• Der 71-jährige Odo Camponovo leitet seit dem vergangenen November den Pastoralraum Oberaargau. · Bilder: zvg

25.01.2021
Oberaargau

Das Evangelium leben, die Ökumene fördern

Odo Camponovo ist seit rund drei Monaten Pastoralraumleiter Oberaargau ad interim der Römisch-katholischen Kirche. Sein Vertrag ist bis Sommer 2021 befristet. Falls bis dahin die Nachfolgeregelung noch nicht getroffen ist, stünde er für eine Vertragsverlängerung bereit. Im Interview mit dem «UE» vermittelt er Spannendes.

Oberaargau ·Hans Mathys im Gespräch mit Odo Camponovo, Pastoralraumleiter Oberaargau ad interim der Römisch-katholischen Kirche  

Der 71-jährige Odo Camponovo ist seit 1. November 2020 Leiter ad interim des Pastoralraums Oberaargau der ­Römisch-katholischen Kirche. «Kirche kann nicht leben ohne die Gläubigen, die hier mitmachen», sagt er und bezeichnet den Pastoralraum Oberaargau mit den vier Pfarreien Langenthal, Huttwil, Herzogenbuchsee und Wangen an der Aare als «Raum der Zusammenarbeit mit Arbeitsteilung und ­gegenseitiger Unterstützung».
Der mit der Entwicklung von Pastoralräumen vertraute Odo Camponovo hat schon einige Pastoralräume ad
interim geleitet. Eine der wichtigsten Aufgaben im Pastoralraum sei es, so Odo Camponovo, nach Krisen und schwierigen Zeiten Kontakt zu solchen Leuten zu haben, ihnen Mut zu machen und zu sagen, dass das
Leben weiter gehe und nicht alles verloren sei. Er möchte die Menschen ermutigen, ihre Anliegen vorzubringen, damit ein gemeinsames Weitergehen möglich wird. Sein Rat: «Versuchen Sie, aus dem Glauben zu leben, im Alltag, in den Familien oder im Beruf.»

Odo Camponovo: Wie sind Sie zu ­diesem Amt als Pastoralraumleiter Oberaargau ad interim der Römisch-katholischen Kirche gekommen?
Bei meiner Pensionierung als Pastoralverantwortlicher in der Bistumsleitung habe ich gesagt, dass die Abteilung Personal mich für Stellvertretungen anfragen könne. Ich hatte Kontakte mit dieser Abteilung und dann mit Edith Rey vom Bischofsvikariat St. Verena, das für die Kantone Bern, Solothurn und Jura zuständig ist.

Welches ist Ihre Motivation, sich sogar noch im Pensionsalter als Pastoralraumleiter Oberaargau weiterhin intensiv für die Römisch-katholische Kirche zu engagieren?
Die Verpflichtung der Botschaft Jesu gegenüber hört mit der Pensionierung nicht auf. Ich habe dies als Theologe mein Leben lang zu leben versucht – in interessanten Positionen. Da ich noch einigermassen zurechnungsfähig bin, fühle ich mich mitverantwortlich, dass die Kirche ihren Auftrag erfüllen kann. Aus meiner Erfahrung weiss ich zudem, dass es bei Vakanzen – das heisst, wenn eine Leitungsstelle nicht besetzt ist – hilfreich ist, wenn eine Stellvertretung eingesetzt werden kann. Zudem ist es nur eine 50-Prozent-Stelle. Das gibt mehr Luft.

Wie lange rechnen Sie, dass diese ­Interimslösung bis zur definitiven Nachfolgeregelung anhalten wird, und gibt es eine vertraglich festgelegte, zeitliche Begrenzung Ihrer «Oberaargauer» Tätigkeit?
Ich habe einen befristeten Vertrag bis im Sommer 2021, bin aber bereit, bis zur Einsetzung eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin zu bleiben und hoffe, dass das nicht zu lange dauert. Prognosen mache ich keine. Solche sind schlicht nicht möglich.

