• Die erfolgreiche regionale Skirennläuferin Shaienne Zehnder in der offiziellen Schweizer Bekleidung für die Olympischen Winter-Jugendspiele in Südkorea. · Bild: zvg

  • In Südkorea wird Shaienne Zehnder auch im Slalom an den Start gehen. · Bild: zvg

15.01.2024
Sport

«Bisher das Höchste, was ich erreichen kann»

Die in wenigen Tagen 18 Jahre alt werdende Skirennfahrerin Shaienne Zehnder wurde für die Olympischen Winter-Jugendspiele in Südkorea selektioniert. Erst von einer schweren Verletzung zurückgekehrt, kommt die Teilnahme für die Athletin des Skiclubs Ahorn-Eriswil überraschend.

Ski alpin · Sie haben am vergangenen Freitag an der Lenk zwei FIS-Riesenslaloms bestritten. Wie sind Sie mit Ihrer Darbietung zufrieden?
Ich war froh, überhaupt antreten zu können, da ich zwei Tage zuvor beim Super G von Brigels heftig gestürzt bin. Daher sind die Ränge 7 und 8 völlig okay.   

Es ist noch kein Jahr her, seit Sie sich bei einem Sturz in einem Riesenslalom in der Lenzerheide schwer verletzt haben. Trotzdem fahren Sie schon wieder starke Resultate heraus. Wie ist das möglich, denn sowohl das Schien- wie auch das gebrochene Wadenbein sind mit je einer Platte und sieben Schrauben fixiert?
Ich bin froh und auch überrascht, dass es so gut läuft, da ich diesen Winter die Rennen praktisch ohne Trainings fahre. Wegen der Verletzung musste ich auf die gesamte Saisonvorbereitung verzichten. Ich bin mit dem Istzustand wirklich zufrieden.

Wie stark wirkt sich dieses Handicap in einem Rennen aus?
Das Skifahren ist nicht gleich wie vorher. Ich verspüre immer leichte oder grössere Schmerzen. In den Kurven strahlt mein Wadenbein in das Fussgelenk. Dieses wird dann überbelastet. Bei Schlägen führt dies zu Schmerzen. Die Steifheit des Eisens macht das Skifahren nicht sehr angenehm. Das Rennadrenalin hilft mir aber jeweils.    

Die Schrauben und die Platte werden erst im April entfernt. Damit haben Sie in allen ausstehenden Rennen in diesem Winters einen Nachteil. 
Das ist leider so. Ich habe mich aber dazu entschlossen, die Saison zu fahren. Damit akzeptiere ich auch die Ausgangslage. Und noch einmal: Ich bin sehr zufrieden, dass ich nach so kurzer Zeit schon wieder auf diesem Niveau Skifahren kann. 

Handicap hin oder her: In den bisherigen Skirennen haben Sie überzeugt.  Dies hat Ihnen ein tolles Aufgebot beschert: Sie dürfen für die Schweiz an den Olympischen Winter-Jugendspielen in Südkorea vertreten. Was bedeutet Ihnen diese Selektion?
Mega viel. Ich habe aufgrund meiner Verletzung nicht damit gerechnet.  

Nur je drei Skifahrerinnen und Skifahrer der Jahrgänge 2006/07 wurden für das Schweizer Team selektioniert. Was  gab den Ausschlag für Ihre Berücksichtigung?    
Die Resultate der letzten Saison sowie jene vom November und Dezember spielten eine Rolle. Ausserdem wurden die Trainer befragt. Ebenfalls berücksichtigt wurde die aktuelle Formkurve.  

Für Ihre Zwillingsschwester Leandra hat es nicht gereicht.
Leider nicht, obwohl sie auch gute Resultate verzeichnete. Sie nimmt es gelassen. Sie hat mir bereits erzählt, dass sie während meinem Südkorea-Aufenthalt ein bisschen nach Italien geht, um Speedtrainings durchzuführen. 

Die Olympischen Jugendspiele (15 bis 18 Jahre) finden wie die Olympischen Spiele der Erwachsenen nur alle vier Jahre statt. Wie werten Sie den Stellenwert dieser Veranstaltung?
Es ist sportlich aktuell das Höchste, was ich in meiner Altersklasse erreichen kann.

Sie werden in Gangwon im Nordosten von Südkorea in den Disziplinen Slalom, Riesenslalom, Super G sowie der Kombination für die Schweiz an den Start gehen. Die Rennen finden vom 21. bis 26. Januar statt. In welcher Disziplin rechnen Sie sich die grössten Chancen aus?
Ich würde sagen im Riesenslalom. Im Slalom hatte ich wegen meinem Ausfall schlicht zu wenige Stangentrainings. Im Super G läuft es mir aktuell nicht so gut.  

Wie lauten Ihre Zielsetzungen?    
Ich habe mir keine Rangziele gesetzt. Ich will einfach mit Spass Skifahren und mein Bestes geben.     
 
Eine Medaille ist unmöglich?
Es hat einige starke Skifahrerinnen, gegen die ich schon gefahren bin, am Start. Es kann aber immer alles passieren, weshalb ein Spitzenplatz sicher nicht unmöglich ist.     
  
Was erwarten Sie für Pistenverhältnisse?
Es ist ein sehr trockener und aggressiver Schnee, weil die Luft bis zu -30 Grad betragen kann. Ich mag diese Verhältnisse. Ich habe zwei Super G- und je  drei Riesenslalom- und Slalom-Skis mit dabei. 

Geniessen Sie im fernen Südkorea familiären Support vor Ort?  
Nein, von der Familie ist niemand dabei. Aber ich schaffe das schon. Mit Fabienne Wenger hat es eine gute Kollegin ebenfalls ins Schweizer Team geschafft. Ich denke, dass wir füreinander das sein werden. 
Waren Sie schon einmal so weit von Zuhause entfernt?
Ich war schon in Argentinien. 

Während Sie in Südkorea für die Schweiz das Beste geben, fasziniert Marco Odermatt die Ski-Schweiz auf höchstem Niveau. Was sagen Sie zur «Odi-Mania»?
Mir fehlen die Worte. Er ist einfach unglaublich. Wie er die Rennen mit dem Druck des Favoriten meistert, ist genial. Er schafft es spielend, für jedes einzelne Rennen wieder die notwendige Spannung hinzubekommen.  

Mit der Teilnahme an den Olympischen Jugendspielen haben Sie eines Ihrer beiden grossen Saisonziele erreicht. Wie sieht es mit dem anderen Ziel, dem Aufstieg ins C-Kader von Swiss Ski, aus?
Die Resultate des Brack Cups, welche für die Aufnahme eine wichtige Rolle spielen, stimmen. Ich habe in bisher drei Rennen zwei Podestplätze geschafft. Ich bin also auf Kurs. In einem Rennen gab es einen Nuller, weil ich mit Bestzeit nachträglich wegen eines Einfädlers disqualifiziert wurde. 

Welche wichtigen Rennen fassen Sie nach den Olympischen Jugendspielen noch ins Auge?
Ich möchte vor allem in den noch ausstehenden Brack Cup-Rennen überzeugen, um Ende Saison die Aufnahme ins C-Kader fix zu schaffen. Dann werde ich auch noch die Schweizer Meisterschaft in allen Disziplinen bestreiten. 

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Shaienne Zehnder, Skirennfahrerin SC Ahorn-Eriswil