• Gian Widli: «Nun ist die letzte Linie gezogen und ich verabschiede mich.» · Bild: Schnupperlehrtochter Jasmin Lauener

30.08.2022
Oberaargau

Auf Wiedersehen «UE»-li, es hat Spass gemacht!

Vor genau zweieinhalb Jahren begann der damals 19-jährige Gian Widli für den «Unter-Emmentaler» Cartoons zu zeichnen. Der «UE»-li wurde geboren, seine Illustrationen sorgen für überraschende und für die «UE»-Leserschaft ungewohnte Akzente. Aus der Testphase wurde ein fester Bestandteil im «UE». Nun aber zieht es Gian Widli weiter, er beginnt sein Studium. Mit seiner letzten Zeichnung, einer Selbstkarikatur, verabschiedet er sich heute persönlich von den «UE»-Leserinnen und -Lesern.

Damals im Jahre 2020 war es der Traum von Gian Widli, Illustrator zu werden, oder zumindest in Richtung Kunst zu gehen. Er besuchte bei der Geburtsstunde des «UE»-li einen weiterführenden Schulgang an der Rudolf Steiner Schule in Langenthal, schaffte die Matura, um an-schlies-send ein entsprechendes Kunst-studium zu absolvieren. Heute, nach genau 30 Cartoons für den «UE»-li, ist der Moment des Studiums gekommen. Nachdem er im Militär durchdiente, besuchte er ein Jahr lang einen gestalterischen Vorkurs, bei dem er unter anderem die Animation kennen lernte – und genau die hat ihn gepackt. Er bewarb sich und hatte Glück. Pro Jahr werden nur rund 30 Studenten genommen und es gibt in der Schweiz nur eine Schule in Emmenbrücke.

Viel gelernt
«Es war eine tolle Zeit und ich habe sehr viel gelernt», sagt der heute 22-jährige Gian Widli. Früher habe er sich nicht so sehr um das Geschehen in der Schweiz, der Region geschert. Mit den Cartoons, die jeweils ein aktuelles und oftmals politisches Thema behandelten, habe er sich mehr damit beschäftigt und das Geschehen habe auch angefangen, ihn immer mehr zu interessieren. «Für ein Cartoon habe ich jeweils rund 20 bis 30 Stunden gebraucht. Oft habe ich auch noch recherchiert, damit ich genau über das Thema Bescheid wusste», erzählt er.  Gezeichnet hat er jeweils auf dem Laptop, also digital. «Man ist einfach schneller als auf Papier, Änderungen kann man so schneller vornehmen und man ist eher dazu geneigt, etwas Neues zu wagen», erklärt er. «Am Anfang war ich ein Laie, hatte ja keine Ahnung. Aber es war toll für mich, zu lernen, wie man aktuelle Themen auf Papier bringt. Und so denke ich, habe ich mich mit der Zeit schon verbessert», sagt er lachend. Kritik habe er wenige bekommen und wenn, dann habe er diese immer positiv gewertet: «Kritik ist absolut in Ordnung für mich, ich kann daraus etwas lernen.»

Lachendes und weinendes Auge
Mitte September ist es soweit, sein Bachelor in Animation in Emmenbrücke startet. Und so bleibt keine Zeit mehr für die Cartoons im «UE». «Es ist ein komisches Gefühl, zu wissen, dass ich nicht mehr für den ‹UE› tätig sein werde. Ich denke aber, ich werde es erst richtig merken und fühlen, wenn ich im September keinen ‹UE›-li mehr zeichne», sagt er ein bisschen wehmütig und mit einem weinenden Auge. Das lachende Auge aber freut sich auf die nächsten drei Jahre, sein Vollzeitstudium in Animation. «Das Gebiet Animation ist noch neu für mich, ich muss noch sehr viel lernen, aber ich freue mich sehr darauf», sagt er und strahlt. Die Zeit während der Woche wird mit dem Studium ausgefüllt sein, und an den Wochenenden muss er auch noch etwas Geld verdienen. «Und zwischendurch brauche ich dann auch Pausen, bei denen ich gerne wandere, Themen recherchiere und mich mit Freunden treffe – so gerne ich auch zeichne. Zwischendurch muss ich raus aus der digitalen Welt», erklärt er. Zudem wird er während des Studiums von Langenthal nach Luzern pendeln, was auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. «Mein Ziel ist es aber, in Luzern in eine WG zu ziehen, bis jetzt hat sich aber leider noch nichts ergeben», berichtet er.

Neues entdecken
Nach dem Studium möchte Gian Widli gerne in einem Kollektiv–Atelier Animationen erstellen. «Ich möchte aber nicht in einer Grossfirma wie zum Beispiel Walt Disney arbeiten, wo man in ein gewisses ‹Malen-nach-Zahlen›-Schema verfällt. Zudem interessiere ich mich mehr für Animationen für Jugendliche oder Erwachsene.  Ich finde Sachen spannend, bei denen man noch etwas denken muss, die zum Denken anregen», erklärt er. Er fand gesellschaftskritische, herausfordernde und mutige Filme immer interessant. Und genau in diesem Bereich möchte er dann einmal tätig sein. Dennoch wird er nach abgeschlossenem Studium auf freiem Fuss stehen, sich erst einleben und sich einen «Namen» schaffen müssen. «Nebenjobs werde ich wohl noch eine Zeit lang machen müssen. Das ist aber kein Problem für mich. Ich bin noch jung, bin nur für mich selber verantwortlich und kann mit wenig leben», sagt er zuversichtlich. Und wer weiss, was in drei Jahren sein wird. Vielleicht treffen die Wege von Gian Widli und dem «Unter-Emmentaler» wieder aufeinander. Abgeneigt sind beide Seiten nicht.

Herzlichen Dank Master of «UE»-li des Monats
Wir lassen Gian Widli nicht gerne ziehen. Es war eine spannende Zeit, mit ihm die Themen der Cartoons herauszuarbeiten und seine Entwicklung mitzuerleben. Immer wieder waren wir überrascht, mit wie viel Sorgfalt er die Themen recherchierte und diese in den Cartoons umsetzte. Seine Bildsprache ist sehr differenziert und oftmals lässt er mit viel Liebe zum Detail «Zusatzbotschaften» einfliessen, die man erst auf den zweiten Blick erkennt. Das ganze Redaktionsteam wünscht Gian Widli viel Erfolg und Freude bei seiner neuen Herausforderung.

Von Marianne Ruch