• Sie fühlen sich der Freundschaft, Solidarität und Toleranz moralisch verpflichtet: Hofmeister Walter Halter (rechts) und Hofrat Peter Marending. ·  Bild: Marion Heiniger

29.12.2021
Huttwil

Aus der Not heraus gegründet

Sie nennen sich Philanthropen und vereinen sich seit 39 Jahren im «Hof Huttwil». Wer sind diese Männer und was machen sie? Da sie meist im Hintergrund agieren, sind sie kaum jemandem bekannt. Doch das, was sie tun, ist bemerkenswert.

Huttwil · Sie agieren mehrheitlich im Hintergrund. Sie unterstützen hilfebedürftige und benachteiligte Menschen moralisch und materiell. Sie streben nach dem Wahren und Guten, pflegen die Freundschaft und fördern ihre Mitglieder. Die Rede ist vom Hof Huttwil, oder anders gesagt von der Schweizerischen Philanthropischen Gesellschaft UNION, Hof Huttwil. Doch wer genau sind diese Philanthropen und was ist ihr Ziel? «Wir sind eine Gruppierung von momentan 36 Männern, die der Freundschaft, der Solidarität und der Toleranz einen hohen Stellenwert beimessen», fasst Hofmeister (Präsident)Walter Halter die Tätigkeit und moralische Verpflichtung der Philanthropen zusammen. Um das genauer zu verstehen, gehen wir ein Stück in deren Geschichte zurück.

Aus einer Notsituation entstanden
Die Schweizerische Philanthropische Gesellschaft UNION wurde im Jahr 1843 in Sonvilier (Berner Jura) aus einer Notsituation heraus gegründet. Damals, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, litt die Bevölkerung stark unter Fremdherrschaft, Elend, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Feuersbrünsten und dem Krieg. Vor diesem Hintergrund beschlossen die beiden Jugendlichen Fritz Marchand und Jules-César Wille, damals 12 und 13 Jahre alt, etwas für die gebeutelte Region und die ihnen nahestehenden Menschen zu tun. Sie gründeten eine kleine Gruppe mit dem Ziel, tugendhaftes Verhalten und gegenseitige Hilfe zu fördern.
Dabei agierten sie als Geheimbund, denn die damals herrschenden Landvögte tolerierten nicht, dass die Leute sich untereinander aushalfen und verfolgten sie. Aus dem kleinen «Hof», der anfänglich nur wenige Mitglieder zählte, wurde im Laufe der Zeit eine in der ganzen Schweiz verbreitete Gesellschaft, die heute rund 1800 Mitglieder in 41 Höfen zählt. Elf davon befinden sich in der Deutschschweiz. Einer dieser Höfe ist in Huttwil und ist eine Abspaltung des Hofes Burgdorf. Im Jahre 1982 haben die Freunde Otto Mühle aus Eriswil und Albert Ruf (ehemaliger Wirt des Gasthofs Kreuz) aus Dürrenroth den Hof Huttwil gegründet.
Bereits damals zählte die Gruppierung 40 Mitglieder, deren Anzahl hat sich bis heute nicht wesentlich verändert. Aktuell hat der Hof Huttwil 36 Mitglieder und ist damit zahlenmässig im Vergleich mit anderen Höfen gut aufgestellt. Auch ist beim Hof Huttwil die Altersstruktur eher jünger. Während andere Höfe ein Durchschnittsalter von 70 Jahren aufweisen, liegt der Schnitt in Huttwil bei etwa 60 Jahren. «Der Name Hof ist ein bäuerlicher Begriff.
Damals im 19. Jahrhundert gab es kaum Industrie, die Landwirtschaft war klar dominierend», erklärt Peter Marending, Vorstandsmitglied (Hofrat) des Hofes Huttwil. Heute vereint die Schweizerische Philanthropische Gesellschaft UNION Männer aus allen Schichten, Berufen und Konfessionen, ist rechtlich gesehen ein Verein und wird als Stiftung geführt. «Die Organisation ist demokratisch und wir sind politisch und konfessionell neutral», hält Walter Halter ganz klar fest. Als Mitglieder können der UNION nur Männer angehören. Die Frauen und Partnerinnen der Mitglieder nehmen jedoch an verschiedenen Anlässen und Veranstaltungen teil. Doch ist das noch zeitgemäss? «Die Thematik, ob auch Frauen bei den Philanthropen dabei sein dürfen, wurde im Zentralrat immer wieder diskutiert», weiss Peter Marending. Jedoch stiess das Thema bei den meisten Männern nicht unbedingt auf Begeisterung. Aber nicht, weil die UNION die Frauen nicht dabeihaben will, sondern weil man die lange bestehende Tradition beibehalten möchte.

