• Für das Flechten der Drahtkörbe braucht es oft viel Kraft.

  • Die Ausgangslage für jeden Drahtkorb.

  • Konzentriert bei der Arbeit. Hansueli Liechti und Tochter Sarah teilen die gemeinsame Leidenschaft der handgemachten Kratten-Herstellung. · Bilder: Marianne Plüss

  • Familie Liechti ist mit ihren Drahtkörben an diversen Märkten anzutreffen. So etwa wie hier Sarah 2019 am Gotthelfmarkt in Sumiswald. · Bild: Thomas Peter

08.03.2021
Emmental

Die letzten Krattenmacher aus Wasen

Ein drahtiger Kratten – ein Relikt aus alter Zeit? Ihr Anblick wecke bei den einen nicht besonders gute Erinnerungen an eine strenge Kindheit, an harte, schwere Arbeit. Andere hingegen kriegen nostalgische Gefühle und sie trauern vergangenen Zeiten nach. Hansueli Liechti aus Wasen und seine Tochter Sarah halten dieses fast ausgestorbene Handwerk am Leben.

Wasen · Ein Kratten, ein geflochtener Drahtkorb, war früher ein nicht wegzudenkendes Utensil in jedem Haushalt, auf jedem Hof. Gebraucht wurden Kratten in diversen Grössen fürs Steine sammeln, für die Gartenarbeit, für Holz, für die Kartoffel- und Obsternte.
Von Hand hergestellt, waren sie alltägliche Gebrauchsgegenstände. In der Kurzenei in Wasen stellte die Ruwa die Kratten in Heimarbeit her. Mit der Zeit aber ging es mit dieser alten Handwerkskunst bergab. Billig geschweisste Körbe aus Metallstäben kamen auf, obwohl sie nicht die gleiche Qualität oder Langlebigkeit wie das Althergebrachte bieten konnten. Die Kunststoffwelle begann und plötzlich gab es diese schrecklichen, bunten Körbe aus Plastik. Aber ehrlich, ein Plastikkorb im Garten, wie kann man nur! Irgendwann gab es nur noch Ruedi Eggimann, der noch die Drahtkratten für die Ruwa flocht. Nach seiner Pensionierung fuhr er damit zuhause fort, flocht aber nur noch eine einzige Grösse. Ruedi Eggimann war es ein grosses Anliegen, dass diese Drahtkörbe nach seinem Ableben weiter hergestellt werden. Am Hobbymarkt im Löchlibad fiel ihm Hansueli Liechti aus Wasen auf. Ruedi Eggimann, der mit seinen Kratten anwesend war, bemerkte Hansueli Liechtis handwerkliches Geschick. Hinfort bestürmte er ihn, bei ihm das Krattenmachen zu erlernen. Somit hatte er seinen Nachfolger gefunden.

Des Krattenmachers Erbe
Hansueli Liechti, handwerklich begabt, in Eriswil auf einem Hof auf dem Berg aufgewachsen, hatte in Wasen eine Lehre als Maurer gemacht. In Wasen blieb er bis heute hängen und arbeitet mittlerweile seit sechzehn Jahren als Strassenmeister fürs kantonale Tiefbauamt. Zuerst wollte er gar nicht so auf das ständige Drängen von Ruedi Eggimann eingehen. Nach einer Australienreise beschloss Hansueli Liechti dann aber doch, ihm nachzugeben und besuchte ihn, um sich ein Bild von der Sache zu machen. Er fand wirklich Gefallen daran. Bereitwillig brachte ihm Ruedi Eggimann alles bei und regelte, dass nach seinem Ableben das noch vorhandene Material und Werkzeug in den Besitz von Hansueli Liechti überging.
Hansueli Liechti half als Gegenleistung im Garten, oder wo immer gerade ein wenig Unterstützung nötig war. So zog das ganze Material eines Tages bei dem neuen Besitzer ein. Damit begann eine neue Ära im Hause Liechti. Die Kratten-Herstellung erfasste ihn mit Leib und Seele, und zwar so, dass er das Material, wie seine Frau Silvia schmunzelnd erzählt, sogar mit in die Ferien nimmt. Während sie fährt, «lismet» er, wie sie es liebevoll nennen, auf dem Beifahrersitz an einem Korb. Zum Erstaunen derjenigen, die mit ihnen im Stau stehen und einen Blick in den Wagen werfen. Inzwischen wurde auch seine achtzehnjährige Tochter Sarah vom Kratten-Virus erfasst.
Es ist immer eine grossartige Sache, wenn sich die nächste Generation für fast vergessene Handfertigkeiten anstecken lässt. Alte Kulturtechniken und altes Können und Wissen erhalten und weitergeben, das ist ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt, eine Verbindung zur Vergangenheit in einer mit grausam viel Technik vollgestopften Welt. Sarah, die eine Ausbildung zur Köchin macht, erzählt, dass sie sich früher oft über den Vater gewundert habe, weil er jeweils fast nicht damit aufhören konnte. Inzwischen gehe es ihr aber selbst auch so. Es mache richtiggehend süchtig, man könne abschalten und es sei sehr beruhigend.

