• Die Spielerinnen der Skorpions bedanken sich in einem emotionalen Moment nach der Partie bei ihren Fans. · Bilder: Leroy Ryser

  • Lukas Schüepp tröstet seine Spielerinnen. Im Hintergrund blickt Simon Kurt ins Leere.

  • Marylin Thomi aus Rüegsauschachen war nach zwei Dritteln noch zuversichtlich.

18.04.2023
Sport

Der Superfinal ist kein Hollywood-Film

Einmal mehr muss sich die UHV Skorpion Emmental Zollbrück in einem Finalspiel gegen die Kloten Dietlikon Jets geschlagen geben. Die Gastgeberinnen führten nach einer turbulenten Minute im zweiten Drittel 2:1 und konterten die dominierenden Emmentalerinnen im Schlussdrittel gnadenlos aus. Die dritte Finalniederlage schmerzt umso mehr, weil der erste Titelgewinn nach dem Qualifikationssieg greifbar nahe schien. Letztlich aber gipfelt die Saison in einer unglücklichen 2:4-Superfinal-Niederlage.

Unihockey · Nach zwei Dritteln sehen die Zuschauer in der Stimo Arena in Kloten plötzlich einen anderen Auftritt der Skorpions. Mit dem 1:2-Rückstand beginnen die Emmentalerinnen die Kloten-Dietlikon Jets auf einmal gehörig unter Druck zu setzen. Phasenweise gelingt das auch. Chancen häufen sich zu Beginn des Drittels. Man findet als parteiischer Zuschauer: Der Wind könnte sich drehen. «Das war der All-in-Gedanke», sagt Marylin Thomi später, der habe den Auftritt verändert, findet die Verteidigerin aus Rüegsau-schachen. Nach 43 Minuten trifft Lea Hanimann den Pfosten, die Skorpions holen wenige Sekunden später auch noch eine Strafe raus. Auf dem Skore steht es noch 2:1 für die Zürcherinnen. Aber jetzt, ja jetzt, könnte es kippen.

Power fehlte zu Beginn
Dass es aus Emmentaler Sicht überhaupt hätte kippen können, lag an zwei Faktoren. Der erste und im Nachhinein womöglich entscheidende: Die UHV Skorpion Emmental Zollbrück beginnt – genauso wie die Jets – eher zurückhaltend. Von aussen bekommt man den Eindruck, als wolle man unbedingt nicht verlieren. Während Stürmerin Nathalie Spichiger später sagt: «Irgendwie hat die Power zu Beginn gefehlt», begründen die beiden Trainer Lukas Schüepp und Simon Kurt die Wahl der Taktik verständlich: «Im letzten Drittel hat man ihre Stärke gut gesehen», sagt Lukas Schüepp. Man habe den Gegnerinnen gar keinen Raum, um Konter fahren zu können, geben wollen. Bei schnellen Angriffen seien sie nämlich stark. Und Simon Kurt ergänzt: «Im Halbfinale gegen Chur hat unsere Taktik mit dem abwartenden Pressing sehr gut funktioniert.» Im Halbfinale haben die «Skorps» auf genau diese Weise die Spiele bestimmt und jene Tore geschossen, die sie in den Superfinal trugen.
Schlechter waren die Skorpions in ebendiesem Superfinal am vergangenen Samstag keineswegs. Auch die Klotenerinnen spielten abwartend, alleine dies habe den für Zuschauer vielleicht unattraktiven Start ermöglicht, sagt Captain Lisa Liechti nach der Partie. Nervosität sei dafür aber nicht der Grund gewesen, finden derweil alle Befragten auf Seiten der Skorpions. «Ein bisschen Anspannung gehört dazu», ergänzt der Huttwiler Simon Kurt. Nervosität sei aber keineswegs ein Knackpunkt in diesem Finale gewesen, betont auch er.

Zwei Freistoss-Situationen
Letztlich führt aber dennoch das schwer zu greifende, gewisse Etwas beim Titelverteidiger dazu, dass in der entscheidenden Phase des Spiels die Jets anstelle der leicht zu favorisierenden Qualisiegerinnen aus dem Emmental die entscheidenden Tore schiessen. Denn – und das ist der zweite Grund, dass Marylin Thomi nach der Partie vom All-in-Gedanken im Schlussdrittel sprechen muss – zwischen der Minute 30 und 31, innerhalb von exakt einer Minute, legen die Zürcherinnen gleich zwei Mal vor und erzielen das 1:0 und nach einem Kontertor das 2:1. Es sind zwei Freistösse, bei denen die Emmentalerinnen nur wenige Zentimeter zu spät kommen. Zuerst trifft Noomi Überschlag mit einem satten Direktschuss, den die nahestehende Ada Hök ganz knapp nicht verhindern kann, später trifft dann Laila Ediz quasi aus der Drehung zum 2:1, bei dem es für den Bruchteil einer Sekunde in der Skorpions-Abwehr Zuteilungsprobleme gibt.
Dazwischen sieht es ein erstes Mal so aus, als könnte die Partie drehen. Auf geniale Weise erobert Selma Bergmann den Ball bei der Mittellinie, führt sogleich den Konter aus und bedient Nathalie Spichiger bei deren erstem Tor an diesem Abend – ehe das mitentscheidende 2:1 fällt. «Das Bitterste ist für mich, dass wir diese kontrollierte Phase gut im Griff hatten. Es sind nur zwei Standards gewesen, bei denen wir das Eins-gegen-eins nicht gänzlich im Griff hatten», kommentiert Trainer Lukas Schüepp die entscheidende Phase des Spiels.