Regelmässige Spenden und Aktionen
Anhand der beschränkten finanziellen Mittel ist es dem Hof Huttwil nicht immer möglich, jedes Jahr Hilfe für notleidende Menschen zu leisten. Doch dieses Jahr hatten sich wieder genügend Mittel angehäuft, sodass sie einer durch einen Schicksalsschlag in Not geratenen Familie mit einem Betrag unter die Arme greifen konnten. «Meist erfahren wir durch unsere Mitglieder von möglichen unterstützungswürdigen Projekten», erklärt Hofmeister Walter Halter. Und wie beurteilt der Hof Huttwil, was unterstützungswürdig ist? Hierzu würden klare Kriterien bestehen, erklärt Peter Marending. «Wir berücksichtigen gemeinnützige Institutionen, welche keine öffentlichen Gelder erhalten, benachteiligte Familien und Einzelpersonen. Was wir hingegen nicht unterstützen, ist eine durch Eigenverschulden entstandene Not wie etwa bei einer Spielsucht.»
Diejenigen finanziellen Mittel, welche der Hof Huttwil um Gutes zu tun aufwenden kann, werden in der Regel von der Zentralkasse der UNION noch verdoppelt. So konnte der Huttwiler Hof in der Vergangenheit mehrere Beiträge an hilfebedürftige Menschen leisten, aber auch an Institutionen wie die Geriatrie-Abteilung im ehemaligen Spital Huttwil, dem Wohnheim «im Dorf» in Bleienbach, dem Wohnheim «Öpfu-böimli» in Huttwil, dem Haus Oase in Rohrbachgraben und vielen anderen mehr. Doch die Beiträge sind nicht immer nur materieller Art, sondern sie können auch unterstützend sein. So haben die «Hof-Herren» schon behinderten Menschen einen Ausflug ins Verkehrshaus Luzern oder ins Kino ermöglicht. «Wir begleiten dann jeweils die Gruppe und bezahlen den Ausflug», erklärt Walter Halter. Auch gesamtschweizerische Projekte werden bei der UNION umgesetzt. So haben die Mitglieder der 41 Höfe beispielsweise einer Hirtenfamilie beim Säubern der Alpweiden geholfen oder nach dem Lothar-Sturm Bäume angepflanzt. Bis zu 300 000 Franken spendet die UNION jährlich an beispielsweise krebskranke oder hör- und sprachbehinderte Kinder und an Blindenhund-Institutionen. Als nächste Aktion plant der Hof Huttwil, sobald es die Corona-Situation wieder zulässt, einen Ausflug mit Menschen, welche an der Parkinson-Krankheit leiden. Die dazu benötigten Mittel erhält der Hof Huttwil durch die Jahresbeiträge seiner Mitglieder, deren Höhen sich nach dem Alter richten und etwa zwischen 300 und 400 Franken liegen. Ein grosser Teil davon wird an die Zentralkasse der UNION abgegeben und dort verwaltet.
Weitere Gelder werden durch spezifische Aktionen eingenommen, wie letztes Jahr, als der Hof in Huttwil eine Verkaufsaktion im ersten Corona-Herbst lancierte und an zwei Standorten Teemischungen und Kerzen verkaufte. Der Erlös kam Menschen aus der Region zugute, welche sich wegen der Corona-Situation in einer prekären Lebenslage befanden.

Neue Mitglieder erwünscht
Der relativ junge Hof Huttwil feiert 2022 sein 40-jähriges Bestehen. Was zum Jubiläum geplant ist, steht noch nicht fest. Fest stehe jedoch, dass jederzeit interessierte Personen im Kreis willkommen seien, wie Walter Halter betont. Die Mitglieder treffen sich, wenn nicht gerade eine Pandemie die Welt erschüttert, regelmässig einmal im Monat, um Kontakte zu pflegen und Informationen auszutauschen. Dabei erhalten neue Mitglieder einen «Götti» zur Seite gestellt, der sie begleitet und dafür sorgt, dass sie sich in der Gesellschaft der Philanthropen wohlfühlen. Rituale wie die kurze Eröffnungs- und Schlusszeremonie prägen den offiziellen Teil der Versammlungen. Zweimal im Jahr finden Versammlungen statt, an denen umfangreichere Rituale durchgeführt werden. Hierbei werden traditionsgemäss die Feuer- und die Becherweihe zelebriert. Ganz wichtig ist aber auch der zweite Teil der Monatsversammlungen, indem der Pflege der Freundschaft bei einem guten Essen und regen Diskussionen eine grosse Bedeutung zukommt. Erfreulicherweise nehmen im Hof Huttwil fast ausnahmslos alle anwesenden Mitglieder daran teil.

 Gut zu wissen
Weitere Infos unter: union.swiss/de/region32/huttwil. Kontakt: Walter Halter Tel.:062 962 02 24, E-Mail: uw.halter@bluewin.ch . Spenden- und Solidaritätskonto: IBAN CH83 0645 0016 0409 9830 4, Clientis Bank Oberaargau, Philanthropische Ges. Union, Huttwil.

Von Marion Heiniger