• Voll Rohr: Dieses Gripen-Horn in B, Marke Eigenbau, nutzt Rolf Marschall für Show-Einlagen. · Bilder: Gabriel Anwander

  • Mit der «Hummel»-Trompete werden technisch schwierige Passagen mit Leichtigkeit gemeistert.

  • Ein Blick in die Werkstatt von Rolf Marschall. Hier steht eine Es-Tuba eines Musikvereins bereit für die Revision.

  • Mini-Mini-Mini: Eine Piccolo- oder Taschentrompete in C.

15.02.2021
Emmental

Der Spezialist für grosses und kleines Blech

Rolf Marschall betreibt ein Brassatelier in Griesbach bei Sumiswald. Der gelernte Instrumentenbauer repariert Blasinstrumente und baut eigene Flügelhörner. Wer bei ihm eintritt, taucht in eine aparte Welt ein.

Sumiswald · Rolf Marschall betreibt seit zehn Jahren ein Brassatelier auf einem ehemaligen Bauernhof in Sumiswald. Wer zum ersten Mal mit dem Auto anreist, könnte leicht in Zweifel geraten. Sind wir am richtigen Ort gelandet? Der Parkplatz liegt neben dem ehemaligen Stall und der Zugang zum Atelier führt an einem plätschernden Brunnen vorbei und über eine hölzerne Aussentreppe in den oberen Stock. Dort, wo der Bauer früher Stroh, Heu und Emd für seine Tiere lagerte, hat Marschall eine Werkstätte und einen Show-Raum eingerichtet. Wer eintritt, taucht in eine aparte Welt ein.

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Eine Werkbank mit Schraubstock steht im ersten Raum. Es ist hell und übersichtlich, und der Geruch von Schmieröl oder speziellen Reinigungsmitteln hängt in der Luft. Eine Bohrmaschine, Zangen, Leimtuben befinden sich griffbereit auf der Bank, und ein in Einzelteile zerlegtes Blasinstrument. Bögen, Schalltrichter, Tastaturen mit den Ventilen liegen bereit zur Reparatur. In einer Truhe auf Rädern sind eigenartige Metallköpfe in jeder erdenklichen Grösse aufgereiht, und in einer Halterung an der Wand stecken zahllose Rohre aus Messing. Marschall reinigt das Innenleben von Blasinstrumenten in einem Tauchbad, gleicht auf einem Bock Dellen aus, erneuert Bögen, ersetzt Ventile, poliert matte Stellen und vieles mehr. Er hat Instrumentenbauer gelernt und baut auch eigene Flügelhörner in verschiedenen Variationen.

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Im Show-Raum stehen neue und restaurierte Blasinstrumente dicht aufgereiht auf Ständern an den Wänden. Die meisten funkeln und glänzen silbern oder golden, dass es eine wahre Freude ist. Marschall hat in der dritten Klasse auf einem Flügelhorn spielen gelernt und dabei seine Liebe zur Brassmusik entdeckt. In der Militärmusik spielte er Cornet, als Gesundheitsclown im Spital Saxophon, und heute, in der fünfköpfigen Kapelle «Rohrbachbläch», die er leitet, spielt er wieder ein Flügelhorn. Sein liebstes Instrument, gesteht Marschall, sei die Trompete. Trompeten seien die vielseitigsten Instrumente überhaupt. Er springt beim Erzählen immer wieder vom Tisch auf und nimmt eine Wagner-Tuba oder eine Hummel-Trompete ab dem Ständer und spielt darauf. «Mit dieser Hummel-Trompete lässt sich der Hummelflug besonders schön spielen», erklärt er, setzt sie an seine Lippen und trompetet. Und wie! Die Reinheit der hohen Töne bei dieser Geschwindigkeit erzeugt Hühnerhaut.

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Keine Minute später greift er zu einer Bach-Trompete und erklärt, die sei beliebt in der Barockmusik. Das kleinste Instrument, das er an Lager hat, ist eine Piccolo-Trompete. Auch Taschentrompete genannt. Er bringt das kleine Ding wunderbar zum Klingen. Die beiden grössten Instrumente stehen in einer Ecke und nehmen viel Platz ein. Es sind ein Kaiser-Helikon und ein H3 der Firma Hirsbrunner. Zwei gigantische Schmuckstücke. Der H3 stammt aus dem Jahr 1940. Marschall setzt ein riesiges Mundstück auf, packt das Helikon, schwingt es über den Kopf, setzt das Mundstück an die Lippen, bläht die Backen auf und spielt. Der Ton, den er erzeugt, liegt tiefer als der Ton eines Nebelhorns einer alten Fähre. Nur so zum Beispiel. Marschall holt tief Luft, setzt erneut an, bläst denselben tiefen Ton und steigt dann auf der Tonleiter gleich noch fünf Stufen hinunter. Das sind mehr als weiche, fesche, nie gehörte Töne, das sind Vibrationen, die den gesamten Organismus berühren.

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Marschall lacht oft und viel und hebt bei jedem einzelnen Instrument diesen oder jenen Vorteil hervor. Von einem Nachteil spricht er nie. Das Wort scheint in seinem Sprachschatz gar nicht zu existieren. Sein Wissen, sein exaktes Schaffen und seine Gründlichkeit werden von Musikerinnen und Musikern weitherum geschätzt. Er braucht keine Werbung zu machen. Wer einmal ein Instrument in Marschalls Hände gab, der vertraut ihm und kommt wieder. Das ist für Brassmusikerinnen und -musiker keine Selbstverständlichkeit, denn besonders die Waldhorn-Musiker, verrät Marschall, seien ein eigenes Volk. Und mit einem verschmitzten Lachen fügt er an: «Sie sagen, ich sei der Spezialist für grosses und kleines Blech.»

Von Gabriel Anwander