• Das atemberaubende Panorama mit Blick auf die Berner Alpen, aber auch auf den Jura beim Hof Vorder Schönenthül begeistern Christoph (links), Adrian und Rahel Held Tag für Tag. · Bilder: Thomas Peter

  • Kräuterbauer Bruno Aebi vom Hof Eiberg.

  • Michael Flückiger und sein offener und grosszügiger Stall.

  • Blick zurück zum Hof Rossboden.

  • Bei den Höfen sind Infotafeln angebracht.

  • Blumenpracht beim Hof Vorder Schönenthül.

  • Einer der Hofläden entlang des Lehrpfades.

  • Isabelle Hollenstein, Gemeindepräsident Martin Friedli und Biobauer Beat Eggimann (im Vordergrund) gemeinsam unterwegs von Biobauernhof zu Biobauernhof.

21.03.2023
Emmental

Auf den Spuren der Sumiswalder Biobauern

In Sumiswald wurde vor wenigen Tagen der allererste Bio-Lehrpfad im Kanton Bern von Bio-Bern und Emmental Tourismus vorgestellt. Die 16 Kilometer lange Rundstrecke führt an sechs Sumiswal­der Biobauernhöfen vorbei, auf denen die Wandernden oder Velofahrenden Biobauernhofluft schnuppern und viel Wissenswertes erfahren dürfen. Weitere Bio-Lehrpfade im Kanton Bern werden folgen und auf den Erfahrungen von Sumiswald aufbauen.

Sumiswald · Ein strahlender Gemeindepräsident Martin Friedli liess es sich nicht nehmen, an der Eröffnung des Berner Bio-Lehrpfades am vergangenen Freitag teilzunehmen und eine Teilstrecke, die vom Rossboden zum Vorder Schö-nenthül führte, auf Schusters Rappen zurückzulegen. «Dass sich der erste Berner Bio-Lehrpfad in Sumiswald befindet, freut mich natürlich sehr. Und dass so viele auch junge Bauern in unserer Gemeinde die Biolandwirtschaft pflegen, finde ich sehr schön.» Nun hoffe er natürlich, dass der Bio-Lehrpfad auch rege genutzt und sich vielleicht auch touristisch auswirken wird. «Es ist einfach toll, dass man das hier bei uns in unserer wunderschönen Landschaft erleben darf.»

Hohe Biohofdichte in Sumiswald
Dass der allererste Bio-Lehrpfad im Kanton Bern ausgerechnet in Sumis­wald startet, kommt nicht von Ungefähr. Die Gemeinde weist eine überdurchschnittlich hohe Dichte an Biolandwirtschaftsbetrieben auf. Gegen 30 der rund 150 Höfe in Sumiswald sind Biohöfe. Sechs davon beteiligen sich nun am Projekt «Bärner Bio-Lehrpfad», der mit einem Medienanlass offiziell eröffnet wurde.
Doch wozu braucht es einen solchen Lehrpfad, da doch Bio längst in aller Munde und — weiter zunehmend —auch in vieler Mägen ist? Sabine Vogt von Bio Bern sieht da gleichwohl grossen Informationsbedarf: «Unser Ziel ist die Aufklärung und Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten für die Biolandwirtschaft, die Ökologie und die Natur. Was heisst es, biologisch zu produzieren, was und wer steckt alles dahinter? Wir wollen die Konsumierenden und die Biobauern zusammenführen.» Genau so sieht es auch Isabelle Hollenstein, Leiterin von Emmental Tourismus: «Das Besondere ist, dass man hier auf den Hof gehen kann. Man sieht die Menschen hinter den Produkten vor Ort.» «Und jeder der sechs Höfe hat etwas ganz Spezielles, das man hier miterleben kann», führte Sabine Vogt dazu weiter aus. «Miterleben» heisse nun aber nicht, dass die Bauern den ganzen Tag Hofführungen anbieten oder die Gäste bei Haus und Stall ein- und ausgehen können, wie sie wollen. Der Normalbetrieb gehe natürlich weiter.

Alltag eins zu eins
Was aber erwartet die Wandernden und Velofahrenden auf dem Bio-Lehrpfad? Wer sich spektakuläre Attraktionen mit Spiel, Spass und Herausforderungen oder einen Kinderwettbewerb erhofft, muss die Erwartungen revidieren. Das würde dem Ziel des Bio-Lehrpfades widersprechen, der schlicht und einfach den Alltag auf einem «normalen» Biohof eins zu eins zeigen möchte. Hingegen wurden selbsterklärende Infotafeln aufgestellt, die den Hof, ihre Menschen und ihre Produkte beschreiben und aufzeigen welche Ideologien dahinter stecken. Sicher geben die Bäuerin oder der Bauer auch gerne Auskunft, wenn es die Zeit ergibt oder führen mal zu den Tieren, die man streicheln darf. Abwechslung wird aber anderweitig geboten, denn kein Betrieb gleicht dem anderen.
Der Hof Rossboden der Familie Flü­ckiger liegt ziemlich abgelegen in ruhiger Umgebung auf der Kleinegg mit Direktblick auf Sumiswald. Michael Flückiger hat den Hof 2016 übernommen und führt ihn in der vierten Generation weiter. Der Haupterwerb ist die Milchviehhaltung (26 bis 30 Kühe) mit eigener Nachzucht. Daneben werden 50 bis 60 Biomastschweine gehalten. Zudem weist der Betrieb auf 22 Hektaren Nutzfläche eine Hektare Wald, Ackerbauflächen und 70 Hochstammbäume auf. Der Betrieb wurde 1995 auf Bio umgestellt. «Ich kenne nichts anderes und mache dies aus Überzeugung weiter», betont der 37-jährige Michael Flückiger. «Es ist immer wichtig, dass man als Bauer hinausträgt, was man macht. Der Abstand zwischen Konsumenten und Produzenten wird immer grösser.» Dies hat ihn motiviert, beim Bio-Lehrpfad mitzumachen. Als Besonderheit seines Hofes nennt er den offenen, hellen Stall, den man in dieser Grosszügigkeit nur selten finde.

