• Feld- und Waldwege sind das bevorzugte Trainingsgelände des Leimiswiler Profibikers Mathias Flückiger. · Bild: zvg

27.03.2020
Sport

«Die Rennpause kommt für mich gelegen»

Mathias Flückiger, Mountainbiker aus Leimiswil – Trotz der Coronavirus-Krise kann sich der Leimiswiler Profi-Mountainbiker Mathias Flückiger derzeit uneingeschränkt auf die Saison vorbereiten. Der 31-Jährige nutzt die rennfreie Zeit, um über einen privaten Schicksalsschlag hinweg zu kommen. Mit den Olympischen Spielen 2020 in Tokio – seinem Karrierenhighlight – muss er ein Jahr zuwarten.

Radsport · 2019 war die Saison des Leimiswiler Mountainbikers Mathias Flückiger. Der 31-Jährige wurde in Kanada Vizeweltmeister. Zuvor hatte er im Weltcup vier Podestränge, darunter den Sieg in Albstadt im Mai, sowie den Vize-Schweizermeistertitel in Gränichen gefeiert. Viele Siege und Topränge in weiteren Rennen kamen hinzu. «Es war ganz klar meine bisher beste Saison», bestätigt der beste regionale Mountainbiker.

Ausgangssperre wäre schlimm
Nun steht aber alles still. «Das Coronavirus hat uns gezeigt, dass alles im Leben relativ ist.» Für den Profiradsportler gibt es allerdings nicht derartige Einschränkungen wie beispielsweise für Schwimm- oder Teamsportler. «Ich habe grössten Respekt vor dem Coronavirus und befolge die wichtigsten Massnahmen des Bundesrats. Ich bin aber auch dankbar dafür, dass ich meinen geliebten Sport noch ausüben darf.» Für den Mountainbike-Highlander – Flückiger wuchs in Ochlenberg auf – ist sonnenklar, dass das Radfahren in der Natur kein Gefahrenherd darstellt. «Wenn ich meine Trainings über Feld und Waldwege absolviere, ist dies nicht nur ungefährlich, sondern auch noch gesund. Auch bei Strassentrainings mit dem Rennrad sehe ich keine Probleme», so der Spitzensportler. Mit einer allfälligen Ausgangssperre würde sich dies krass verändern. «Davor habe ich ehrlich gesagt Angst. Ich bin seit Geburt ein Naturmensch. Ein dauerhaftes Training daheim auf den Rollen wäre gar nichts für mich.» Mathias Flückiger tut deshalb alles, damit sich die Lage nicht verschlimmert. «Ich habe meine Eltern sehr lieb. Doch aus Vorsicht habe ich sie schon viele Tage nicht mehr besucht.»

Beziehungsout verarbeiten
Die Coronavirus-Krise hat auch den Radsport bereits mächtig durcheinander gewirbelt. «Für mich ist klar, dass derzeit keine Rennen stattfinden können. Ich bin mir sogar sicher, dass es noch ziemlich lange keine Rennen geben wird.» Mathias Flückiger nutzt diesen nach hinten verschobenen Saisonstart quasi doppelt. «Einerseits hilft er mir sehr, aus meiner privaten Krise zu kommen, anderseits habe ich durch die Situation fast wie eine weitere Saison geschenkt bekommen, kann noch einmal einen sauberen Aufbau starten.» Rückblick: Mathias Flückiger trennte sich vor einigen Monaten von seiner langjährigen Partnerin. Dies warf ihn komplett aus der Bahn. «Es war extrem schwer, mich auf meinen Sport fokussieren zu können. Ehrlich gesagt, gelang es mir am Anfang gar nicht», blickt «Math» auf seine bisher schwierigste Zeit zurück. «Immer wieder grübelte ich am Geschehenen herum. Motivation und Substanz, um im Training Vollgas zu geben, waren einfach nicht vorhanden.» Mit Luftveränderungen und Reisen nach Cran Canaria oder Südafrika – natürlich vor der Coronavirus-Krise – versuchte der gelernte Baumaschinenmechaniker seinen Liebeskummer in den Griff zu kriegen. Was nur halbwegs gelang. «Darum kommt es für mich jetzt fast ein bisschen gelegen, dass noch keine Rennen stattfinden.» Erst seit einigen Tagen fühlt er sich mental wieder parat.

Die Form stimmt
Erstaunlich, die körperliche Fitness scheint unter der einschneidenden privaten Veränderung nicht gelitten zu haben. «Zu meinem eigenen Erstaunen schnitt ich kürzlich bei einem Fitnesstest besser ab als im Vorjahr», freut sich Flückiger. «Dies gibt Auftrieb.» Das Mitglied von Thömus RN Racing Team ist derzeit täglich mehrere Stunden auf dem Bike oder Rad im Trainingseinsatz. «Weil ich realisiert habe, dass noch lange keine Rennen stattfinden werden, kann ich meinen Trainingsaufbau dementsprechend anpassen», sagt Flückiger.
Der Leimiswiler hat für die Rennabsagen vollstes Verständnis. Gleichzeitig sind sie aber für seine Existenz als Profisportler wichtig. «Die Sponsoren wollen Resultate sehen, Medienberichte lesen. Ohne Rennen gibt es diese nicht.» Eine Profibike-Saison kostet Mathias Flückiger 125 000 Franken. Keine einfache Situation.

Keine Olympischen Spiele 2020
«Wenn alles gut läuft, könnte eventuell die Schweizermeisterschaft im Juni stattfinden.» An die Austragung seines grossen Jahres- und eigentlich auch Karrierenhighlights glaubte er bereits vor der offiziellen Absage am Dienstag (siehe Kasten) aber nicht. «Die Olympischen Spiele in Tokio dürfen nicht stattfinden», spricht der Olympiasechste von Rio 2016 noch vor dem offiziellen Entscheid, der kurz darauf fiel, Klartext.
«Der Olympische Gedanke ist, alle Länder dieser Welt beim Sporttreiben friedlich zu vereinen. Dies ist wegen des Coronavirus nicht möglich. Bis zum 24. Juli werden nicht alle Länder das Coronavirus im Griff haben.» Für den regionalen Topbiker mache es keinen Sinn, während einer solchen Krisensituation einen derartigen Weltsportanlass auszutragen. Die Gesundheit der Menschheit habe klaren Vorrang. Natürlich hofft Flückiger, dass der Grossanlass in Japan nicht abgesagt, sondern um ein Jahr verschoben wird. Dies ist nun der Fall.

«Math» will auch 2024 in Paris starten
Davon, dass Tokio 2020 – oder jetzt eben Tokio 2021 – die letzte Chance für Mathias Flückiger bilde, einen weiteren Olympischen Spitzenrang – bei optimalem Verlauf sogar eine Medaille – zu schaffen, distanziert er sich klar. «Selbst bei einer Absage von Tokio wären meine zweiten Olympischen Spiele durchaus denkbar.» Wie? Mathias Flückiger geht davon aus, dass er auch an den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris an den Start gehen wird. «Mir ist völlig klar, dass ich dann fast 36 Jahre alt sein werde. Doch aktuell gibt es keinen Grund, dieses Ziel nicht ins Auge zu fassen. Ich fühle mich sehr gut und konnte zuletzt jedes Jahr noch an Leistung zulegen.»
Und wenn es dann auch privat wieder zu 100 Prozent passt, dürfte Mathias Flückiger stärker denn je unterwegs sein. «Es wird eine Frau kommen, die ehrlich und gut zu mir ist.» 

Von Stefan Leuenberger