Skorpions nehmen mehr Risiken
Es sei ein «Chrüsimüsi» gewesen, sagt derweil Marylin Thomi rückblickend über diese eine Minute. «Ich habe irgendwie gedacht: Jetzt kann der Match losgehen. Beide haben jetzt getroffen, jetzt gehts los. Und es lief dann auch besser, aber so richtig Profit daraus ziehen konnten wir nicht.» Nach dieser 31. Minute fällt die Partie zuerst noch einmal in die defensiv-abwartenden Strukturen zurück, bei der Chancen rar sind. Erst im Schlussdrittel fällt auf, dass die Skorpions nun Risiken eingehen, die auch den Jets Räume öffnen. Noch in der 49. Minute fängt Captain Lisa Liechti zwei Mal hervorragend einen Pass bei einem Konter ab, ehe dann doch noch das 3:1 in der 50. Minute fällt. Und als sich Nikol Pekárková im Zweikampf mit Leonie Wieland (52.) überlaufen lässt, steht es auch schon 4:1, weil die sonst mehrfach stark reagierende Torfrau Helen Bircher dieses Mal chancenlos bleibt.

Emotional ein schwieriger Moment
Es ist dann Nathalie Spichiger, die mit einer überragenden Einzelleistung auf der rechten Angriffsseite in der 56. Minute noch einmal die Spannung in die Partie zurückbringt. Das 2:4 weckt aber nur für kurze Zeit Hoffnungen bei den Skorpions, die sich letztlich mit ebendiesem Resultat auch geschlagen geben müssen. «Gründe für die Niederlage zu finden ist aktuell schwierig», sagt eine sichtlich niedergeschlagene Marylin Thomi nach der Partie und hängt an: «Emotional ist es gerade etwas viel. Es ist einfach nur schwer gerade jetzt.» Derweil fehlen auch Nathalie Spichiger die Worte. «Die Enttäuschung ist riesig», sagt sie, «mehr weiss ich jetzt im Moment gar nicht zu sagen.» Da fehlen wenig überraschend auch bei Captain Lisa Liechti die Worte. «Wir hätten wahrscheinlich übers Ganze gesehen mehr Qualität gehabt», sagt sie enttäuscht. Dass diese Niederlage auch noch ihr Karrierenende besiegle, sei umso mehr bitterer.

Es fehlt nur die Krönung
Ein Ende ist es auch für Lukas Schüepp und Simon Kurt. Die beiden Coaches führten die Skorpions in den letzten vier Jahren an die Spitze der NLA – und darauf sind die beiden rückblickend auch stolz. «Wir haben gesehen, dass die Frauen von Jahr zu Jahr immer mehr investiert haben. Sie haben immer wieder versucht, noch einen weiteren Schritt zu machen. Und da ist es einfach nur schade, dass wir uns dafür nicht belohnen konnten», sagt Assistenztrainer Simon Kurt. Letztlich fehle eigentlich nur die Krönung dieser Zeit, sagt auch Lukas Schüepp. «Aber ein Superfinal ist eben kein Hollywood-Film. Da gibt es nicht unbedingt ein Happy End. Und dennoch fühle ich Stolz. Es fühlt sich so an, als hätten wir alles rausgeholt», erklärt Schüepp, der nächste Saison die Herrenmannschaft von Wiler Ersigen übernehmen wird.
Die Hoffnung auf ein Happy-End ist aber noch nicht endgültig abgeschrieben. Man habe sich in der NLA an der Spitze etabliert, sagt Schüepp, Kurt ergänzt, dass man auch deshalb den Skorpions für die Zukunft umso mehr einen Titel wünscht. Und auch die Rüegsauschacher Nationalspielerin Marylin Thomi sagt: «Jede wird das nun für sich selbst analysieren und dann nach vorne blicken müssen, damit wir noch härter und noch besser trainieren.» Und damit soll es dann, nach drei verlorenen Finals (einer davon im Cup) gegen die Kloten Dietlikon Jets, vielleicht nächste Saison endlich mit dem ersten Titel klappen. In diesem Jahr ist für die Skorpions aber leider klar: Dieser Superfinal ist kein Hollywood-Film mit Happy End.

Matchtelegramm: 15. April. – Stimo Arena, Kloten. – 5562 Zuschauer. – SR: Siegfried/Keel. – Tore: 30. (29:36) Überschlag (Behluli) 1:0. 21. (30:16) Spichiger (Bergmann) 1:1. 31. (30:46) Ediz (Wick) 2:1. 50. Bertini (Gämperli) 3:1. 52. Wieland (Larsson) 4:1. 56. Spichiger (Liechti) 4:2. – Strafen: 1mal 2 Minuten gegen die Jets. 0mal 2 Minuten gegen die Skorpions. – Jets: Werz; Rüegger, Stettler; Larsson, Zwissler; Bertini, Geiser; Kistler, Jeyabalasingam; Pilspa, Gamperli, Metzger; Suter, Ediz, Wick; Behluli, Überschlag, Wieland; Herzog, Niederberger. – Skorpions: Bircher; Thomi, Liechti; Reinhard, Ritter; Hök, Pekárková; Aeschbacher, Lüthi; Bergmann, Hanimann, Spichiger; Marti, Grundbacher, Brechbühl; Gerber, Kipf, Baumgartner; Rezácová, Lanz, Siegenthaler. – Bemerkungen: 43. Pfostenschuss Hanimann. 58. Time-Out Skorpions. Ediz und Spichiger als beste Spielerinnen ausgezeichnet.

Von Leroy Ryser