• Obwohl er selber nichts hat, teilt Mias (Nils Lanz) das Brot mit den Kindern (Yael Greub und Jill Roth). Bilder: Marcel Bieri

  • Der heimgekehrte Jeremias (Heinz Lanz) gibt sein Wissen weiter (Sarah Schmid als Änneli).

11.07.2019
Emmental

Ausverkauft – und begehrter denn je

Schon früh hat sich das diesjährige Freilichtspiel in Schmidigen als absoluter «Renner» erwiesen. Keine drei Wochen nach Beginn des Vorverkaufs anfangs März waren alle Vorstellungen ausverkauft. Diese Woche gingen die Hauptprobe und die Vorpremiere von «Jeremias» unter der Regie von Barbara Matter-Leuenberger über die Bühne; morgen findet die Premiere des hervorragend gespielten «Herzensbrechers» statt. Wer kein Ticket mehr ergattern konnte, kann sein Glück in den nächsten Wochen direkt an der Abendkasse versuchen.

Schmidigen-Mühleweg. «Willst Du dein Auto parkieren? Dann musst du hier hinauffahren», weist die Kleine den zögernden Autolenker, der sich suchend umschaut, das schmale Weglein hinauf. 

Sie strahlt, ist hier seit längerem vertraut. Die sehr, sehr junge Statistin, die noch niemals die Volksschulbank gedrückt hat, stand in den letzten wenigen Wochen mehrmals auf der idyllischen Freiluftbühne beim Restaurant zum Wilden Mann in Schmidigen.

Kinder im Mittelpunkt der Darstellenden

Kinder prägen denn auch das Stück «Jeremias», das bereits vierte Freilichtspiel in Schmidigen und wiederum unter der bewährten Regie von Barbara Matter-Leuenberger. «Mein Spiegel zeigt euch die Schatt- und nicht die Sonnseite eures Lebens, zeigt also, was man gewöhnlich nicht sieht, nicht sehen will.»: Albert Bitzius (1797 - 1854), Pfarrer in Lützelflüh, veröffentlichte 1837 unter dem Decknamen Jeremias Gotthelf seinen ersten Roman: «Der Bauernspiegel oder Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf». Darin geisselte er soziale Missstände in seiner engeren Heimat und schuf den ersten gros-sen europäischen Bauernroman. 

Die Geschichte des Güterbuben Jeremias machte ihn im Ausland berühmt – und im Emmental berüchtigt. Es folgten weitere Werke wie die «Uli»-Romane, «Annebäbi Jowäger», «Geld und Geist», «Die schwarze Spinne» und «Käserei in der Vehfreude». 

Des Dichters Sprachkraft und die realistisch-genaue Darstellung der Personen und ihres Lebensraums fällt auch im «Bauernspiegel», aktuell in «Jeremias» auf. 

Betrogen und ausgenützt

Das Stück erzählt die Geschichte des Halbwaisen Jeremias, der als Verdingbub auf verschiedene Bauernhöfe kommt. Wie ihm geht es zahlreichen anderen Kindern aus armen Familien. Kleinere und Grössere werden verdingt wie ein Stück Vieh. Einige wenige kommen in gute Hände, die meisten aber werden betrogen und ausgenutzt. Auch Jeremias, als «Bub», oder «Mias», dargestellt vom elfjährigen Nils Lanz. Mias schlägt sich durch und wird ein tüchtiger Knecht (dargestellt von Martin Meer). 

Immer wieder trifft er auf Menschen, die es gut mit ihm meinen, nicht zuletzt auf sein geliebtes Anneli (Corinne Keller). Aber das Glück bleibt den jungen Leuten trotz viel Fürsorge von guten Menschen aus ihrem Umfeld verwehrt, endet in der Tragödie. 

In seiner Erbitterung zettelt «Meis» Händel an und flieht in den Solddienst. Als charakterlich gefestigter, gebildeter Mann kehrt er in die Heimat zurück und gibt sein Wissen weiter – bis seine Seele müde wird. 

Die Darstellung der traurigen, aber in Gotthelfs Zeit und auch noch Jahrzehnte danach reellen Geschehnisse geht ans Herz. Trotzdem darf zwischendurch auch gelacht und geschmunzelt werden.

17 Szenen

Insgesamt 17 aufwändige Szenen sind es, welche die erfahrene Regisseurin mit ihrer grossen, über 60-köpfigen Crew, davon 53 Sprechrollen, einstudiert hat. Der Altersunterschied zwischen den kleinsten, zweijährigen Statisten und den ältesten Darstellenden beträgt gerademal 68 Jahre. Sie alle haben sich mit Begeisterung in ihre Rollen eingelebt, spielen sie mit Inbrunst und Freude. Unterstrichen wird das Schauspiel von der idyllischen, herrlichen Umgebung und nicht zuletzt den ausgesuchten Kleidern und Requisiten. 

Dem begeisterten Publikum bleibt aber nicht verborgen, welch’ riesiger Aufwand auch dieses Jahr hinter dem Anlass steckt. Dem OK-Präsidenten Walter Käser und der Regisseurin stehen im OK Karin Haslebacher, Thomas Aeberhard, Beat Hiltbrunner und Franziska Christen zur Seite. Zahlreiche Helferinnen und Helfer stehen hinter den Kulissen. 

Einzelne  Tickets an der Abendkasse

Es gibt 15 öffentliche Vorstellungen. Fast für jede ist auch ein Ersatzdatum vorgesehen. 

Das heisst, ab morgen Freitag, 12. Juli (Premiere) bis Samstag, 10. August (Derniere) kann ausser Sonntag fast jeder Tag ein Spieltag sein. Gespielt wird grundsätzlich Freitag, Samstag und Mittwoch sowie am Donnerstag, 8. August. 

Alle Vorstellungen sind seit Mitte März ausverkauft, obwohl die Tribüne erneut vergrössert wurde. Es besteht aber die Möglichkeit, sich an der Abendkasse, jeweils ab 18 Uhr, zu erkundigen ob einzelne Tickets zurückgegeben worden sind.

Von Liselotte Jost-Zürcher