Welches sind Ihre Anliegen und Ziele während Ihres interimistischen Wirkens im Oberaargau?
In erster Linie geht es darum, dass die Grundaufgaben erfüllt werden können. Der «Normal- beziehungsweise Mindestbetrieb» sollte gewährleistet sein. Da es im Seelsorgeteam zu mehreren Wechseln gekommen ist, müssen viele Kontakte neu geknüpft werden – auch in der Ökumene. Zahlreiche Gruppierungen mit vielen Freiwilligen, der Kirchgemeinderat, die Pfarreiräte, die Angestellten, Menschen, denen die Kirche etwas bedeutet – sie alle tragen das kirchliche Leben. Ihr Engagement ist zentral. Dem ganzen Seelsorgeteam ist es ein Anliegen, dass diese Personen gestützt werden, motiviert sind, ihr Engagement weiterzuführen. Sie sollen spüren: Wir schätzen euch, eure Initiativen, Ideen und euren konkreten Einsatz. Zudem müssen wir überlegen, wie die Bereiche der Jugendarbeit und der Diakonie – soziales, gesellschaftliches Engagement – entwickelt werden können. Da sehe ich grosse Lücken. Immerhin ist die Diakonie eine der Grundfunktionen der Kirche.

Wie gehen Sie mit der Corona-Digitalisierung um – welches sind diesbezüglich die neuen Herausforderungen, was ist anders, und in welchen Bereichen sind Sie zurzeit besonders gefordert?
Im Moment fehlen uns schlichtweg die Ressourcen für grosse Sprünge. Wir hangeln uns sozusagen von Improvisation zu Improvisation. Erschwert sind Erstkontakte. Da ist die reale Begegnung von ganz anderer Intensität und Qualität.

Nach dem am 26. November 2016 vollzogenen, mit Bischof Felix Gmür gefeierten Systemwechsel zum Pastoralraum Oberaargau, gab es einige Probleme. Welcher Art waren diese, und wie sind sie gelöst worden?
Ein gemeinsames Seelsorgeteam, Zusammenarbeit in der Katechese unter einem gemeinsamen Dach und ein gemeinsames Sekretariat geben mehr Möglichkeiten, um auf die komplexere pastorale Situation eingehen zu können. Das ist der Sinn der Pastoralräume. Der Übergang von vier Pfarreien, die mehr oder weniger für sich waren, zu einer grösseren Einheit, ist kein leichter Prozess und bringt viel Unruhe. Es geht um Zusammenarbeit, um Arbeitsteilung, um Förderung der eigenen Stärken. Es geht auch um eine geänderte Perspektive. Es geht darum, sich zu fragen: Wie kann in unserer Region das Evangelium gelebt und verkündet werden? Die einzige Frage darf nicht sein: Wie geht es uns in unserer Pfarrei? Die Kirche hört nicht bei der Pfarrei auf. Die Pfarrei ist nicht Selbstzweck – aber sie hat eine wichtige Funktion. Sie ist ein sichtbarer Ort gelebten Glaubens. Eine solche Perspektivenerweiterung geschieht in einem Versuch- und Irrtum-Prozess. Es gilt, Erfahrungen zu sammeln, zu evaluieren und zu korrigieren. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler – jedoch einen grundsätzlichen. Ich glaube, dass wir nun in einer Evaluationsphase sind. Dabei müssen wir zuerst einmal sorgfältig zuhören.

Aktuell sind Sie als interimistischer Leiter des Pastoralraums Oberaargau allein für alle vier Pfarreien zuständig. Worin sehen Sie hier die Vorteile, wo allfällige Nachteile?
Die Leitung sollte die Übersicht über das Ganze haben, die Vielfalt gelebten Lebens sehen, fördern und zusammenhalten – und auch den Austausch fördern. Man ist dann halt nicht die Repräsentationsfigur einer Pfarrei, sondern arbeitet stärker im Hintergrund, in der Koordination und im Austausch mit Gremien und Gruppen.