Atemberaubendes Panorama
Der Lehrpfadweg führt vorbei an Wies­land durch den Wald auf die Anhöhe, wo sich ein wunderbares Alpenpanorama präsentiert. Nach gut zwei Kilometern erreicht man den Hof Vorder Schönenthül, von wo sich auch der Blick auf den Jura eröffnet. Mit ein wenig Glück darf man hier zudem ein besonderes Schauspiel miterleben, wenn alle 13 Hofkatzen auf den Fenstersimsen des Bauernhauses gleichzeitig die Sonnenstrahlen geniessen, was gar nicht so selten ist. Hier bewirtschaften Therese und Christoph Held den Hof in der Generationengemeinschaft mit Schwiegertochter Rahel und Sohn Adrian Held. Der Rundblick ist spektakulär und der Stolz der Helds. Auch hier stehen die Milchkühe und die Biomastschweine im Mittelpunkt. «Wir wollen die Natur einbeziehen und doch auch viel produzieren können», gibt Rahel Held gegenüber dem «Unter-Emmentaler» zu verstehen. Doch sie könnte sich auch vorstellen, dass sich der Hof noch in eine weitere Richtung entwickelt angesichts der atemberaubenden Lage. «Und wenn dann noch die Tiere auf den Weiden sind, das ist einfach toll», schwärmt die 24-Jährige. Was meint sie mit weiterer Richtung? «Wir bieten keine Ferien auf dem Bauernhof an», gibt Rahel Held zu verstehen, doch sei etwas in dieser Richtung für sie denkbar. Mit dem von ihr produzierten Glace sei ein erster Schritt getan. Anderes könnte folgen.

Der Kräuterbauer
Nur wenig entfernt vom Hof der Helds ist jener auf dem Eiberg von Bruno Aebi. Der 51-Jährige wartet mit etwas Besonderem auf: Auf einer Hektare pflanzt er Kräuter an. «In der Schweiz gibt es nur rund 300 Kräuterbauern», erklärt er. «Wenn im Sommer Wandernde an mir vorbeiziehen, fragen sie oft, was ich denn da anbaue.» Deshalb war er gerne bereit, beim Bio-Lehrpfad mitzuhelfen. 1997 hat er den Hof als Kleinbetrieb übernommen und sogleich mit dem Kräuteranbau begonnen, ursprünglich vor allem für Ricola, inzwischen sind weitere Abnehmer wie Swiss Alpin Herbs hinzugekommen. So produziert er Eibisch, Holunder, Petersilie, Liebstöckel, Brennnesseln, Apfel-, Orange, marokkanische Minze und sogar Alpenchili.

Getreide, Highland Rinder und vieles mehr
Die weiteren Höfe wurden beim Medienrundgang nicht besucht, versprechen aber abwechslungsreiche Einblicke. So der Hof Flüh von Renate Sommer und Thomas Gatschet mit 11 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche. Auf je einer Hektare wird Dinkel und Silomais angebaut, der Rest ist Grünland und Weide. Dazu leben Mutterschafe, Lämmer (Fleischproduktion), Ponys, Katzen und ein Hund auf dem Hof. Auf der Highlandfarm von Petra und Beat Eggimann in Ober Gammenthal werden seit 1994 Rinder der Rasse Highland Cattle gehalten, womit der Hof einer der ersten in der Schweiz überhaupt war. Daneben halten Eggimanns auch Dexter. Beide Rassen werden für die Fleischproduktion gehalten. Und schliesslich ist da noch die Ritterfarm in Ober Gammenthal der kreativen, sportlichen, chaotischen und zufriedenen Familie Ritter, wie sie sich selbst bezeichnet. Sie bewirtschaftet den Hof immer mehr nach den Grundsätzen der regenerativen Landwirtschaft, die dem Humusaufbau grossen Stellenwert zumisst. So vielfältig die Dreigenerationen-Familie auftritt, so vielfältig ist ihr Produktespektrum, das von Frisch- und Trockenfleisch unter anderem auch Honig oder Süssmost umfasst.

Weitere Bio-Lehrpfade geplant
Der Bio-Lehrpfad ist der erste im Kanton Bern. Weitere werden laut Sabine Vogt folgen. In Sumiswald wolle man erste Erfahrungen sammeln und diese dann auf andere Regionen übertragen. Deshalb könne es durchaus Änderungen und Anpassungen geben beim Sumiswalder Pfad. Zum Beispiel ein Frage-Antwort-Parcours für Kinder? Das habe man (noch) nicht in Erwägung gezogen, aber sei auch nicht ausgeschlossen. Nun hat das Emmental einen weiteren Lehrpfad, ist das wirklich nötig? «Absolut», lässt Isabelle Hollenstein keine Zweifel aufkommen. Natürlich sei das diesbezügliche Angebot schon gross, räumt sie ein, aber «es gibt hier im Emmental auch viel Wissenswertes zu erleben und zu entdecken.» So auch beim Bio-Lehrpfad.

Von Thomas Peter