• Wie weiter mit der Eishalle in Schoren? Diese Frage blieb auch in der letzten Sitzung des Langenthaler Stadtrates ungeklärt. · Bild: Walter Ryser

02.12.2022
Langenthal

Der Stadtrat will nicht mehr Demokratie

Der Langenthaler Stadtrat ist gegen die Ausweitung der demokratischen Rechte für die Stadtbevölkerung. Nach einer intensiven, teils heftig geführten Debatte lehnte er einen entsprechenden Antrag hauchdünn ab, der die Einführung eines Bevölkerungsvorstosses verlangte.

Auch die zweitletzte Sitzung des Langenthaler Stadtrates in diesem Jahr dauerte lang, sehr lang. Selbst der zu Beginn erfolgte Appell von Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi (FDP), man solle sich bei seinen Voten kurz halten und sich vielleicht auch mal fragen, ob es wirklich nötig sei, noch etwas zu sagen, nützte wenig. Ja, hätte die Stadtratspräsidenten bei einem Beschlussantrag von Georg Cap, Fanny Zürn (beide Grüne), Päivi Lehmann (SP), Fabian Fankhauser (glp) und Mitunterzeichner die Diskussion nach anderthalb Stunden nicht abrupt beendet, die Sitzung des Langenthaler Parlaments hätte erneut über fünf Stunden gedauert. So war dann für einmal nach viereinhalb Stunden Schluss.

Viele Vorstösse werden nicht umgesetzt
Der oben erwähnte Beschlussantrag verlangte die Einführung eines Bevölkerungsvorstosses. Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, nämlich der Bevölkerung ein weiteres demokratische Mittel zur politischen Mitbestimmung zur Verfügung zu stellen, war im Stadtrat äusserst umstritten. Begründet wurde der Antrag damit, dass mit dem Bevölkerungsvorstoss ein handliches Mittel zur Verfügung gestellt werde, um den Langenthalerinnen und Langenthalern einen besseren und direkteren Einfluss auf die Gemeindepolitik zu ermöglichen. Namentlich sollen dadurch auch die 23 Prozent Ausländerinnen und Ausländer in der Gemeinde Zugang zur politischen Mitbestimmung erhalten.
«Es ist nicht zu verantworten, dass in einer Gemeinschaft fast ein Viertel der beteiligten Menschen gänzlich von jeglicher Entscheidungsfindung ausgeschlossen wird», argumentierten die Antragsteller, mit dem Hinweis darauf, dass dieser Teil der Langenthaler Bevölkerung durch ihre Arbeit, das Alltagsleben und das private Engagement die Gemeinde massgebend mitpräge. Der Bevölkerungsvorstoss ermöglicht es, mindestens 40 in Langenthal wohnhaften Personen über 18 Jahren, unabhängig von Stimm- und Wahlberechtigung, zu Handen des Gemeinderates einen schriftlich begründeten Antrag in Form einer Motion, eines Postulates oder einer Interpellation einzureichen. Ein solcher Vorstoss soll wie ein parlamentarischer Vorstoss im Stadtparlament behandelt und allenfalls an die Regierung überwiesen werden. Dazu verweisen die Antragsteller auf andere Kantone und Gemeinden, in denen ein solches politisches Instrument der Bevölkerung bereits zur Verfügung steht.
Stadtrat Pascal Dietrich (parteilos) sprach von einem sympathischen Vorstoss, der seiner Meinung nach aber falsche Erwartungen wecke. Er wies darauf hin, dass zahlreiche Vorstösse von Stadtparlamentariern zwar überwiesen worden seien, aber bis heute nicht umgesetzt wurden. «Nun wollen wir hier ein weiteres politisches Instrument zur Verfügung stellen, mit dem vermutlich weitere Anliegen eingebracht werden, die dann ebenfalls irgendwo versanden werden», bemerkte er. Deshalb ist er der Meinung, dass jene Leute, die politisch aktiv werden möchten, einen der 40 Stadträtinnen oder Stadträte von ihrem Anliegen überzeugen sollten.

