• Güdel-CEO Markus Ruprecht befürchtet, dass das Bildungswesen nicht schnell genug auf die neuen, digitalisierten Berufsfelder angepasst werden kann.· Bild: Walter Ryser

  • Ralf C. Schlaepfer ist überzeugt, dass der Roboter schon sehr bald den Menschen vom heutigen Arbeitsplatz verdrängen wird. · Bild: Walter Ryser

27.10.2016
Langenthal

Die Digitalisierung erreicht die Region

Die Digitalisierung und Automatisierung verändert aktuell unsere Arbeitswelt grundlegend. Die Digitalisierung hat auch den Oberaargau erreicht. An der Wirtschaftslandsgemeinde bei der Firma Güdel in Langenthal wurde über Chancen und Möglichkeiten des Umbruchs gesprochen. «Wir müssen eine Firmenkultur schaffen, die Veränderungen in den Betrieben ermöglicht», weiss Michael Witschi, Inhaber der gleichnamigen Baufirma in Langenthal, welche Herausforderungen auf die Firmenchefs warten.

Von Walter Ryser · «Roboter werden uns die Arbeit wegnehmen – nicht erst übermorgen, sondern bereits heute und morgen. Was bedeutet das für uns und wie machen wir uns fit für diese Herausforderung?» Mit diesen provokativen Worten leitete Ralf C. Schlaepfer, Managing Partner der Deloitte Consulting AG in Zürich, die Wirtschaftslandsgemeinde Oberaargau bei der Firma Güdel in Langenthal ein. Die technische Entwicklung schreite rasend schnell voran, führte er weiter aus und wies auf die Bereiche 3D-Druck sowie die Entwicklung bei den Drohnen und im Bereich des autonomen Fahrens (selbstfahrende Fahrzeuge) hin.
Laut Schlaepfer hat die Roboterisierung der Arbeitswelt viele Vorteile: Standardabläufe würden vereinfacht, ein Roboter sei unermüdlich bei der Arbeit, könne beliebig multipliziert werden (im Gegensatz zu einer menschlichen Arbeitskraft) und er erledige auszuführende Arbeiten unendliche Male richtig. «Das führt in den Betrieben zu Veränderungen, die extrem schnell von statten gehen», betonte Schlaepfer. Dadurch würden sich die Arbeitsplätze in Zukunft massiv verändern. Der Referent ist überzeugt, dass in den nächsten Jahren rund 50 Prozent der aktuellen Arbeitsplätze bedroht sind und der Automatisierung zum Opfer fallen werden. «Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Roboterisierung schafft auch neue Arbeitsplätze», sagte Schlaepfer.

Neue Arbeitsplätze und Geschäftsmodelle
Unternehmen müssten sich nun die Frage stellen, welche Talente sie in Zukunft in ihren Firmen benötigen würden. Es brauche neue Technologien und vor allem Personal, das ganz neue Arten von Kooperation eingehen und pflegen könne. Das wiederum werde zu einer ganz anderen Art der Zusammenarbeit und Kommunikation in den Betrieben führen. «Und das bedeutet, dass man das Personal künftig auch ganz anders führen muss.» Anhand eines praktischen Beispiels zeigte anschliessend Markus Ruprecht, CEO bei der Güdel AG, wie die Automatisierung und Digitalisierung in seinem Unternehmen Einzug hält.
In der anschliessenden Podiumsdiskussion erwähnte beispielsweise Michael Witschi, Inhaber und CEO des Langenthaler Bauunternehmens Witschi AG, dass gerade im Bausektor das Potenzial im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung riesig sei. Dabei verwies er auf China, wo bereits ganze Häuser aus dem 3D-Drucker entstehen würden. «Es wird neue Arbeitsplätze und komplett neue Geschäftsmodelle geben und wir müssen uns überlegen, wie wir uns und unsere Mitarbeiter weiterbilden werden», bemerkte Ralf C. Schlaepfer. Für Michael Witschi ist deshalb klar, dass die Firmenchefs aktiv werden müssen «und in ihren Betrieben eine Firmenkultur schaffen müssen, die Veränderungen ermöglicht, denn viele Leute haben grosse Angst vor Veränderungen.»

Keine zeitgemässe Ausbildung
Markus Ruprecht vermutet, dass die Schulung der Mitarbeiter in Zukunft ein zentrales Thema in den Firmen sein wird. Dieser Prozess sei in seinem Betrieb bereits in vollem Gange und dabei stelle er fest, «dass die Leute, unabhängig von ihrem Alter, mit der Zeit müde sind, ständig wieder etwas Neues lernen zu müssen. Sie möchten lieber wieder einmal in Ruhe zwei, drei Jahre arbeiten können», wies er auf eine grosse Gefahr der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung hin. Für Schlaepfer stellt gerade dieser Bereich eine sehr grosse Herausforderung für die Firmen dar: «Wir müssen die Leute dahin bringen, dass sie den Plausch haben, etwas Neues zu lernen. Die berufliche Tätigkeit sollte deshalb etwas Spielerisches beinhalten.» Aber was tun wir, wenn der Roboter unsere Arbeit übernimmt? Michael Wirtschi sieht darin nicht in erster Linie eine Gefahr, sondern eine Chance. «Dann können wir uns den kreativen Prozessen widmen und vermehrt interagieren.» Eine Gefahr der Roboterisierung sieht Witschi vielmehr bei der Ausführung der Arbeiten. «Wir leben in einem Land mit enorm hohen Qualitätsansprüchen und individuellen Wünschen der Kunden, was meiner Meinung nach die komplette Automatisierung erschweren dürfte.»
Markus Ruprecht dagegen sieht die grösste Gefahr im Bereich des Bildungswesens, müsse doch dieses innert kürzester Zeit auf die neuen Berufsfelder angepasst und eingestellt werden. Er befürchtet deshalb, dass sich dadurch der Fachkräftemangel noch weiter verschärfen könnte. Schlaepfer teilte seine Meinung und wies dabei auf die Universitäten hin, die seiner Meinung nach bereits heute kaum noch zeitgemässe Ausbildungen anbieten würden. «Die universitäre Ausbildung muss unbedingt näher an den Alltag herangeführt werden», forderte er. Der anschliessende Apéro, noch von Menschenhand und nicht automatisiert zubereitet, wurde gerne dazu genutzt, um über das interessante Thema der Wirtschaftslandsgemeinde vertieft zu diskutieren.