• Ferienheimleiterin Erika Jenzer und Stiftungspräsident Lars Schlapbach hoffen, dass nach der Pandemie der grosse Ansturm auf das Ferienheim im Oberwald in Dürrenroth folgt und die Saison doch noch gerettet wird. · Bild: Walter Ryser

30.03.2020
Oberaargau

Coronavirus gefährdet die Hammer-Saison

Das Ferienheim Oberwald in Dürrenroth hätte in diesen Tagen den Betrieb aufnehmen sollen. Leiterin Erika Jenzer war voller Vorfreude, seien doch so viele Anmeldungen eingegangen wie nie zuvor. Doch nun gefährdet das Coronavirus die geplante Hammer-Saison.

Dürrenroth · «Das könnte eine Hammer-Saison geben», sagt Erika Jenzer. Die Leiterin des Ferienheims im Oberwald, in der Gemeinde Dürrenroth, sitzt zusammen mit Lars Schlapbach, Präsident der Stiftung Ferienheim Oberwald, bei schönstem Frühlingswetter auf der Terrasse vor dem Heim. Seit 29 Jahren ist die 61-jährige Bützbergerin die gute Seele im Ferienheim und sie sagt voller stolz: «So viele Anmeldungen hatten wir noch nie.»
Doch nun gefährdet das Coronavirus die geplante Hammer-Saison. In diesen Tagen hätte David Kobel vom «maximum» in Langenthal mit einer Gruppe anrücken und mithelfen wollen, das Ferienheim für den Betrieb bereit zu machen. An Ostern hätten die ersten Gäste kommen sollen, lässt Erika Jenzer durchblicken. Diese musste sie vorerst vertrösten, weil bis 19. April der vom Bundesrat verordnete Notstand gilt.
Auch David Kobel musste sie zurückpfeifen, genauso wie ihre Stellvertreterin Marianne Heiniger, die zusammen mit ihrem Mann für Helferdienste zur Verfügung steht. Beide hat sie vorerst in die Warteschlaufe versetzt.

Hoffen auf zweite Saisonhälfte
Anwesend ist dafür ein Schreiner, der eine Offerte erstellt für neue Türen. Die Stadt Langenthal unterstützt das Ferienheim jährlich mit einem Beitrag von 10 000 Franken, die für Unterhaltsarbeiten verwendet werden. In den letzten Jahren ist damit beispielsweise die Heizung ersetzt worden. Nun sind eben die Türen an der Reihe, wie Lars Schlapbach erläutert. Erika Jenzer wird in den nächsten Tagen ebenfalls weiter im Ferienheim anzutreffen sein. «Diverse Reinigungs- und Aufräumarbeiten seien angesagt und auch kleinere Umgebungsarbeiten», sagt sie.
Dennoch werde er für die Leiterin Kurzarbeit beantragen, bemerkt Lars Schlapbach. Weil man zudem über eine Epidemie-Versicherung verfüge, sei auch ein gewisser Umsatzausfall gedeckt, gibt der Präsident der Ferienheim-Stiftung zu verstehen. Noch hoffen beide, dass zumindest die zweite Saisonhälfte stattfinden kann. Lars Schlapbach glaubt sogar, dass Anfang Juni alles wieder seinen gewohnten Lauf nehmen wird.

Ein Haus, das für alle offen steht
Das Ferienheim im Oberwald wurde 1908 für Kinder erbaut, die sich keinen Urlaub leisten können. 1917 erwarb der Ferienversorgungsverein Langenthal das Grundstück samt Liegenschaft für 20 000 Franken. Ende der 1980er-Jahre wurde aus dem Ferienversorgungsverein Langenthal die Stiftung Ferienheim Oberwald, die den Ferienbetrieb bis heute führt. Das Haus steht allen Personen zur Verfügung, Schulen, Vereinen, Firmen und privaten Gruppen. Die Langenthaler Schulen haben aber jeweils Vorrang. Erika Jenzer sagt, dass an Wochenenden nicht selten auch Hochzeitsessen, Konfirmationen oder Geburtstagsfeiern stattfänden. Das Heim verfügt über eine grosszügige Küche, zwei Aufenthaltsräume, neun Schlafräume mit total 35 Betten sowie Aussenplätze für diverse Aktivitäten.

Ferienbetreuung als neues Angebot?
Nebst Landschulwochen, Ferien-, Schul- und Konfirmandenlager sowie anderen Gruppenanlässen könnte das Ferienheim vielleicht schon bald für ein weiteres Angebot zur Verfügung stehen. Lars Schlapbach erwähnt, das erste Gespräche stattgefunden hätten, um hier im Oberwald auch Ferienbetreuungsplätze für Kinder anzubieten. «Das Ferienheim, mit seiner gesamten Infrastruktur, ist vorhanden, das Bedürfnis der Eltern nach einem solchen Angebot ist unbestritten. Was jetzt noch fehlt ist das Bindeglied dazwischen, ein durchführendes Organ», bemerkt der 52-jährige Versicherungsfachmann aus Madiswil, der sich den Trägerverein für offene Kinder- und Jugendarbeit Oberaargau (ToKJO) als einen möglichen Partner dafür vorstellen könnte. Auch glaubt er, dass die Kosten eines solchen Angebots für die Eltern verhältnismässig gering ausfallen würden. Die Idee werde weiterverfolgt, sagt Lars Schlapbach.

Erika Jenzer, die gute Seele
Derweil geht der Blick von Erika Jenzer in die andere Richtung, zurück auf ihre Tätigkeit in den letzten 29 Jahren. «Die Arbeit hier oben ist gut für meine Seele und mein Wohlbefinden», sagt sie. Hier entfliehe sie jeweils der Hektik, die sie unten in Langenthal immer öfter zu spüren bekomme. Nach wie vor empfinde sie bei ihrer Tätigkeit eine grosse Befriedigung. Deshalb sei sie auch im Winter, wenn das Ferienheim geschlossen sei, oft hier, sitze vor dem Haus, betrachte die wunderbare Landschaft und lasse die Seele baumeln. In all den Jahren habe sie viele wunderbare Bekanntschaften geschlossen. «Wenn ich durch Langenthal laufe, werde ich oft auf meine Tätigkeit angesprochen, von Leuten, die früher als Kind Lagerwochen im Oberwald verbracht haben.» Deshalb hofft Erika Jenzer, dass demnächst neue Bekanntschaften dazu kommen werden und sie dann vielleicht in ihrem Jubiläumsjahr 2021 (30 Jahre Leiterin Ferienheim Oberwald) eine richtige Hammer-Saison erleben wird.

Von Walter Ryser