• Präsident Jürg Rothenbühler (links) und Geschäftsführer Thomas Frei. · Bilder: Ueli Duppenthaler

  • Der Sumiswalder Gemeindepräsident Martin Friedli begründet den Rückweisungsantrag.

22.06.2023
Emmental

Brisante Abwahl bei der Regionalkonferenz

Die 25. Regionalversammlung der Regionalkonferenz Emmental (RKE) fand in Utzenstorf statt. Die Rückweisungen und Anträge zu den Traktanden der Einwohnergemeinde Sumiswald bezüglich der Umsetzung der Strategie «RKE 2023» führten zu einem Abstimmungsmarathon und gipfelten in der Abwahl des Sumiswalder Kommissionsmitglieds in der Kommission Planung.

Im Kirchgemeindehaus in Utzenstorf konnte Präsident Jürg Rothenbühler aus Rüderswil die Gemeindepräsidien von 35 der 39 Gemeinden sowie etliche Gäste zur 25. Regionalversammlung begrüssen. Nicht vertreten war unter anderem die Gemeinde Dürren­roth, wo gleichentags die Gemeindeversammlung stattfand.
Das Gebiet der Regionalkonferenz Em­mental umfasst die Einwohnergemeinden von Schangnau über Sumis­wald bis nach Bätterkinden mit insgesamt rund 97 500 Einwohnern. Es ist ein von der Politik im Zuge der Berner Bezirksreform geschaffenes Konstrukt, das weder den geografischen Grenzen noch den alten Amtsbezirken entspricht. Vielmehr orientierte sich die Berner Obrigkeit an den regionalen Verkehrskonferenzen, welche die heutigen Verkehrsflüsse und Wirtschaftsverflechtungen besser widerspiegeln. In einer regionalen Volksabstimmung im Jahre 2012 hat eine Mehrheit der Stimmberechtigten – im Gegensatz zum Oberaargau – der Schaffung der Regionalkonferenz «Emmental» zugestimmt. Die Regionalkonferenz ist eine gemeinderechtliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie dient der verbindlichen Zusammenarbeit der Gemeinden und übernimmt die vom Kanton Bern an sie delegierten Aufgaben. Die Stimmkraft der Gemeinden in der Regionalversammlung ist entsprechend der Gemeindegrösse gewichtet. Bei Anwesenheit aller 39 Gemeinden sind dies 79 Stimmen, wobei jede Gemeinde mindestens eine Stimme hat.

Rückweisung und Anträge der Gemeinde Sumiswald
Das Programm schien auf den ersten Blick mit acht Traktanden seinen üblichen Verlauf zu nehmen. So waren Jahresbericht 2022 und Jahresrechnung 2022 unbestritten. Der Hauptantrag der Einwohnergemeinde Sumiswald vom 5. Juni zu Traktandum 4, Umsetzung Strategie «RKE 2023» auf Rückweisung, bot mit folgendem Wortlaut etlichen Zündstoff: «Rückweisung aller Anträge von Reglementen und Änderungen inklusive Aufhebung der vier aufgeführten heutigen Kommissionen (Traktandum 4.1 bis 4.4) und Einsetzung der drei künftigen Kommissionen ‹Raumplanung›, ‹Mobilität› sowie ‹Regionalpolitik, Wirtschaft und Tourismus› mit ihren ergänzten Angaben (Neuwahl) Traktanden 4.5 bis 4.7 an die Geschäftsleitung zur Überar­bei­tung.» Damit widersetzten sich die Su­miswalder Behörden dem Entscheid der Geschäftsleitung der RKE, die neue Strategie «RKE 2023» verbunden mit der Umbenennung der Kommissionen und Neuwahlen inmitten der bis Ende 2024 laufenden Amtsperiode umzusetzen. Die grosse und wirtschaftlich starke Gemeinde mit den Ortschaften Wasen, Sumiswald und Grünen ist in der neunköpfigen Geschäftsleitung der Regionalkonferenz Emmental nicht vertreten. Dieses ungeschriebene Vorrecht haben nur die drei einwohnerstärksten Gemeinden Langnau, Burgdorf sowie Kirchberg mit etwas über 5900 Einwohnern und einer meist flachen Fläche von neun Quadratkilometern. Die viertgrösste Gemeinde Sumiswald mit über 5000 Einwohnern und einer hügeligen Fläche von 59 Quadratkilometern und einer aufwendigen Infrastruktur hat dabei das Nachsehen.

