• Der «Fläsche-Sepp»: So bunt wie seine Anekdoten ist auch seine Erscheinung. · Bild: zvg

  • Flaschen in allen Formen und Farben. · Bild: zvg

  • Flaschen für jeden «Geruchs-Geschmack». · Bild: zvg

  • Schweinchen sparen für Ferien. · Bild: zvg

27.07.2020
Luzerner Hinterland

Aus 7500 leeren Flaschen sprudeln bunte Geschichten

Willisau, das malerische Städtchen, von Huttwil in etwas mehr als drei Stunden auch zu Fuss gut erreichbar, bietet eine Fülle von Sehenswürdigkeiten und Köstlichkeiten. Von den Willisauer Ringli zum Kafi-Luz-Rundgang in der Distillerie, über das vielseitige Glockenspiel beim jahrhundertealten Glockenturm im Untertor zu verschiedenen Themenwegen wie dem Chrüter-häxli- oder Planetenwanderweg. Der bunteste Farbtupfer im wahrsten Sinne des Wortes ist aber der Besuch beim «Fläsche-Sepp» in seinem Flaschen-Museum in der alten Käserei in der Käppelimatt.

Willisau · Wer vom Bahnhof durch das malerische Städtchen Willisau schlendert, stösst unweigerlich auf ein Stück gemeinsame Vergangenheit mit dem benachbarten Emmental und dem Blumenstädtchen Huttwil. An mehreren Hausfassaden wird auf die historischen Treffen im Vorfeld des Bauernkriegs von 1653 zwischen Christian Schibi, Anführer der aufständischen Luzerner, und dem Emmentaler Bauernkönig Niklaus Leuenberger erinnert. Auf dem Bummel durch die Geschichte des 700 Jahre alten Städtchens hinterlässt zudem das Glockenspiel beim Turm des Untertores (11.30; 15.15 und 16.30 Uhr) je nach Jahreszeit und Anlass mit den verschiedenen Melodien ein bleibendes Besuchserlebnis. Ein nachhaltig wirkendes Besuchserlebnis in Willisau ist aber jenes bei einem besonderen Original: der Besuch beim «Fläsche Sepp», einem – im wahrsten Sinne des Wortes – «bunten Vogel».

Aus der Not eine Tugend
In der alten Käserei Käppelimatt, etwa ein Kilometer ausserhalb der Stadtmauern Richtung Hergiswil, befindet sich seit 2009 schweizweit das einzige Flaschenmuseum. Aus einer Sammlung von über 40 000 Flaschen stellt Sepp Stadelmann, unterstützt durch Mitglieder des Vereins Flaschenmuseum, rund 7500 verschiedene Exemplare aus. Die übrigen lagern im Keller und warten darauf, dereinst auch die Augen der Besucherinnen verzücken zu können. Derzeit gibt es auf den Ausstellungsregalen von der kleinsten Duft-Essenz-Flasche mit einem Milliliter Inhalt bis zur Mostflasche mit einem Fassungsvolumen von 50 Litern, von A wie Apotheker- bis Z wie Zitronensaftflasche fast nichts, was es nicht gibt zu bestaunen!
Auf die Frage, wie er zum Sammeln von Flaschen kam, kommt «Fläsche- Sepp», wie er schweizweit durch Fernseh-, Radio- und Medienberichte bekannt geworden ist, ins theatralisch-kabarettistische Erzählen. Mit zehn Geschwistern aufgewachsen, habe er in der psychiatrischen Klinik St. Urban eine Ausbildung als Diätkoch gemacht. Um seine etwas hyperaktive Lebensart zu drosseln, habe er einen Rat befolgt und Flaschen jeglicher Art mit Schnüren umwickelt. Diese Beruhigungstherapie habe nicht nur seinem Temperament geholfen, sondern auch die Freude an schönen Formen der Flaschen geweckt! Und so wurde aus dem Sepp eben der «Fläsche Sepp», vor dem wegen seiner wachsenden Sammler-Sucht nach und nach weder Brockenstuben, noch Flohmärkte, Altglascontainer oder Abfalldeponien sicher waren.

Jede Flasche hat seine Geschichte
Überall fand «Fläsche-Sepp» «etwas» Besonderes. Nicht nur in der Form, sondern vor allem auch mit den da-mit verbundenen Geschichten. Und eben diese Geschichten, Anekdoten, manchmal gar Krimis, die weiss der »Fläsche-Sepp» in bunter Art zu erzählen. «Bunt» – das ist auch das äussere Erscheinungsbild, das Markenzeichen vom «Fläsche Sepp». Grün, gelb, rosa, rot ist der gerollte Haar-Büschel über seinem meist verschmitzt lächelnden Gesicht. Auch seine Hosenträger sind in ebenso bunter Farbe. Nie um eine Antwort verlegen meint er auf die Frage, was für eine Farbe Haare und Hosenträger hätten, wenn eine ganz wertvolle Flasche in Brüche ginge: «Vielleicht Schwarz, diese Farbe habe ich aber erst einmal gewählt. Damals als ich als eingefleischter Fasnächtler als ‹Dracula› die schönsten Tage des Willisauer-Jahres» genossen habe!»
In Willisau engagiert er sich daher auch als Trompeter in einer Clique, im Gesangsverein, aber auch als Katechet mit Jugendlichen, denen er zum Thema «Natur, Mensch und Gesellschaft – NMG» gerne mehr als «leeren Flascheninhalt» beibringt.

Ein eigenes Weltbild
Schauen und Staunen allein genüge nicht, meint er für einmal ganz ernsthaft. Sein Flaschen-Forum ist ein Ort des Austausches zu aktuellen Themen und Fragen der Um- und Mitwelt, zu Recycling, Überschuss und Verschwendung bis hin zu Not und Mangel. «Fläsche-Sepp» versteht es gekonnt, dass sich die Besucher nicht nur amüsieren, sondern beim Verlassen seines «Reiches» auch ein eigenes Weltbild rund um die Flaschen-Geschichten aus aller Welt machen. Seien es jene aus Neuseeland oder jene, die er als Flaschenpost am Südsee-Strand gefunden hat, oder auch die wohl über 200 Jahr alte Lebertran-Flasche, die beim Umbau eines Hotels aus dem Zwischenboden zum Vorschein kam. Sie alle sind Original-Objekte für spannende Storys, humorvoll und witzig vorgetragen vom eigentlichen Original, dem «Fläsche-Sepp» aus Willisau.

Von Fritz von Gunten