• «Langenthal war zeitweise eine Rollhockey-Hochburg. Als dieser Sport keine Halle erhielt, zog sich der Verein rasch zurück.» Simon Kuert · Bilder: zvg/ryl

  • Im Jahr 1919 wurde in Rohrbach ein Hornusserfest ausgetragen.

09.10.2019
Oberaargau

Auf den Spuren des Oberaargauer Sports

Eine vom Donnerstag Club eingesetzte Arbeitsgruppe durchkämmt seit Monaten unter der Leitung von Simon Kuert die Geschichte des Oberaargauer Sport seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert bis zum heutigen Datum. Sie sind auf der Suche nach Ereignissen und Triumphen für das Oberaargauer Sportbuch, welches im Jahr 2021 erscheinen soll, und portraitieren Persönlichkeiten aus dem Oberaargau.

Oberaargau · Seit bald drei Jahren ist ein Redaktionsteam dabei, den Oberaargauer Sport seit seinen Anfängen zu erforschen, um daraus ein Nachschlagewerk für dessen Geschichte zu verfassen. Unter der Leitung von Langen-thals Stadthistoriker Simon Kuert wurden regionale Zeitungen seit dem Jahr 1860 durchforstet, damit Berichte über die Entstehung und die Entwicklung verfasst werden können. Beim Durchforsten der Zeitdokumente sind zahlreiche spezielle Geschichten gefunden worden. «Im Jahr 1919 beispielsweise, also vor 100 Jahren», erklärt Simon Kurt, «fand in Langenthal zum zweiten Mal der Eidgenössische Schwingertag statt. Daraus ist das heutige «Eidgenössische Schwingfest» gewachsen.» Ebenfalls vor hundert Jahren fand in Rohrbach das Oberaargauisch-Emmentalische Hornusserfest statt. «Beide Events wurden in einem schweizweit verbreiteten Bilderband über den Schweizer Sport der Jahre zwischen 1919 und 1921 publiziert», erklärt Simon Kuert weiter. Beim ersten grossen Schwingfest nach dem ersten Weltkrieg waren verständlicherweise auch die regionalen Zeitungen vor Ort, deren Korrespondenten schilderten Langenthal in einem «farbenreichen, malerischen Festgewand». Angetreten sind derweil 115 Wettkämpfer, das Fest endete aber nicht wie heute mit einem Schlussgang, sondern mit einem Sieger nach Punkten.

Infrastruktur beeinflusst den Sport
Mit der Durchforstung des Oberaargauer Sports habe man rückblickend viel über die Geschichte und die Zusammenhänge gelernt, sagt Kuert weiter. Gerade der Einfluss von Infrastrukturen auf den Sport sei frappant. «Langenthal war zeitweise eine Rollhockey-Hochburg. Als dieser Sport aber keine Heimat, keine Halle erhielt, zog sich der ehemalige Vize-Schweizermeister später rasch zurück. Rollhockey ist heute kaum mehr ein Thema.» Aufgekommen seien derweil andere Sportarten. Die Eissportarten erlebten mit dem Bau einer Kunsteisbahn auf Schoren in den 60er-Jahren einen Boom, ebenso wird öfter gegolft, seit der Golfclub Willyhof in Betrieb ist. Radfahren hingegen war aufgrund der Landschaft schon immer beliebt, weil die hügelige Gegend zum Trainieren idealste Voraussetzungen bietet. Seit jeher beliebt waren derweil Fussball und Turnen, im Oberaargau gibt es sogar Vereine, die zu den ältesten der Schweiz gehören. «Die Geschichte lässt uns auch Lehren für unsere Zukunft ziehen, so gesehen könnte man das Buch sogar politisch verwerten. Anders gesagt: Ohne ein neues Stadion für den Eissport kann man davon ausgehen, dass diese Sportarten über die Jahre hinweg ohne andere plausible Lösungen in Langenthal verschwinden werden.» Letztlich definiert sich der Charakter einer Region heutzutage auch über den Sport, sodass wegen der öffentlichen Wahrnehmung und Begeisterung für den Sport auch Behörden von der Öffentlichkeit immer mehr auch finanziell in die Pflicht genommen werden.

Persönlichkeiten abgebildet
Das Buch soll aber nicht nur ein Nachschlagewerk werden, es soll auch unterhalten. Zur Auflockerung hat das Redaktionsteam beschlossen, Porträts von Sportler-Grössen und Sportförderern aus dem Oberaargau zu verfassen. Dazu gehören beispielsweise die «Flückiger-Brothers» aus Leimiswil, die Familie Marti, die sich im Boxen und Fussball einen Namen machte, oder Stephan Anliker als Präsident unterschiedlicher Vereine. Diese Texte werden bis zum Ende des nächsten Sommers verfasst, bis zum Ende des Jahres 2020 kann für Aktualitäten noch Zeit eingeräumt werden. «Die Koordination dieser Berichte wird eine Herausforderung. Aktuell sind wir aber zeitlich gut unterwegs, sodass ich zuversichtlich bin, dass wir den Termin einhalten können», sagt Simon Kuert. Geplant ist die Veröffentlichung derweil im Jahr 2021, just auf das 40-Jahr-Jubiläum des Donnerstag Clubs.

Digitalität als Herausforderung
In den nächsten Monaten steht das Redaktionsteam noch vor zahlreichen Herausforderungen. Einerseits soll das Buch ansehnlich bebildert werden, andererseits sollen auch digitale Verknüpfungen geschaffen werden. Ziel ist es beispielsweise, im Buch mit Querverweisen, ähnlich einem QR-Code, zu arbeiten. Werden entsprechende Stellen eingelesen, sollen online über ein Smartphone oder Tablet ein passender Film abgespielt oder Bildergalerien gezeigt werden. Hier sind aber erst Ideen am Entstehen, die letztlich auch von den finanziellen Möglichkeiten abhängen.
Simon Kuert ist jedoch überzeugt, dass es für das Oberaargauer Sportbuch zahlreiche interessante Geschichten gibt, die den Verkauf sowieso anregen werden. Ein Ladenhüter oder Staubfänger in Archiven alleine soll das Werk nämlich nicht werden. «Einer der ersten Fernsehbeiträge wurde in Langenthal über den Concours Hippique, also über den Reitsport, verfasst. Ein Oberaargauer war der Pionier in Sachen Pulsmessung. Mit seinem Pulsgerät hat er das Intervalltraining massiv vereinfacht. Und auch Randsportarten erhalten eine Plattform», gibt Kuert ein paar weitere Einblicke preis. Sport allgemein habe im Oberaargau einen hohen Stellenwert, das zeigte sich auch bei der erfolgreich verlaufenen, aber noch nicht gänzlich abgeschlossenen Sponsorensuche für das Buch. Mit ebendiesem Werk will man diesen Stellenwert noch verdeutlichen.

Von Leroy Ryser