• Der Huttwiler Pfarrer Peter Käser in den letzten Vorbereitungen für seine erste Ausstellung im Kirchgemeindehaus Huttwil. Während einem Jahr werden dort seine «Material»-Bilder im Rahmen von «Kunst und Kirche» zu sehen sein. · Bild: Thomas Peter

15.02.2019
Huttwil

Bilder wie das Leben: Mit Furchen und Rissen

«Kunst & Kirche» zum Vierten. Pfarrer Peter Käser zeigt im Huttwiler Kirchgemeindehaus seine «Material»-Bilder. Warm und erdig in den Farben, furchig, rissig und uneben in den Formen, abstrakt in den Sujets. «Ein Sinnbild des Lebens mit Ecken und Kanten, Sonn- und Schattenseiten», umschreibt es Peter Käser, der sich mehr als Handwerker denn als Künstler versteht.

Als Bildschaffender ist der Huttwiler Pfarrer Peter Käser fast schon ein alter Hase. Denn seit nunmehr zehn Jahren ist er in seinem Atelier am Mischen, Rühren, Auftragen und Pinseln. Und doch ist dies seine allererste Ausstellung, die der dreifache Familienvater alleine bestreitet. «Der richtige Zeitpunkt muss einfach da sein. Ich wollte zuerst meinen eigenen Stil, meine eigenen Farben und Materialen finden. In den letzten Jahren habe ich Bilder geschaffen, die aufzeigen, in welche Richtung es gehen könnte», begründet der 61-Jährige seine bisherige Zurückhaltung. Erst jetzt fühlt er sich bereit, seine Werke in einem grösseren öffentlichen Rahmen zu zeigen. Ein Spiegelbild seines beruflichen Werdegangs? Auch der verlief nicht geradlinig. Der einstige Landschaftsgärtner und spätere Maurer hatte erst mit 30 Jahren sein Theologiestudium in Bern in Angriff genommen.

Eher Handwerk als Kunst
Über Umwege fand Peter Käser auch zu seinem jetzigen bildnerischen Schaffen. Denn: Am Anfang war ein Aquarellmalkasten. Ein tolles Geschenk, das der Theologe vor Jahren unverhofft sein Eigen nennen durfte. Doch die grosse Liebe wuchs nicht daraus. «Das war nicht mein Ding», blickt der Huttwiler Pfarrer zurück. Und doch hatte das unberührte Geschenk bald seinen tieferen Sinn. Es gab den Kick für einen Kursbesuch bei Martin Stucki in Teuffenthal, die eigentliche Initialzündung für das künstlerische Schaffen von Peter Käser. Wobei: Künstlerisch? Der 61-Jährige winkt gleich selber ab. Diese Bezeichnung will er für sich und sein Wirken nicht beanspruchen. «Es ist ein Handwerk. Für den Begriff Kunst habe ich einen viel höheren Standard.» Die ganz gros-sen Künstler hätten mit ihrem Wirken etwas Neues in die Welt gebracht, gesellschaftlich etwas bewegt und bewirkt. «Heute aber nennen sich viele Künstler und das Kunstschaffen ist fast schon inflationär geworden. Ich bin der Handwerker geblieben», unterstreicht Peter Käser.

Rostige Nägel und Schrauben
Und tatsächlich, wenn er in seinem Atelier Bilder entstehen lässt, dann sieht es eher wie bei einem Heimwerker denn einem Kunstschaffenden aus. Maurerkelle, Verputz, Gips, Dachpappe, Kohle, Sand, verrostete Nägel, Schrauben ja sogar Kaffeesatz liegen bereit, um gebraucht zu werden. «Ich kaufe mehr im Baumarkt als beim Künstlerbedarf ein.» Und aus den ungewöhnlichen Werkstoffen entstehen abstrakte, dreidimensionale «Material»-Bilder. Wieso nicht gegenständlich? «Das liegt mir gar nicht» gibt der Autodidakt unumwunden zu, sieht darin aber auch einen Vorteil: «Das Spannende am Abstrakten ist, dass es über das reine Abbilden der Realität hinausgeht. Damit ist der Betrachter vollkommen frei, wie er das Bild auf sich wirken lassen und es interpretieren will.» Deshalb verzichtet Peter Käser auch auf Titel, da er damit eine Richtung vorgeben und den Freiraum begrenzen würde.

Protest gegen Scheinwelt
Doch die Bilder sollen durch Formen und Farben nicht einfach nur schön auf den Betrachter wirken. Für den Huttwiler Pfarrer haben sie auch eine tiefere Bedeutung: «Ich verwende vielfach Recyclingmaterial. Ich füge diese scheinbar wertlosen Gegenstände in den Bildern zusammen und gebe ihnen eine neue Würde, eine Schönheit, einen Glanz, einen neuen Wert. Meine Bilder haben Risse und Furchen, Konturen und Schatten. Sie sind nicht einfach schön und flach. Und das versinnbildlicht für mich das Leben in Situationen, wo nicht alles schön ist, wo man Risse nicht mehr verbergen kann, wo das Verletzbare sichtbar wird. Die Bilder sind wie ein stiller Protest gegen das nur vordergründig Schöne.»

Völlige Freiheit
Was aber bedeutet ihm sein bildnerisches Schaffen? «Es ist für mich völlige Freiheit», muss Peter Käser nicht lange überlegen. «Im Atelier kann ich innert kurzer Zeit die Welt, die kopflastige und emotionale Seite meines Berufes, für einige Momente einfach draussen lassen.» Das helfe, den Kopf zu durchlüften, Dinge, die zuvor ins Stocken geraten sind, setzen zu lassen und sie befreit wieder in Angriff zu nehmen. «Bilder sind immer auch etwas sehr Intimes. Sie widerspiegeln meine Gedanken, Gefühle, Lebenssituationen.» Die Entstehung eines Bildes ist wie das Leben, ein sich weiterentwickelnder Prozess. «Am Anfang weiss man nicht, wo man endet. Plötzlich geht es nicht mehr so weiter, wie man es wollte.» Bei den Bildern hat man eine Idee, doch jedes Material reagiere wieder anders. Und dann bestimme plötzlich nicht mehr er selber, sondern das Bild, in welche Richtung es weitergeht. «Ich habe auch schon das Gefühl gehabt, jetzt ist ein Bild stimmig und fertig. Dann habe ich es aus dem Atelier in die Wohnung genommen. In der anderen Umgebung tauchten plötzlich neue Ideen auf: Das muss noch einfliessen, das sollte ich noch ändern.» Es gab sogar Bilder, die er fortgeworfen habe, weil sie für ihn nicht mehr stimmten. «Das ist aber auch etwas Schönes, denn man merkt, dass man nicht stehen geblieben ist, sondern sich weiter entwickelt. Der Weg geht vorwärts.»

150 Besucher
An der Vernissage, die von Kirchgemeinderätin Christine Mumenthaler geleitet und von Martin Jufer und Fritz Wittwer musikalisch umrahmt wurde, herrschte Grossandrang. Peter Käser zeigte sich beeindruckt von der gros-sen Besucherzahl. 150 Gäste waren gekommen, um seine über 100 Werke zu sehen. «Euer Interesse finde ich toll und ehrt mich sehr.» Und dabei machte er den Besuchern auch ein Angebot. «Wer möchte, kann meine Bilder auch mieten oder einfach für ein paar Tage mit nach Hause nehmen, um zu schauen, ob sie in und zur Wohnung passen.»

Von Thomas Peter