Strittiges Vorwahlverfahren
Die Vorgeschichte des Rückweisungsantrags begann, als der Gemeindeprä­sident von Sumiswald, Martin Friedli, am 15. März zur Kenntnis nehmen musste, dass die Geschäftsleitung der RKE in einem nicht reglementarisch festgelegten Vorwahlverfahren des Teilgebietes «mittleres Emmental» beschlossen hatte, den langjährigen Vertreter aus Sumiswald in der Kommission Planung, Fritz Kobel, infolge der geplanten Umsetzung der Strategie «RKE 2023» nicht mehr zur Wahl vorzuschlagen. So würde Kobel eineinhalb Jahre vor Ablauf der Amtszeit sein Amt verlieren. Gemäss Friedli ist es nicht das erste Vorkommnis dieser Art im Vorwahlverfahren gegen die grösste Gemeinde des Teilgebietes «mittleres Emmental». Nach der am 4. Mai erfolgten Einladung zur 25. Regionalversammlung suchte der Sumiswalder Gemeindepräsident das Gespräch mit der neunköpfigen Geschäftsleitung, worin die Gemeinden Burgdorf, Kirchberg, Utzenstorf, Kernenried, Lützel­flüh, Trachselwald, Rüderswil, Lang­nau und Trub vertreten sind. Dieses fand am 17. Mai in Langnau statt und verlief ergebnislos. Die Vertretung der Geschäftsleitung war nicht bereit, auf den Vorschlag der Gemeinde Sumis­wald einzugehen und das Inkrafttreten der Strategie «RKE 2023» auf den Beginn der neuen Amtsperiode am 1. Januar 2025 zu verschieben. In der Folge formulierten die Sumiswalder Behörden den bereits zitierten Hauptantrag. Das Vorgehen wurde vom Sumiswalder Gemeinderat an seiner Sitzung vom 5. Juni genehmigt. Gleichentags wurden der Geschäftsleitung der RKE der Rückweisungsantrag und die weiteren Anträge zugestellt. Zudem wurden die 37 Gemeindepräsidien und der Burg­dorfer Stadtpräsident in einem Brief über sämtliche Anträge und Begründungen informiert.
In seinem ausführlichen Votum begründete Martin Friedli den Rückweisungsantrag des gesamten Traktandums 4 – Umsetzung der Strategie «RKE 2023» – und die allenfalls notwendig werdenden Einzelanträge zu den Traktanden 4.1 bis 4.7, und hielt dazu fest: «Der Zeitpunkt dieser Abstimmungen und Wahlen inmitten der bis Ende 2024 laufenden Amtsperiode ist ein demokratiepolitisches Unding.» Weiter führte er aus, dass mit der Umsetzung der Strategie «RKE 2023» und der damit verbundenen neuen Sitzverteilung in den Kommissionen bis Ende 2024 gewählte Mitglieder abgewählt werden müssten. Eine faire Verteilung auf die Gemeinden sei so nicht mehr gegeben, was die einvernehmliche Zusammenarbeit in Zukunft erschweren werde. Weiter bemängelte Friedli den überbelegten Einsitz der Geschäftsleitung in den Kommissionen, wodurch die Anzahl Kommissionssitze einfach zugunsten der Geschäftsleitung um bis zu drei Mitglieder pro neue Kommission erhöht werde. Friedli bezweifelte, ob das Ganze noch rechtskonform und demokratisch sei. Zudem finde er im Geschäftsreglement keine solche Regelung, und auch in den reglementarisch festgehaltenen Aufgaben der Geschäftsleitung sei eine solche Aktivität mit allfälliger möglicher Beeinflussung in den Kommissionen nicht vorgesehen.
Der Hauptantrag auf Rückweisung von Traktandum 4 wurde mit 67 zu 5 Stimmen, auch mit der Stimme von Präsident Jürg Rothenbühler, abgelehnt. Das Geschäftsreglement der Regionalkonferenzen sieht in Art. 11, Abs. 3 vor, dass der Präsident mitstimmt. Für die weitere neutrale Versammlungsführung war dies nicht unbedingt förderlich.

Reglemente geändert
Mit der Ablehnung des Rückweisungsantrags war der Weg frei für die Abstimmungen zur Änderung des Geschäftsreglements und des Reglements Volkswirtschaft sowie der Umbenennung der Kommission in Regionalpolitik, Wirtschaft und Tourismus. Diese Anpassung widerspiegelt die zunehmende Bedeutung des Tourismus für das Emmental. Bei der Genehmigung der Reglemente musste über weitere zehn Anträge zu den Traktanden abgestimmt werden. Eine geharnischte Wortmeldung aus der Versammlung forderte Martin Friedli auf, die Rückweisungsanträge zurückzuziehen. Der Sumiswalder Gemeindepräsident kon­terte mit der Bemerkung, dass im Hinblick auf eine allfällige Beschwerde keine Formfehler vorliegen dürften und dies deshalb nicht möglich sei. Um die Beschwerdemöglichkeit der Gemeinde Sumiswald zu wahren, musste in der Folge über jeden Antrag einzeln abgestimmt werden.

