• Enrico Slongo läuft gerne durch die Marktgasse. Er durfte sie mitprägen. · Bild: Leroy Ryser

30.01.2019
Langenthal

«Der Bau einer Stadt geht immer weiter»

Stadtbaumeister Enrico Slongo wird nach fast sechs Jahren die Langenthaler Stadtverwaltung verlassen. Der Stadtbaumeister hat sich für eine Rückkehr in seine Heimat Freiburg entschieden, wo er mit seiner im Oberaargau gesammelten Erfahrung ähnliche Projekte realisieren wird.

Langenthal ist im Wandel und gerade aktuell stehen der Stadt zahlreiche interessante Projekte bevor. Just in diesem Moment kommt aber auch die Kündigung von Stadtbaumeister Enrico Slongo, der sich für einen Ortswechsel entschieden hat. Für die Stadt Langenthal dürfte dies kein einfacher Zeitpunkt sein, gerade weil weiterhin zahlreiche Projekte entstehen und vorangetrieben werden (siehe Kasten), Enrico Slongo selbst findet aber, dass gerade jetzt der richtige Moment ist. «Bei solchen Grossprojekten gibt es immer Etappenziele. Wir sind an einem Moment angelangt, an dem viele Projekte an einem solchen Zwischenziel stehen, weshalb eine Übergabe einfacher passieren kann.» Vielleicht sei dies sogar der beste Moment, um sich neu auszurichten, findet der 46-Jährige selbst. Das Stadttheater sei saniert und über den ESP-Bahnhof wird am kommenden Montag im Stadtrat befunden, sodass das Projekt bald vors Volk zur Abstimmung gelangt und dann umgesetzt werden kann. Und auch beim Porzi-Areal sei nach dem Ende der Testplanungsphase ein solches Etappenziel erreicht.

Stolz über eigenen Beitrag
Dabei schwingt beim Abschied für den Stadtbaumeister aber auch ein bisschen Wehmut mit. «Es gibt diverse Standorte, die ich mit meiner Arbeit verbinde», sagt Slongo. Er laufe sehr gerne über den Postplatz oder durch die Marktgasse, schon jetzt freue er sich auf die Veränderung des Swisscom-Gebäudes an der Bahnhofstrasse – solche Standorte würden Arbeiten mit hoher Qualität in Punkto Stadtarchitektur zeigen. «Das zeichnet Langenthal heute aus. Und ich denke schon, dass ich da über meinen Beitrag stolz sein darf», erklärt der Stadtbaumeister, der als Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung agiert und als letzter auf ein Projekt Einfluss nimmt, ehe es dem Gemeinderat weitergegeben wird. «Grosse Freude bereitet mir auch das Stadttheater. Das ist wahnsinnig gut gelungen», so Slongo weiter. Dass er seine grossen Projekte nicht alle abschliessen konnte beschäftige ihn derweil weniger, damit müsse ein Stadtbaumeister umgehen. «Der Bau einer Stadt geht immer weiter. Das war mir von Anfang an klar. Auch ich habe diverse Projekte übernommen und zu Ende geführt, gleiches wird mein Nachfolger ebenfalls tun müssen.» Natürlich wolle er Langenthal auch in den nächsten Jahren mehrmals besuchen kommen, schliesslich interessiere ihn das Resultat grosser Bauten wie der ESP-Bahnhof oder jenes im Porzi-Areal besonders. «Beides sind sehr interessante Projekte. Und beide werden mich in den letzten Tagen in meinem Amt auch noch ein bisschen beschäftigen.»

Zurück in die Heimat
Grund für den Wechsel von Enrico Slongo ist derweil insbesondere, dass in Freiburg eine ähnliche Stelle freigeworden ist. In der Kantonshauptstadt an der Saane soll er Stadtarchitekt und Dienstchef des Amtes für Architektur und Stadtplanung werden, just dort, wo er vor Jahren einst das Gymnasium besuchte. «Für mich ist es schon ein bisschen ein nach Hause gehen», erklärt der in Lausanne an der ETH diplomierte Architekt. Heimatgefühle seien aber nicht der einzige Grund für seinen Wechsel. In Freiburg könne er ähnliche Aufgaben übernehmen, die einst in Langenthal anstanden – dieses Mal aber in einer etwas grösseren Kantonshauptstadt. «Freiburg steht am Anfang der Sanierung von öffentlichen Räumen. Die Altstadt ist fast autofrei und derzeit steht man vor der Frage, was man mit dem Platz vor der Kathedrale tun will», erklärt der in Muri bei Bern wohnhafte Slongo. Derzeit steht ein ähnlich grosses Umbauprojekt beim Bahnhof mit neuem Bahnhofplatz zur Realisierung bevor, und aus-serdem sind eine öffentliche Eishalle mit Schwimmbad für den Breitensport in Planung und die Erneuerung des Nationalliga-Eishockeystadions, die zum grössten Teil von Sponsoren finanzierten BCF-Arena, in Ausführung. «Dass es ein Kantonshauptort ist, hat mich schon gereizt», verrät Slongo. Die Projekte seien ähnlich gross wie in Langenthal auch, aber Freiburg sei noch mehr Stadt – mitsamt ihrem typischen Charme, der die Zähringer Stadt hat.

Modernes Workshopverfahren
Mitnehmen will Enrico Slongo natürlich seine Erfahrungen mit dem Siedlungsrichtplan und insbesondere jene um das in Langenthal eingeführte Workshopverfahren. Dieses sieht vor, vor dem Einreichen eines Projekts alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und auf Wünsche im Einklang mit dem Ortsbild einzugehen, um nicht zuletzt eine städtebaulich verträgliche Lösung für einen Neubau oder eine Sanierung zu finden. «Ich bin dankbar, dass der Gemeinderat dieser Idee damals gefolgt ist», sagt Slongo, der seit 2013 in Langenthal amtet. «Wir haben auf diese Weise etwas Innovatives umsetzen können, was mich freut und stolz gemacht hat.» Freude und Stolz erfülle ihn auch ganz allgemein im Rückblick, in Langenthal habe er eine ausgezeichnete Zeit erlebt, auf die er auch in Zukunft gerne zurückblicken werde. Zweifellos trug sich dabei die erfreulichste Erinnerung erst kürzlich zu, als Langenthal mit dem diesjährigen Wakkerpreis geehrt wurde. Enrico Slongo hatte für diese Errungenschaft als Stadtbaumeister zweifellos grossen Einfluss. «Kontinuität ist in einer Stadt wichtig, das wird auch mein Nachfolger wissen», blickt Enrico Slongo nun nach vorne, sein Vermächtnis nach sechs Jahren Arbeit in Langenthal werde deshalb zweifellos positiv weitergeführt. «Der Wakkerpreis ist auch dafür eine Motivation für alle», sagt Slongo. Auch wenn er nun in seine Heimat zurückkehrt, so will er seine derzeitige «Arbeitsheimat» Langenthal nicht ganz  vergessen.

Von Leroy Ryser