Demokratie wird ausgebremst
Auch Patrick Freudiger war der Meinung, dass die bereits zur Verfügung stehenden politischen Instrumente ausreichend seien. Zudem wertete er den Antrag auch als Misstrauen gegenüber dem Stadtrat. «Ein Bevölkerungsvorstoss ist ein Zeichen dafür, dass der Stadtrat scheinbar seine Arbeit nur ungenügend verrichtet», sagte er. Saima Sägesser (SP) wiederum wünschte sich, dass die bürgerlichen Stadträte etwas weiterdenken würden. «Ich finde es bedenklich, die Demokratie auszubremsen, bevor man ein solches Instrument überhaupt ausprobiert hat.» Fanny Zürn (Grüne) leistete ihr Schützenhilfe und machte explizit darauf aufmerksam, dass Menschen ohne Schweizer Pass vom politischen Leben in Langenthal ausgeschlossen seien. Aber es gebe auch Schweizerinnen und Schweizer, denen es aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen mit Abend- und Wochenendeinsätzen nicht möglich sei, sich politisch zu engagieren. «Mit dem Bevölkerungsvorstoss schaffen wir für jene Menschen eine Möglichkeit, sich politisch einzubringen.» Für Fabian Fankhauser (glp) ist es eine sanfte Möglichkeit zur politischen Partizipation.
Martin Lerch (SVP) sprach davon, dass er während seiner beruflichen Zeit als Militärattaché im Ausland viel Lob und Bewunderung für die direkte Demokratie in unserem Land erfahren habe. «Aber, man kann den Bogen auch überspannen und ich habe das Gefühl, dass genau das hier geschieht», mahnte er. Schlicht unnötig fand Corinna Grossenbacher (SVP) das Anliegen, «denn jeder, der sich politisch einbringen will, der kann dies auch tun», bemerkte sie. Und Diego Clavadetscher (FDP) wies darauf hin, dass gemäss Stadtverfassung jeder Einwohner die Möglichkeit habe, eine Petition einzureichen, was bis heute noch nie geschehen sei. Damit war der Schlagabtausch vorbei, weil, wie eingangs erwähnt, dieser von Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi für beendet erklärt wurde. Mit 18 Nein-Stimmen gegen 17 Ja-Stimmen, bei 3 Enthaltungen, setzte sich das bürgerliche Lager durch und lehnte den Antrag zur Einführung eines Bevölkerungsvorstosses ab. Ebenfalls abgelehnt – dieses Mal deutlich mit 22 Nein- gegen 15 Ja-Stimmen, bei einer Enthaltung – wurde ein zweiter Antrag zur Einführung eines Jugendvorstosses.

Stillstand beim Stadion-Neubau
SVP-Stadtrat Martin Lerch wollte mittels einer Interpellation Antworten vom Gemeinderat betreffend Stand beim Projekt «Neue Eissportarena Hard». Der Gemeinderat teilte in seiner Antwort mit, dass das Projekt weiterverfolgt werde. Man habe sich mit dem SC Langenthal zu mehreren Gesprächen getroffen. Dabei sei explizit festgehalten worden, dass sich die künftige Strategie der Körperschaften des SC Langenthal und die Pläne des Gemeinderates betreffend Eissport in Langenthal zwingend decken müssten. Weiter gab der Gemeinderat zu verstehen: «Sobald in den Gesprächen mit der SCL AG das gemeinsame weitere Vorgehen bestimmt werden konnte, wird es hierzu eine gesonderte Information geben.»
Keine schlüssige Antwort lieferte der Gemeinderat auf die Frage des Interpellanten, ob angesichts der explodierenden Energiepreise auch in Zukunft der Eissport in Langenthal im bisherigen Umfang betrieben werden könne. Der Gemeinderat wies lediglich darauf hin, dass die Frage, welche Freizeit-, Kultur- und Sportangebote die Langenthaler Politik ihrer Bevölkerung zur Verfügung stellen möchte, von hohem politischem Wert sei. «Der Stadtrat wird hinsichtlich künftiger Budgetierungen massgeblich den Rahmen der künftigen Möglichkeiten in diesem Bereich mitbestimmen», hielt der Gemeinderat in seiner Antwort fest.

Von Walter Ryser