Fritz Kobel abgewählt
Als Folge der vorhergehenden Beschlüsse erfolgte innerhalb der bis zum 31. Dezember 2024 laufenden Amtsdauer die Neuwahl der Kommission Raumplanung (ehemals Planungskommission), der Kommission Mobilität (ehemals Kommission ÖV), der Kommission Regionalpolitik, Wirtschaft und Tourismus (ehemals Kommission Volkswirtschaft). Die Regionalkonferenz ist in die Wahlkreise «unteres», «mittleres» und «oberes» Emmental aufgeteilt, wobei das «untere» Emmental vier und «mittleres» und «oberes» Emmental je zwei Sitze in jeder Kommission haben. Zusätzlich sind jeweils ein bis drei Mitglieder aus der Geschäftsleitung in den Kommissionen vertreten und präsidieren diese auch. Die Wahlen erfolgten in globo, mit Ausnahme der zwei Mitglieder «mittleres Emmental» der Kommission Raumplanung. Dazu stellte die Gemeinde Sumiswald den Antrag für eine geheime Wahl, der abgelehnt wurde. Das «mittlere» Emmental umfasst die Gemeinden Sumiswald, Trachselwald, Dürrenroth, Affoltern, Lützelflüh, Rüegs­au und Hasle bei Burgdorf. Drei bisherige Kommissionsmitglieder kan­d­idierten für die zwei Sitze. In Einzelwahl wurden Roland Ryser, Affol­tern, und Beat Reinhard, Rüegsau, klar gewählt. In einer eigentlichen Machtdemonstration wurde Fritz Kobel aus Sumiswald mit grosser Mehrheit abgewählt. Somit ist Sumiswald, in der öffentlich-rechtlichen Körperschaft des Emmentals nur noch in der Kommission Mobilität mit Barbara Maurer vertreten.
Im Gegensatz dazu ist Lützelflüh mit Gemeindeprä­sident Kurt Baumann in der Geschäftsleitung und in allen drei neu konstituierten Kommissionen vertreten. Baumann führt im Co-Präsidium die Raum­planungskommission. In die Kom­mission Mobilität wurde Thomas Gros­senbacher gewählt. Gemeinderat Ulrich Zaugg, der bisher keiner Kommission angehörte, nimmt Einsitz in die Kommission Regionalpolitik, Wirtschaft und Tourismus. Martin Friedli rügte die Kommissionswahlen gemäss Gemeindegesetz Art. 49a. Er stellte fest, dass in der Einladung geschrieben steht: «Zur Wahl stehen je Kommission acht Sitze.» Die im Vorwahlverfahren durch die Geschäftsleitung bestimmten Kandidierenden wurden da­bei namentlich aufgeführt. An der Regionalversammlung selbst wurden elektronisch Wahlvorschläge mit bis zu 11 Kommissionsmitglieder präsentiert, wobei zwischen Einladung und Regionalversammlung ein bis drei Geschäftsleitungsmitglieder dazu kamen. Friedli hielt fest, dass sich die Gemeinde Sumiswald eine Beschwerde beim Regierungsstatthalteramt vorbehalte.
Mit beschwichtigenden Worten versuchte Präsident Jürg Rothenbühler, die Wogen zu glätten. Der Rüderswiler Grossrat (die Mitte), der bei allen Abstimmungen offen gegen Sumiswald votierte, verwies dabei auf die demokratische Legitimation der an diesem Abend gefällten Entscheide. Für die Kulturkommission war eine Ersatzwahl notwendig. Olivier Grossenba­cher aus Dürrenroth wurde in Abwesenheit in diese vierte ständige Kommission gewählt.
Für die Transparenz der Regionalkonferenz mit vier ständigen Kommissionen wenig dienlich ist die Tatsache, dass die Kommissionsmitglieder nicht auf der offiziellen Website der Regionalkonferenz aufgeführt sind.

Konsultativabstimmung über die Kulturförderung
Ein entspannteres Traktandum war die Konsultativabstimmung über die Kulturbeiträge 2025 bis 2028. Die Kulturkommission wird von einem Vertreter der «grossen Drei», dem Burg­dorfer Stadtpräsidenten Stefan Berger, präsidiert. Vor der Konsultativabstimmung konnten sich die sieben geförderten Institutionen, davon vier aus Burgdorf, in Kurzform präsentieren. Aus der Region Trachselwald wird einzig das Gotthelfzentrum in Lützelflüh unterstützt. Die Vertreter vom Museum Franz Gertsch und dem neuen Schloss­museum Burgdorf berichteten von stark steigenden Besucherzahlen, insbesondere aus der Ostschweiz.
Nach 128 Abstimmungen und Wahlen beendete Präsident Jürg Rothenbühler die denkwürdige zweidreiviertelstündige Versammlung. Die 26. Regionalversammlung ist für den 16. November 2023 in Zollbrück geplant.

Von Ueli Duppenthaler