Für jedes Bedürfnis einen Kratten
Hergestellt werden ganz verschiedene Modelle, vom kleinen, niedlichen Körbchen mit Teelicht bestückt, bis hin zum richtig grossen Korb für Kaminholz, Steine und vieles mehr. Die Drahtkörbe gibt es in zwei Ausführungen, entweder aus Schwarzdraht, der schwarz geglüht ist oder aber aus Stahldraht, der geglüht und verzinkt ist. Bevor die beiden Krattenmacher aber mit dem Flechten beginnen, braucht es einige systematische Vorarbeiten. Von den benötigten Bestandteilen fertigt man immer eine grössere Menge an, damit man genügend Vorrat hat und nicht jedes Mal bei null anfangen muss. Den Flechtdraht beziehen Liechtis im Aargau. Die Drahtdicke beträgt 1,4 Millimeter, das Material wird auf 5kg-Rollen geliefert. Der festere, 4 Millimeter dicke Ringdraht, den es für den Boden braucht, wird auch gerollt geliefert. Die sehr schönen, mit viel Liebe gemacht und gut in der Hand liegenden Holzgriffe drehen Sarah und Hansueli Liechti auch selbst. Dazu verwenden sie Fund-, Alt- und Fallholz. Von Esche bis Kirschbaum ist alles zu finden.

Anspruchsvolle Handarbeit
Das Kunstwerk beginnt mit einer Unterlagsscheibe. Zuerst entsteht das «Bödeli». Und wie beim Stricken, muss man hier auch zuerst einmal anschlagen. Die gewünschte Anzahl Drähte wird um die Scheibe herum mittels Zange «angelitscht», weil es so gleichmässiger wird als von Hand. Eine Arbeit, die oft von Sarah ausgeführt wird. Anschliessend beginnt das Flechten von Hand. Das ist ziemlich anstrengend. Beide sagen sie, dass man das nicht allzu lange machen könne. So machen sie mit der rechten Hand den Boden, und danach wird mit der Linken weitergeflochten. Nach dem Flechten werden die Draht­enden abwechselnd nach aussen und innen gerichtet, um so eine Art Führung für den oberen Ring zu erhalten. Dort hin-ein wird dann der Ring gelegt. Bevor Henkel und Griff montiert werden, wird der Korb noch mit einem Gummihammer bearbeitet. So kriegt man eine formvollendete Gestalt, ohne Beulen und Unebenheiten. Wer ans Krattenmachen denkt, stellt sich den Handwerker in einer urchigen Bude vor, oder irgendwo in einer zugigen Tenne, einem Schopf. Unerwartet aber die Tatsache, dass Hansueli und Sarah Liechti das Flechten gemütlich auf dem Sofa ausführen.

Nicht ganz so easy
Beide betonen, dass es Kraft, Ausdauer, Geduld und Handfertigkeit braucht. Auch Liebe zu schönen Dingen. Vater und Tochter sieht man an, dass ihnen diese Beschäftigung sehr viel Freude macht und für viel Befriedigung sorgt. Bei ihnen drehe sich alles ums Krattenmachen, sagen sie.
Manchmal helfen auch die beiden Söhne mit, und wenn es auf den Markt geht, dann geht auch Silvia Liechti mit. So haben sie schon einige Märkte besucht, den Gotthelfmärit in Sumiswald, den Chüechlimärit in Langnau und den Huttwiler Zibelemärit. Dort habe man jeweils zusehen können, wie man «chrättlet», und so mancher wollte den Kratten, dessen Entstehung man Zeuge war, gleich heimnehmen. Man könne aber nicht stundenlang und pausenlos flechten, denn das gehe in die Knochen, sagen beide.

Ein originelles Geschenk
Die Drahtkörbe eignen sich nicht nur für die Gartenarbeit, die bald wieder losgeht. Sie finden häufig auch als Geschenkkörbe, Früchtekörbe und sogar als Raclettekörbe für den Lottomatch Verwendung. Kleinere Körbe eignen sich als tolles, nicht alltägliches Mitbringsel, für Haustür- und Fensterdekorationen, oder als Obstkorb für die Küche.
Zu kaufen gibt es sie direkt bei Familie Liechti in Wasen. Man verliebt sich augenblicklich in dieses Stück, sobald man es in die Hände kriegt, weil sich ein von so begabten Händen produziertes Emmentaler Drahtkörbli aus Wasen einfach gut anfühlt.

Kontakt: Hansueli Liechti, Drahtkörbli, Huttwilstr. 7K, Wasen. s.h.liechti@bluewin.ch, 034 437 00 75.

Von Marianne Plüss