• Das Interesse der Bevölkerung von Walterswil und Dürrenroth an der Informationsveranstaltung zur Schulreorganisation war gross. Nur wenige Stühle blieben leer. · Bild: Marion Heiniger

22.09.2020
Emmental

Die Fronten sind noch immer verhärtet

Die Informationsveranstaltung zur möglichen Schliessung des Schulstandortes Gassen zeigte deutlich, dass die Fronten zwischen den Gemeinderäten von Dürrenroth und Walterswil und der Schulgemeinde Klein-Emmental sowie deren Befürworter nach wie vor stark verhärtet sind. Aus dem Publikum wurden Stimmen laut, das Geschäft der Schulreorganisation zurückzustellen.

Walterswil / Dürrenroth · Die hitzige Debatte um die mögliche Schliessung des Schulstandortes Gassen ging an der Informationsveranstaltung in eine weitere Runde. Das Vorhaben und die Gründe wurden von den beiden Gemeindepräsidenten Andreas Minder (Dürrenroth) und Katharina Hasler (Walterswil) sowie dem Dürrenrother Gemeinderat Reto Rettenmund (Ressort Bildung) nochmals zusammengefasst. Dabei wurden unter anderem die wichtigsten Themen wie Sicherheit auf dem Schulweg, die Klassengrössen, der finanzielle Aspekt oder Abwanderung von Familien angesprochen. Gemeindepräsident Andreas Minder rechnet nicht mit einer grossen Abwanderung der Familien, falls der Schulstandort Gassen geschlossen werden sollte. Im Gegenteil, man beobachte, dass die Zuwanderungen in ländliche Gegenden wegen der Corona-Pandemie eher zunehmend seien.

Kosten sparen, Standorte stärken
Zum finanziellen Aspekt wurde dargelegt, dass die Ausgaben für die Bildung wie in vielen anderen Gemeinden am höchsten seien und sogar noch vor den hohen Sozialausgaben stehen. Belastend käme für die Steuerzahler hinzu, dass die Steueranlagen beider Gemeinden hoch seien. Sie befürchten zudem, dass die Folgen durch den Lockdown auch auf die Steuereinnahmen Einfluss haben werden. Die Schliessung des Schulstandortes Gassen würde deshalb erhebliche Kosten einsparen. Gleichzeitig könnten die beiden verbleibenden Schulstandorte Walterswil und Dürrenroth durch mehr Schülerinnen und Schüler gestärkt werden. Doch genau hier erhoben die Befürworter der Schule Gassen Einspruch. Die Berechnungen der möglichen Einsparungen decken sich nicht mit den bei der Firma Abplanalp-Ramsauer AG in Auftrag gegebenen Berechnungen der Schulgemeinde Klein-Emmental. Die Gemeinden hätten in ihrer Botschaft keine Gegenüberstellung der beiden Berechnungen gemacht, was von den Befürwortern der Schule Gassen auch an diesem Abend weiterhin kritisiert wurde. Als Argument nannte Katharina Hasler, dass die Zahlen der Firma Abplanalp-Ramsauer AG nicht nachvollziehbar und auch nicht gegenseitig vergleichbar seien.

Klassengrössen nicht relevant
Zum Thema Schülerzahlen und Klassengrössen ergriff Schulinspektor Christoph Schenk das Wort. Gemäss Vorgaben des Kantons müssen aufgrund der sinkenden Schülerzahlen in absehbarer Zeit zwei Klassen geschlossen werden. In welchem der drei Schulhäuser (Walterswil, Gassen oder Dürrenroth) diese schlussendlich wegfallen, spiele dabei für den Kanton Bern keine Rolle. Gemäss Modellvorschlag der einst eingesetzten Arbeitsgruppe wäre dies grundsätzlich möglich, ohne einen Schulstandort zu schliessen, in dem man Klassen zusammenlege und in der Schule Gassen wie auch in Walterswil Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse im gleichen Klassenzimmer unterrichtet.
Eine derartige Schulorganisation sei aber, gemäss der versendeten Botschaft der Gemeinden Walterswil und Dürrenroth, nicht mehr zeitgemäss und für Lehrpersonen auch wenig attraktiv. Schulinspektor Christoph Schenk führte weiter aus, dass Klassengrössen von unter 20 Kindern keinen relevanten Einfluss auf den Lern-erfolg der Schülerinnen und Schüler hätten. Er zitierte damit die umfangreiche Hattie-Studie des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie. Bei Hatties Ranking landet der Bereich Klassengrösse auf Platz 106, von gesamthaft 138 Einflussfaktoren auf den Lernerfolg. Dagegen hielt eine Stimme aus dem Publikum fest, dass der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz einen positiven Zusammenhang zwischen kleinen Klassen und besserer Leistung der Schülerinnen und Schüler feststellte.

Die Grundsatzfrage
Der Unmut und die Enttäuschung gegenüber dem Vorgehen der Gemeinderäte von Walterswil und Dürrenroth, den Schulstandort Gassen zu schlies-sen, um die beiden Schulen in den Hauptgemeinden zu stärken und damit Geld einzusparen, waren bei den Befürwortern der Schule Gassen noch immer nicht verraucht. Bereits an der letzten Schulgemeindeversammlung Klein-Emmental wurde dies lautstark kundgetan (der «Unter-Emmentaler» berichtete).
Da die Fronten sich verhärtet haben, stellte ein Redner aus dem Publikum den Antrag, das Projekt Schulreorganisation zurückstellen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen. Danach sollte mit Gesprächen aller Beteiligten nochmals von vorne begonnen werden. Der Antragsteller erhielt Zustimmung von weiteren Anwesenden. Doch die Gemeinderäte halten an ihrem Vorhaben fest und möchten ihre bereits mehrfach erwähnte Grundsatzfrage an den bevorstehenden Gemeindeversammlungen vom 8. Dezember stellen: Schliessung Schulstandort Gassen, ja oder nein. Erst danach sei der Zeitpunkt, um weitere Details zu besprechen, sind sich die Räte einig.

Von Marion Heiniger