• Sie stehen für die Männerinsel. Von links: Andreas Akert, Leitender Arzt Stationäre Dienste, Nathan Keiser, CEO und Ärztlicher Direktor/Facharzt für Psychiatrie, und Daniel Dettwiler, Projektleiter, Seelsorger und Musiktherapeut. · Bild: Irmgard Bayard

  • Im Kraftraum lernen die Männer ihren Körper besser kennen. · Bild: Irmgard Bayard

  • Musiktherapie kann helfen, in besseren Kontakt zu seinen Emotionen zu kommen. · Bild: zvg

  • Sie stehen für die Männerinsel. Von links: Andreas Akert, Leitender Arzt Stationäre Dienste, Nathan Keiser, CEO und Ärztlicher Direktor/Facharzt für Psychiatrie, und Daniel Dettwiler, Projektleiter, Seelsorger und Musiktherapeut. · Bild: Irmgard Bayard

  • Im Kraftraum lernen die Männer ihren Körper besser kennen. · Bild: Irmgard Bayard

07.02.2022
Langenthal

Aus der Not geboren und notwendig

Die Privatklinik Stiftung für Ganzheitliche Medizin (SGM) bietet ab April ein stationäres Angebot für Männer in einer psychischen Krise an. Mit der Männerinsel betritt sie in der Schweiz Neuland.

Langenthal · «Männer fühlen sich oft gesünder als Frauen. Aber das stimmt nicht», betont Nathan Keiser, CEO und ärztlicher Direktor der Klinik SGM Lan­genthal. Aber ihre Probleme einzugestehen und/oder gar darüber zu sprechen, falle vielen schwer. Die Suizidrate war zum Beispiel gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik in den Jahren 2014 bis 2018 rund dreimal höher als bei den Frauen. Mit der Männerinsel will das Team der Klinik den Herren der Schöpfung eine Möglichkeit bieten, sich ihrer Schwächen bewusst zu werden und etwas dagegen zu unternehmen.
«Das Bedürfnis ist gross», weiss auch Daniel Dettwiler, Teilprojektleiter der Männerstation und ab April Seelsorger und Musiktherapeut in der Männerinsel. Das liege nicht zuletzt am widersprüchlichen Männerbild in der Gesellschaft. «Einerseits kümmern sie sich heute erfreulicherweise vermehrt um die Familie, arbeiten vielleicht nicht mehr zu hundert Prozent. Andererseits werden sie dadurch vielerorts immer noch belächelt, da sie dadurch unter Umständen auf eine Karriere verzichten.»
In der Männerinsel soll die Sozialkompetenz der Männer erhöht und ihr Selbstwertgefühl gestärkt werden. «Das heisst selbstverständlich nicht, dass wir sie zum Patriarchat zurückführen wollen. Im Gegenteil», betont Nathan Keiser. «Wir wollen eine pro- emanzipatorische Haltung fördern.»

Wieder eine Vorreiterrolle
Mit dem Angebot einer stationären Männerinsel betritt die Klinik in der Schweiz Neuland. «Wir sind ja bekannt, neue Sachen auszuprobieren», sagt Nathan Keiser mit einem Augenzwinkern. «Schliesslich waren wir in der Schweiz auch eine der ersten anerkannten christlichen Fachkliniken für Psychiatrie.»Der Facharzt für Psychiatrie weiss auch, dass Frauen über ein besseres soziales Netzwerk verfügen. «Bei Männern sind die Kontakte auch ausserhalb oft geschäftlicher Natur», so Keiser. In der Männerinsel sollen sie den Austausch untereinander lernen und ihre Ressourcen stärken. «Und lernen, das eigene Empfinden wahrzunehmen und auszudrücken.» Der Name Männerinsel soll die Patienten also nicht abschotten, sondern regenerieren, wie Andreas Akert, Leitender Arzt Stationäre Dienste, betont. «Ganz nach Peter Rebers Lied: Jede bruucht sy Insel».

Alle Sinne schärfen
Der Eintritt in die Männerinsel erfolgt über Zuweisung durch den Hausarzt. Die Klinik bietet dazu elf zusätzliche Plätze an, die Aufenthaltsdauer liegt in der Regel bei sechs Wochen. Nach dem Motto der Klinik erwartet die Männer eine ganzheitliche Medizin. «Alle Sinne sollen angesprochen werden», erklärt Musiktherapeut Dettwiler. Das Angebot beinhaltet körperliche Betätigung wie Fitness, Jogging, Walking, aber auch kreatives Arbeiten in der Holzwerkstatt und Trommeln zum Aggressionsabbau. In den Gruppendiskussionen sollen Themen wie Selbstwertgefühl, Scheitern, Wettbewerb, Sexualität, aber auch Sehnsüchte und Spiritualität Platz finden.
Mit der Männerinsel will die Klinik im April starten. Derzeit ist das oberste Geschoss der Klinik eine Baustelle. «Die bisherigen Büros werden zu Einzelzimmern mit Bad umgebaut», so Keiser. Der grosse Saal dient der Männerinsel als Gesprächsraum. Dass sich die Klinik etwas Neues einfallen liess, ist nicht zuletzt aus der Not heraus geboren. «Bei den Tarifverhandlungen 2018 mit dem Kanton wurde uns gesagt, dass wir mit unseren 36 Betten nicht systemrelevant seien», erzählt Nathan Keiser. «Also haben wir uns das weitere Vorgehen überlegt. Zur Diskussion stand der Ausbau im bisherigen Bereich oder etwas Neues. Durch die Erfahrungen in der Klinik und in den Ambulatorien, welche wir an verschiedenen Orten führen, sind wir dann auf die Idee der Männerinsel gekommen, die, wie wir überzeugt sind, einem Bedürfnis entspricht.» Noch schwingt die Klinik SGM bei Ärzten und Institutionen die Werbetrommel. Anfragen für Anmeldungen sind bereits vorhanden. «Wir sind sicher, dass wir die Plätze füllen können», zeigen sich Nathan Keiser, Andreas Akert und Daniel Dettwiler überzeugt.

Klinik SGM unterstützt Impfungen
In verschiedenen Medien (aber nicht im «Unter-Emmentaler») war zu lesen, dass die Hausarztpraxis im Hard Langenthal keine Corona-Impfungen vornimmt. Dazu möchte die Klinikleitung festhalten: «Die Klinik SGM legt Wert auf die Feststellung, dass die Praxis lediglich auf dem Areal der Klinik SGM eingemietet ist, jedoch nicht zur Klinik gehört. Die Klinik SGM unterstützt ausdrücklich die Empfehlungen des Bundesrates und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) in Bezug auf die Impfungen gegen Corona.»

1987 von Kurt Blatter gegründet
Die Klinik SGM Langenthal (Stiftung für Ganzheitliche Medizin) entstand 1987 aus der Vision einer ganzheitlichen Medizin von Dr. med. Kurt Blatter. Sein Wunsch war es, Patientinnen und Patienten ganzheitlich zu behandeln, also Leib, Seele und Geist in die Therapie miteinzubeziehen. Zu diesem Zweck rief er die Stiftung für ganzheitliche Medizin (SGM) ins Leben. Diese Stiftung ist Trägerin der Klinik SGM Langenthal. Heute ist die Klinik SGM Langenthal eine anerkannte christliche Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit stationären (42 Betten) und ambulanten Behandlungsangeboten. Die Klinik beschäftigt rund 130 Mitarbeitende.

Von Irmgard Bayard