• Dank dem Buchgewinn für die Liegenschaft «Alte Mühle», die wieder in den Besitz der Stadt übergehen soll, ist das Budgetdefizit hellrosa. · Bild: Thomas Peter

31.08.2020
Langenthal

Corona sorgt für «Steuerfussschweiss»

Das Budget 2021 der Stadt Langenthal ist mit knapp zwei Millionen Defizit fast hellrosa, doch die drohenden Wolken dahinter sind zappenduster. Ohne einmalige Sondererträge wäre das budgetierte Minus schon für 2021 deutlich über 5 Millionen Franken. Bis 2025 würde es ohne Massnahmen gar auf gegen 10 Millionen wachsen. Corona einerseits mit massiv weniger Steuereinnahmen bei den juristischen Personen und das enorme Investitionsprogramm von 105 Millionen lassen das Stadtvermögen dahinschmelzen. Eine Steuerfusserhöhung scheint unumgänglich, und die Sportarena ohne tragende Wirtschaftsspritze eher undenkbar.

Von 3,1 Millionen (Budget 2020) runter auf 1,92 Millionen Franken Defizit. Die nackten Zahlen verheissen einen Schimmer am Langenthaler Finanzhorizont. Doch: «Unserer Freude über die Verbesserung gegenüber dem Vorjahr ist recht verhalten», gibt  Gemeinderat Roberto Di Nino (SVP) an der Medienorientierung unumwunden zu. Aussergewöhnliche Faktoren hätten zu ausserordentlichen Erträgen geführt. So wurde aus den drohenden 5,5 Millionen letztlich knappe 2 Millionen Franken. Zu den ausserordentlichen Erträgen gehören die 570 000 Franken vom Kanton als Einmalbetrag für die Fusion mit Obersteckholz. Hinzukommen 2,97 Millionen Franken Buchgewinn durch die beabsichtigte Rückführung der Liegenschaft «Alte Mühle» in den Besitz der Stadt. «Es ist keine Besserung in Sicht. Die Herausforderungen werden zunehmen», macht Roberto Di Nino kein Hehl um den Ernst der Lage.

Einbruch bei Firmensteuererträgen
«Wir sind kalt erwischt worden», verweist er auf die Folgen der Coronapandemie: Während die direkten Steuereinnahmen bei den natürlichen Personen gegenüber dem Vorjahr noch leicht auf 29,3 Millionen Franken steigen dürften, wird bei den juristischen Personen (Firmen) ein massiver Einbruch von 42 Prozent oder 2,2 Millionen Franken erwartet. Zwar rechne man nach 2021 wieder mit einem Anstieg, doch würden die Erträge noch längerfristig unter  jenen vor der Coronakrise bleiben. Für 2021 rechne man aber mit einem Rückgang der Gesamtsteuererträge von 1,85 Millionen Franken (-4,6 Prozent).
Auf der anderen Seite stehen die Mehrausgaben von 2,5 Millionen Franken gegenüber dem Budget 2020. Konkret: 1,06 Millionen für den Personalaufwand. Darin enthalten sind Lohnerhöhungen, die Übernahme der Stellen durch die Fusion mit Obersteckholz  sowie die Schaffung von neuen Stellen. 600 000 Franken jährliche Zusatzkosten verursacht die neue IT-Strategie für die Schule (ICT4Kids). «Wir haben bisher nicht sehr viel investiert und die Kosten waren sehr tief. Deshalb ist die Differenz zu jetzt so hoch», erklärte dazu Stadtpräsident Reto Müller (SP). Und um gut 560 000 Franken nimmt der Transferaufwand (Leistungen an Bund, Kantone und Verbände) zu, wobei vor allem die Beiträge an die Lehrergehaltskosten ins Gewicht fallen und die weiteren Lastenausgleichszahlungen an den Kanton kontinuierlich auf über 21 Mio. Franken steigen werden.

165 Millionen Franken Schulden
Langenthal befinde sich zudem in einer noch nie dagewesenen Investitionsphase mit Vorhaben in der Höhe von 105 Millionen Franken, hielt Roberto die Nino mit Blick auf den Finanzplan 2021 bis 2025 fest. Hierbei fällt vor allem der ESP Bahnhof ins Gewicht. Da die Vorhaben hauptsächlich fremd finanziert werden, steigen die Schulden der Stadt Langenthal von aktuell 65 Mio. auf 165 Mio. Franken bis Ende 2025. «Das ist ein extrem untypischer Wert», so Roberto Di Nino. Doch dank dem hohen Eigenkapital und den aktuellen Negativzinsen sei dies für eine Stadt wie Langenthal durchaus vertretbar. Gleichzeitig nehmen die Wertschriftenanlagen von 30 auf 4 Mio. Franken ab. Zudem sinke der sonst schon sehr tiefe Selbstfinanzierungsgrad, der im Idealfall 100 Prozent wäre, von aktuell plus 18 Prozent auf minus 17 %.

Inakzeptable Budgetdefizite
All dies führe in der kommenden Legislaturperiode zu immer höheren Budgetdefiziten, «die man aus heutiger Sicht sicher als undiskutabel bezeichnen muss», wies Roberto Di Nino nicht von der Hand. «Wir werden einige Anstrengungen unternehmen müssen, um das Ganze auf ein Niveau zu bringen, das politisch zu verantworten ist.» Doch er warne vor einem Hyperaktivismus. Dank dem soliden Bilanzüberschuss (Eigenkapital) habe Lan­gen­thal glücklicherweise die Zeit, dies ohne Hauruckübungen tun zu müssen. Bis 2025 würde der Bilanzüberschuss (aktuell 79 Mio. Franken)noch immer 42 Mio. Franken betragen. Dennoch: «Mitte der 20er-Jahre müssen die Massnahmen umgesetzt werden.» Ein Budget mit einem Minus von 7, 8 oder gar bis 10 Millionen Franken, wie es der aktuelle Finanzplan vorsieht, werde wohl in Langenthal von niemandem goutiert. Die Schmerzgrenze dürfte bei maximal drei Millionen Franken liegen. «Es wird anspruchsvoll in den nächsten Jahren.»

Wankt der Steuerfuss?
Doch was für Massnahmen will man ergreifen? Reto Müller: «Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir sparen und tätigen weniger Investitionen. Oder wir müssen die Ertragslage steigern. Mit anderen Worten: Auch eine Steuerfusserhöhung muss in Betracht gezogen werden.» Natürlich gelte weiterhin das Ziel der aktuellen Legislaturperiode: Das Defizit verringern bei gleichbleibender Steueranlage. «Aber wo wollen und können wir sparen? Ab wann muss der Dampfer umgelenkt werden Richtung mehr Einnahmen?» Man dürfe nicht vergessen, dass Langenthal im Vergleich zu allen Berner Städten den tiefsten Steuerfuss habe.
Was heisst das letztlich für die heiss geforderte neue Sportarena? «Die Planungskosten sind im Investitionsplan 2021 enthalten. Für die Realisierung haben wir aber im Finanzplan eine Null stehen. Es wird sich zeigen, ob dies eine Null bleiben wird.» Hier sei ganz klar die Wirtschaft gefordert. «Für den Breitensport braucht es keine Eishalle für 6000 Besucher.» Wenn die Wirtschaft aber eine solche Arena fordere, dann müsste sie auch bereit sein, diese quer zu finanzieren.

Von Thomas Peter