• Das Schulzentrum Kreuzfeld in Langenthal stellt an Wochenenden einen Brennpunkt für eine unerwünschte Szenenbildung dar, die dank dem Projekt SIP stark eingeschränkt werden konnte. Ab Januar 2021 ist dieses Areal vorerst wieder unbeaufsichtigt. · Bild: Walter Ryser

13.11.2020
Langenthal

Das Projekt SIP wird vorerst ausgesetzt

Das Projekt SIP (Sicherheit, Intervention und Prävention) ist in Langenthal eine Erfolgsgeschichte. Dennoch hat sich der Stadtrat an seiner letzten Sitzung knapp gegen eine Weiterführung dieses Erfolgsmodells ausgesprochen. Grund ist, dass der Gemeinderat den Auftrag für die nächsten vier Jahre an einen neuen Anbieter vergeben hat, während es ein Grossteil des Stadtrates bevorzugen würde, den bisherigen Anbieter ToKJO mit der Fortsetzung von SIP zu beauftragen.

Das Pilotprojekt SIP (Sicherheit, Intervention und Prävention), das seit Herbst 2011 in Langenthal zur Anwendung kommt, erhält durchwegs gute Noten – auch vom Stadtrat, der seither mehrmals einer Verlängerung des Projektes zugestimmt hat. Mit SIP wird die Szenenbildung in Langenthal bekämpft: Offener und übermässiger Alkoholkonsum, aber auch der Konsum von illegalen Betäubungsmitteln im öffentlichen Raum sorgen regelmässig für negative Schlagzeilen sowie ein ernst zu nehmendes Unbehagen in der Bevölkerung. Die enge und gute Zusammenarbeit unter der Federführung des Amtes für öffentliche Sicherheit mit SIP, der Kantonspolizei Bern und der ständige Austausch mit weiteren Institutionen im Sozial- und Suchtbereich wie Contact Mobil trugen entscheidend dazu bei, dass sich die Lage rund um die offene Alkohol- und Drogenszene in Langenthal entspannt hat.

Aus Formsache wird Streitsache
Seit Projektbeginn 2011 ist der Trägerverein offene Kinder- und Jugendarbeit Oberaargau (ToKJO) Partner der Stadt Langenthal beim Projekt SIP. Hauptbestandteil der aktuellen Leistungsvereinbarung sind der mobile Sozial- und Ordnungsdienst. Der mobile Ordnungsdienst beinhaltet die Patrouillendienste am Freitagabend und ist erst seit 2013 Bestandteil des SIP-Projekts.
Personen, welche mit ihrem Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit stören oder gefährden, sind den Patrouillierenden meist namentlich bekannt. Die Anonymität von Einzelpersonen oder Personengruppen kann so wesentlich verringert werden, was sich massgeblich auf ihr Verhalten auswirkt. Momentan werden für das Projekt SIP rund 112 000 Franken pro Jahr ausgegeben. Die Verlängerung von SIP um weitere vier Jahre schien deshalb im Langenthaler Stadtrat lediglich eine Formsache zu sein, zumal der Tenor eindeutig war und die Mitglieder des Stadtrates grossmehrheitlich von der positiven Wirkung von SIP überzeugt sind. Doch zur allgemeinen Überraschung kam alles ganz anders, weil, wie so oft, der Teufel im Detail steckt, ganz besonders bei SIP. Bereits der Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK), vorgetragen von Patrick Freudiger (SVP), liess Zweifel aufkommen, dass SIP in eine weitere Runde gehen wird. «Die GPK legt Wert darauf, dass der Dienstleistungserbringer lokal gut verankert ist. Die GPK hat jedoch beim jüngsten Ausschreibungsverfahren seine Zweifel, dass dieser Aspekt entsprechend berücksichtig wurde», betonte Freudiger, weshalb die GPK das Geschäft dem Stadtrat zur Ablehnung empfahl.

Erstaunte Stadträte
Der für das Geschäft zuständige Gemeinderat Markus Gfeller (Ressort Öffentliche Sicherheit) musste anschliessend die Katze aus dem Sack lassen und mitteilen, dass der Gemeinderat bei der Vergabe des Auftrages für die nächsten vier Jahre einen neuen Anbieter anstelle des bisherigen Leistungserbringers ToKJO berücksichtig hat. Da nützte auch sein Hinweis nicht mehr viel, dass es bei diesem Geschäft nicht um den Erbringer der Dienstleistung gehe, sondern darum, das Projekt SIP um weitere vier Jahre zu verlängern. Denn trotz dieses Hinweises kippte die Stimmung im Stadtrat gegenüber dem Projekt, das zuvor unbestritten schien.
Die parteilose Stadträtin Josephine Lüdi beispielsweise gab zu verstehen, dass man ein Projekt in erster Linie verlängere, weil man mit der erbrachten Leistung zufrieden gewesen sei. Gerhard Käser (SP) widersprach Gemeinderat Gfeller. Es gehe nicht bloss um die Verlängerung des Projektes, sondern darum, dass die aktuellen SIP-Dienstleister enorm gut vernetzt seien und Zugang zu den auffälligen Personen hätten. «Diesen Vorteil würde ich mit dem Engagement eines reinen Ordnungsdienstes nicht einfach so aufs Spiel setzen», mahnte er.
Auch Beat Hasler (parteilos) zeigte sich sehr erstaunt über das Vorgehen des Gemeinderates. «Der Gemeinderat will von einem guten Team Abschied nehmen, das hervorragend funktioniert hat und erstklassige Arbeit abgeliefert hat, das ist schon sehr erstaunlich», monierte er. Die aktuellen SIP-Leute würden die Personen auf den Brennpunkten kennen und wüssten deshalb genau wie reagieren. Eine neue Organisation von aussen könne einen solchen Dienst gar nicht gewährleisten, fügte Hasler hinzu.

Gfeller wehrt sich erfolglos
Gegensteuer gab Stadträtin Corinna Grossenbacher (SVP). Sie zeigte sich erstaunt über den Widerstand und sagte: «Es kann doch nicht sein, dass man sich gegen ein gutes Angebot stellt, nur, weil für einmal nicht ToKJO zum Zuge kommt», argumentierte sie. Gemeinderat Markus Gfeller machte abschliessend die Stadträte darauf aufmerksam, dass der Auftrag exakt so ausgeschrieben worden sei, wie er dem heutigen Leistungsauftrag von ToKJO entspreche, mit einem sozio-kulturellen Aspekt, zusätzlich zum Ordnungsdienst.
Auch gab Markus Gfeller zu bedenken, wenn der Stadtrat die Verlängerung von SIP ablehne, müsse man das Angebot ab dem 31. Dezember einstellen. Doch alle Hinweise seitens des Gemeinderates halfen nichts: Der Rat lehnte die Verlängerung von SIP für weitere vier Jahre bei 14 Ja-, gegen 17 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen ab. Fortsetzung folgt …

Von Walter Ryser