfüge. Dies weiss ich enorm zu schätzen», sagt die auf dem Ramseiberg lebende Bankkauffrau. «In diesem Spycher konnte ich jederzeit trainieren. Ich habe immer neue Routen erstellt.»

Trotz Corona gute Trainingsqualität
Für die Ramseierin steht fest, dass sie auch während der bisherigen Coronavirus-Krise gut trainieren konnte. «Ich habe neben dem Klettertraining viel in die Kräftigung investiert.» Was Hulliger nicht ausüben konnte, war das Laufen. «Schläge musste ich unbedingt verhindern, um meine Knochenhautentzündung am Schienbein auszukurieren.» Die Heilung schritt gut voran. Mittlerweile hat sie auch das Lauftraining, welches sie zum Ausgleich betreibt, wieder aufgenommen. Zudem ist das Training in der Kletterhalle seit Montag wieder möglich. «Vermisst habe ich es schon ein bisschen, weil die Möglichkeiten halt viel grösser sind und die Abwechslung dem Sportklettern Frische verleiht. Meine Alternative war aber super.»

Neuer Trainer, neuer Trainingsort
Hulliger besucht für ihre Spitzensport-Trainings neu auch das Kletterzentrum Lenzburg («Kraftreaktor»). Zudem ist sie in den Hallen in Biel im Leistungszentrum, in Bern und Zürich sowie weiteren Orten in der Schweiz kletternd zugegen. Sie wird von ihrem neuen Trainer Thomas von Arx betreut. 2019 war für Michelle Hulliger ein wichtiges Umbruchjahr. «Viele Veränderungen drängten sich auf.» So ging mitunter die Zusammenarbeit mit ihrem Jugendtrainer Hans Gerber zu Ende. 13 Jahre lang hatte er Michelle Hulliger betreut, ist ihren Weg zur Schweizer Elite-Sportkletterin mitgegangen. «Ich wäre ohne Hans nicht dort, wo ich jetzt bin. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken. Trotzdem war es Zeit für eine Veränderung», informiert die Juniorinnen-Europameisterin von 2017. «Die neuen Wege und der neue Trainingsort tun mir gut.» Der Mut zur Veränderung im letzten Jahr – dem ersten Elitejahr von Michelle Hulliger – soll sich bald auszahlen. «Ich bin mir sicher, dass ich einen weiteren Schritt nach vorne tun kann.» Die 20-Jährige arbeitet 50 Prozent als Bankfachfrau bei der Ersparniskasse Affoltern. Die restlichen 50 Prozent steckt sie ins Klettersport-Training. «2019 klappte es noch nicht wunschgemäss. Ich konnte meine Trainingsleistungen im Wettkampf nicht abrufen.»

Sportliches Highlight am Fels
Dass Michelle Hulliger 2020 kaum Wettkämpfe bestreiten kann, ist für sie gar nicht so schlimm. «Klettern ist für mich primär Freiheit und Freude.» Und diese lebt sie am liebsten in der Natur aus. So nennt sie als Highlight des sportlich nicht einfachen Jahres 2019 ein herbstliches Klettererlebnis in der freien Natur. «Der Durchstieg in der Route Tornado Power in Gimmelwald im Berner Oberland war ein Erlebnis. Mit der Schwierigkeit 8c war dies bisher meine schwierigste je gekletterte Route.» Gefährlich war dieser Effort am Fels nicht. «Ich klettere nie ungesichert.»

Bei «Ninja Warrior» glorreich
Das Jahr 2019, welches sportlich einen 14. Rang an der Europameisterschaft in Edinburgh brachte, beinhaltete eine weitere Besonderheit. Die lebensfrohe und abenteuerlustige Emmentalerin wurde von Freunden ermutigt, am beliebten Fernsehformat «Ninja Warrior Switzerland» teilzunehmen. Und sie verblüffte im August 2019 im Casting zur zweiten Staffel sowohl das Produktionsteam wie auch die Konkurrenz. Hulliger setzte die Faktoren Ausdauer, Durchhaltevermögen und Schnelligkeit auf dem Hindernisparcours dermassen gekonnt um, dass sie viele männliche Mitstreiter uralt aussehen liess. «Ich hatte null Erwartungen und war über das gute Abschneiden erstaunt.» Hulliger schaffte es ins Live-Programm der grossen TV24-Fernsehkiste. Im August 2019 war der Drehtermin. Was sie dann in der vierten Vorrundenshow, die am 19. November 2019 gesendet wurde, auf dem Hindernisparcours zeigte, entlockte dem Moderatoren-Duo Maximilian Baumann und Chris Bachmann Aussagen wie «Wow, schau mal wie hoch sie schwingt», «Diese Technik ist unglaublich», «Das ist eine Ansage», «Standing Ovation, das Hallenstadion steht» oder «Alle drehen durch». In der Tat, die Sportkletterin bezwang in ihrem Qualifikationslauf die Hindernisse Fünfsprung, schwingende Säule, Kugelbrücke, schwingende Reifen und Armkurbel in etwas über drei Minuten praktisch mit spielender Leichtigkeit – und tosendem Anfeuerungsjubel der Zuschauer. Erst an der finalen Ninja-Wall scheiterte sie dann dreimal. Kein Wunder: Michelle Hulliger ist 1,57 m klein und die Wand 4,25 m hoch … Gleichwohl qualifizierte sich Michelle Hulliger für den Halbfinal. Und zwar als bis zu diesem Zeitpunkt beste Frau, die je bei Ninja Warrior mitgemacht hat. Im Halbfinal-Durchgang mit neuen Hindernissen legte sie wieder einen famosen Start hin und bezwang das Hindernis Stimmgabel problemlos. Dann kamen die schwingenden Reifen, wo sie mit ihrer geringen Reichweite Probleme hatte. Um den nächsten Ring besser zu erreichen, gab sie diesem mit einem Fuss einen Stoss. Dies war – und dies war Michelle Hulliger nicht bewusst – ein Regelverstoss. Damit schied eine Mitfavoritin auf den Titel «Last Woman Standing» wegen einem Eigenfehler aus. Hulliger hätte absolutes Potenzial gehabt, die Show sogar zu gewinnen. «Es war eine gute Erfahrung. Es hat Spass gemacht. Der um diese Teilnahme entstandene Medienrummel war aber nicht meins. Darum habe ich nicht vor, noch einmal anzutreten.»

EM in Moskau im Fokus
Das Kletterjahr 2020 wird nicht viele Kräftemessen beinhalten. «Ich glaube nicht daran, dass die im August angesetzten Weltcup-Wettkämpfe stattfinden können», sagt Hulliger. Sie richtet den Fokus auf die Europameisterschaft, welche vom März in den Oktober verschoben wurde. «Ich möchte in Moskau in meiner Paradedisziplin Lead einen starken Wettkampf abliefern.»

Von Stefan Leuenberger