• Jürgen Gantert (links, mit Jobcoach Michael Frey) legt als Leiter Betriebe selbst Hand an. · Bild: Leroy Ryser

17.04.2020
Oberaargau

Coaches übernehmen für die Arbeitslosen

Auch der Verein «Maxi.mumm» wird von der Corona-Krise durchgeschüttelt. Weil der Kanton entschieden hat, die Arbeitslosenintegrationsprogramme und die damit verbundenen Coachings zu unterbrechen, hätte der Verein seine Betriebe vorübergehend schliessen können. «Maxi.mumm» ging aber andere Wege.

Madiswil/Langenthal · Am 17. März hat die Gesundheits-, Sozial- und Integrationdirektion des Kantons Bern (GSI) entschieden, die Integrationsprogramme für Arbeitslose vorerst einzustellen. Direkt betroffen von diesem Entscheid war vor allem das «Maxi.mumm», welches im Oberaargau diverse Betriebe mit Arbeitslosen aufrecht erhält. Einerseits werden Hauswartungsdienste für Liegenschaftsverwalter angeboten, in Madiswil steht eine Schreinerei und in Langenthal gewann der Hauslieferdienst in den letzten Monaten zunehmend an Interesse. Unter anderem in diesen Betrieben konnten Langzeitarbeitslose erstmals wieder in den Arbeitsalltag integriert werden und einen Schritt zurück in ein mögliches Berufsleben tun. Mit dem Entscheid des Kantons drohten diese Strukturen einzubrechen. «Insbesondere dort, wo wir in einer Wertschöpfungskette eingegliedert sind, drohten wir wiederkehrende Aufträge zu verlieren», weiss Bruno Kunz und nennt ein Beispiel: «In unserer Schreinerei produzieren wir Holzleisten für Palettrahmen. Wenn wir diesen Auftrag nicht weiter erfüllen können, dürfte er anders vergeben werden – und ob wir ihn später zurückerhalten, wäre fraglich.» Diese Aufträge würden aber fehlen, um nach Wiederaufnahme der Programme die Arbeitslosen beschäftigen zu können. Seit dieser Woche dürfen die Arbeitslosen im Kanton Bern zwar wieder mithelfen, in einem ersten Moment stellte sich aber die Frage: Wie kann man diese Zeit ohne die Arbeitslosen als Arbeitskräfte überbrücken?

Jobwechsel für die Hälfte
Die Lösung fand sich rasch: «Wir haben unsere Jobcoaches und sonstigen Angestellten umverteilt», sagt Maximumm-Geschäftsleiter Bruno Kunz. Beratungsgespräche wurden auf Anordnung des Kantons drastisch reduziert, weil diese nur noch – wie in der Schule – mit Fernlösungen möglich sind. Und jene, die beispielsweise in der nun geschlossenen Kantine arbeiteten, haben ebenfalls freigewordene Kapazitäten. «Wir haben drei festangestellte Gastromitarbeitende, die den Betrieb der Kantine leiten und strukturieren. Anstatt für sie Kurzarbeit zu beantragen, haben wir mit ihnen versucht, die fehlenden Arbeiter an anderen Orten zu kompensieren.» Kurz gesagt: Von rund 30 Angestellten haben etwa die Hälfte kurzerhand einen neuen Job erhalten. «Dieses Vorgehen war mit der GSI abgesprochen und innerhalb von einem Tag umgesetzt. Bereits ein Tag nach dem Entscheid haben unsere Festangestellten andere Arbeiten übernommen», sagt Bruno Kunz. An dem Auftrag der Fritz Born AG, wo Arbeitslose sonst helfen, Bausätze für Lehrlingsprüfungen zu verpacken, arbeitet nun das Gastro-Team. In der Madiswiler Schreinerei werden Jobcoaches eingesetzt.

Lieferdienst sogar noch beliebter
Das ganze Auftragsvolumen konnte mit diesen Massnahmen zwar nicht kompensiert werden, aber immerhin ein Teil davon. «Alle haben darauf sehr solidarisch reagiert, viele waren auch froh, dass sie überhaupt etwas arbeiten dürfen», erklärt Bruno Kunz weiter. Immerhin musste das «Maxi.mumm» dadurch keine Kurzarbeit beantragen. Und: Vor allem der Hauslieferdienst in Langenthal floriert weiterhin bestens. «Vorher rief uns die Apotheke Lanz an, wenn es Aufträge gab. Heute fahren wir täglich mehrmals hin, weil wir wissen, dass es sowieso diverse Aufträge gibt», so der Geschäftsleiter weiter.
Auch der Einkaufslieferservice sei sehr beliebt, weshalb zwischenzeitlich sogar neun temporäre Aushilfsfahrer – in erster Linie Studenten und Lernende – akquiriert wurden. «Die Umstellung hatte Vor- und Nachteile. Der Perspektivenwechsel tut auch uns gut. Wir sehen, was wir unseren Arbeitslosen zumuten», sagt Bruno Kunz. Dieser Perspektivenwechsel mache man auch sonst hin und wieder, dann aber meist nur für einen Tag. «Zugleich war schon auch ein gewisser Druck vorhanden. Dass viele nun eine ganz andere Arbeit verrichten müssen, belastete nach einer gewissen Zeit schon ein bisschen.» Er selbst versuche solche Schwankungen aufzufangen, daneben amtete er aber nicht nur als Organisator der neuen Strukturen, sondern auch als helfende Hand. «Was ich von meinen Mitarbeitern verlange, will ich auch selbst leisten», sagt Bruno Kunz.
Letztlich seien die getroffenen Entscheidungen die beste Möglichkeit für die Situation, in der sich das «Maxi.mumm» befand, gewesen. Denn immerhin konnte dadurch die Arbeit einfacher wieder aufgenommen werden, als der Start diese Woche wieder möglich war. Das Motto sei eindeutig: «Wir halten Abstand, aber wir halten zusammen.» Und dies soll letztlich den Schwächsten in der Gesellschaft zu Gute kommen: Den Arbeitslosen.

Von Leroy Ryser