Die Mentalitäten und Ansprüche beispielsweise der Pfarrei von Wangen an der Aare und jener von Huttwil sind verschieden. Wie bringen Sie diese Unterschiede unter einen Hut?
Die müssen nicht unter einen Hut gebracht werden im Sinne einer Vereinheitlichung. Kriterium sollte sein:
Wird der Glaube gelebt? Versucht eine Pfarrei, eine Gruppe sich mit «Freude und Hoffnung, Trauer und Angst
der Menschen von heute» zu identifizieren und die heilende Botschaft des Glaubens ins Spiel zu bringen? Dies ist das pastorale Programm des II. Vatikanischen Konzils. Das soll Platz haben, soll gestützt werden.

Sie sind 71-jährig. Ihr beruflicher Werdegang war Teil der Videobotschaft beziehungsweise des Interviews, das der 66-jährige Robert Zemp mit Ihnen geführt hat und das an der Kirchgemeindeversammlung vom 30. November eingespielt wurde. Robert Zemp haben Sie beim Theologiestudium in Freiburg kennengelernt. Nun hat er das Präsidium der Römisch-katholischen Kirche Lan­genthal dem 53-jährigen Huttwiler Philippe Groux übergeben. Wie charakterisieren Sie Robert Zemp und welche Eindrücke haben Sie von Philippe Groux gewonnen?
Mit Robert Zemp hatte ich seit dem Studium keinen Kontakt mehr. Ich bin seit 1. November 2020 hier. Beide habe ich bisher in drei Kirchgemeinderatssitzungen getroffen und ein paar Mal mit ihnen gesprochen. Dabei habe ich beide als engagierte Personen erfahren. Es freut mich, dass sie sich zur Verfügung stellen. Es gibt prestigeträchtigere und lukrativere Posten als das Amt des Kirchgemeindepräsidenten. Ich bin zuversichtlich, dass wir gut zusammenarbeiten können.

Sie waren vor Ihrem Stellenantritt im Oberaargau im Kanton Solothurn und im Kanton Aargau tätig. Welches sind Ihre ersten Erfahrungen mit dem Kanton Bern – und welches sind Unterschiede, die Ihnen in dieser kurzen Zeit bereits aufgefallen sind?
Bisher war ich immer in Gebieten tätig, die konfessionell einigermassen ausgeglichen waren. Im Oberaargau sind die Katholiken eine Minderheit. Wir haben an sechs Orten kirchliche Gebäude und damit Kristallisationspunkte für kirchliches Leben. Und die andern über 40 Gemeinden? Ich bin froh, dass dort reformierte Kirchgemeinden den christlichen Glauben bezeugen. Die Alltagsarbeit ist jedoch nicht so unterschiedlich. Die Grundfrage ist überall dieselbe: Wie können wir den Glauben ins Spiel bringen in einer Gesellschaft, die das Hineinwachsen in ein durch Glauben geprägtes Leben nicht mehr auf vielfältige Weise stützt? In der heutigen Gesellschaft geht es darum, den christlichen Glauben überhaupt zum Thema zu machen und ihn in die Gesellschaft einzubringen. Da sehe ich keine grossen Unterschiede. Ich hatte das Vorurteil, dass es im Kanton Bern für alles ein Reglement gibt. Bisher bin ich aber auf viel Flexibilität gestossen.

Welche Aufgaben übernimmt Josef Wiedemeier als priesterlicher Mitarbeiter ab 1. November 2020 in seiner Funktion als Kaplan im Pastoralraum?
Wir sind auch hier in einer Such- und Aufbauphase. Es sind noch weitere Stellen frei, und ich bin nur Stellvertreter in Teilzeit. Der definitive Personaleinsatz muss teilweise offen bleiben. Sicher ist, dass Josef Wiedemeier und Arogya Salibindla in allen Pfarreien Gottesdienste feiern werden. Für Taufen und Beerdigungen ist Josef Wiedemeier der erste Ansprechpartner in Herzogenbuchsee, Wangen und Niederbipp. In Lan­genthal und Huttwil ist es Kaplan Salibindla. Josef Wiede­meier betreut die Ressorts Kirchenmusik, Erwachsenenbildung, Ökumene und Ministranten.

Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft des Pastoralraums Oberaargau äussern könnten – welches wäre dieser Wunsch?
Dass das Evangelium gelebt und bezeugt wird – zum Wohle der Menschen.